Der von seinen Mitgliedern in seiner Kurzform Spio genannte Verband ist der größte und einflussreichste Verband der Filmbranche. 17 einzelne Berufsverbände für Schauspieler, Regisseure, Bühnenbildner und die vielen technischen Gewerke beim Kinofilm umfasst der Verband und spricht damit für 1400 Firmen im Lande. Der 1923 in Berlin noch während der Stummfilmzeit gegründete Verband setzt sich als Lobbyist für die wirtschaftlichen und kulturpolitischen wie juristischen Belange des Kinos ein. Nach Neugründung 1949 in Wiesbaden kehrt Verbands-Präsident Christian Sommer nun an den Ort zurück, wo alles mit Stummfilmen in den 20er-Jahren begann und die Fundamente für eine weltweit beachtete Filmwirtschaft gelegt wurden.
Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Films ist mit gut 25 Milliarden Euro zwar in Zahlen nicht die größte - und somit kaum mit sonstigen Industriebetrieben der deutschen Wirtschaft vergleichbar. Ein wichtiges Gut in der Betrachtung ist allerdings das Renommee das international ausgezeichnete Produktionen auf Filmfestivals wie der Berlinale, in Cannes, Venedig oder gar in den USA bei den jährlichen Oscar-Verleihungen erzielen können. „Das Leben der Anderen“, „Die Blechtrommel“, „Nirgendwo in Afrika“ und zuletzt „Im Westen nichts Neues“ mit gleich vier Trophäen haben Oscars für Deutschland geholt und damit einen fundamentalen Beitrag zur Stärkung der hiesigen Wirtschaft geleistet.
Eine großangelegte Studie der Goldmedia im Auftrag des Wirtschaftsministerium 2017 hatte ergeben, dass „mit jedem Euro in der Filmwirtschaft eine nachgelagerte Wortschöpfung von 1,60 Euro in anderen Bereichen wie dem Tourismus ausgelöst wird“. Zuvor waren Wirtschaftskraft und Bedeutung lange Zeit kaum politisch beachtet gewesen und wurde die Filmbranche nach Worten des langjährigen Spio-Präsidenten Alfred Holighaus als ökonomisches Leichtgewicht abgetan. Heute gehen Film, Gastronomie und Tourismus als Partner nicht nur in Hollywood Hand in Hand. Das Wirtschaftsministerium unterstützt die Branche seit 2016 mit dem German Motion Picture Fund.
Vor allem der altehrwürdige Produktionsstandort in Potsdam-Babelsberg, das bereits 1912 gegründete und damit älteste Großatelier-Studio der Welt, hat in den vergangenen Jahren nachhaltig zur Belebung des Arbeitsmarktes in der Region Berlin und Brandenburg beigetragen. So nutzten auch unzählige US-Produktionen wie „Grand Budapest Hotel“, „Bridge of Spies“ oder „Die Tribute von Panem“ die Studio Babelsberg AG auf ihrem 173,000 Quadratmeter großem Gelände als Dienstleister und sorgen für Umsatz und Beschäftigung in der Kreativwirtschaft Deutschlands. Eine europäische Traumfabrik, die wie selbstverständlich auch in Hollywood beachtet wird und nicht nur von ihrer Geschichte aus glorreichen Vorkriegszeiten lebt, als hier 1922 Klassiker wie „Doktor Mabuse“ und „Nosferatu“ gedreht worden, mit Stars wie Asta Nielsen und Pola Negri, und 1930 „Der blaue Engel“ mit Marlene Dietrich weltweit zur Ikone wurde.
Filmförderung musste neue Wege gehen, statt US-Filme mit Steuergeldern zu subventionieren
Seither hat sich auch in Sachen Filmförderung einiges getan. Deutschland unterstützt die Branche mit fast 50 Milliarden Euro, wobei hier noch 150 Millionen Regionalförderung hinzukommen. Zum Vergleich: In Frankreich sind dies mit insgesamt 820 Milliarden ein Mehrfaches. Weil es sich in Deutschland lange Jahre vor allem um eine Standortförderung handelte, die durchaus auch ausländischen Produktionen zufließen konnte. Wie im Fall „Grand Budapest Hotel“ (2014) von Wes Anderson, wo deutsche Steuerzahler zu einem Fünftel den amerikanischen und gleichfalls Oscar-prämierten Streifen subventioniert haben. Als Hotel-Kulisse für die fantastisch anmutende Produktion diente damals vor allem das traditionsreiche denkmalgeschützte Kaufhaus „Zum Strauss“ in Görlitz. Seither eine Pilgerstätte im deutschen Osten.
Aktuell ist die deutsche Filmbranche wieder mal in einer Phase der Neuorientierung. Wobei es in Hollywood nicht anders ist, wie der lange Streik der Filmschaffenden und Drehbuchautoren in diesem Jahr in Kalifornien gezeigt hat. Film war 100 Jahre das Synonym für Kino. Doch, seitdem das Streaming von Filmen ein Stück weit dem Kinobesuch den Rang abgelaufen hat und mittlerweile auch das Fernsehen mit seinen Mediatheken kräftig am Markt mitmischt, müssen sich die Firmen massiv umstellen.
Statt weiterhin teure Großproduktionen zu produzieren, halten heute die vielen Serienformate die Beschäftigten in Lohn und Brot. Die Kinos bundesweit wiederum haben gerade erst mit der Corona-Epidemie leidlich eine ihrer größten Prüfungen überstanden. Sie versuchen mit günstigen Dauerkarten wenigstens Cineasten an ihre Häuser zu binden. Und auch das Studio Babelsberg in Potsdam, der Platzhirsch unter den Filmfirmen, muss umdenken und sich neu erfinden. In diesem Jahr machten Gerüchte die Runde, der Studio-Komplex könnte nach 111 Jahren seine Eigenständigkeit einbüßen, weil die Auslastung in den vergangenen Jahren spürbar nachgelassen hat. Ein US-Investment-Fonds hält inzwischen die Mehrheit am Unternehmen. Babelsberg muss sich seither einreihen in ein weltweites Portfolio vergleichbarer Standorte.
Vor der Krise hatten die verschiedenen Branchenbereiche laut Statistischem Bundesamt mit Produktion, Synchronisation. Verleih und anderen Dienstleistungen jährlich einen Umsatz von 8,9 Milliarden erzielt. Mit gut fünf Milliarden entfiel mehr als die Hälfte auf die Herstellung. Fast 160,000 Beschäftigte tragen zur Herstellung von Filmen bei - man kennt das Phänomen von den ellenlangen Abspännen aller am Set beteiligten Hilfen und Handwerker. In Berlin, München und Köln sind diese Beschäftigten fester Bestandteil der Kulturszene und ein Faktor bei der Anziehungskraft dieser Metropolen.
Es hätte schlimmer kommen können. In Italien etwa sind die rosigen Zeiten der Cinecittà Studios Rom fast vollständig verblichen, fast nur noch Touristen pilgern in Südosten der ewigen Stadt. Babelsberg ist mittlerweile zwar auch teils eines Themenpark, dennoch wird hier immer noch gedreht. Das ist ein guter Grund, 10o Jahre Kinoverband in Berlin zu feiern.
Immerhin ist die Kinobranche für 24,5 Milliarden Euro Umsatz zwar kein großer Player im Vergleich zur Industrie, aber die Produkte bestimmen nachhaltig das Renommee eines Landes.