Die aktuelle Wirtschaftsflaute, die den gesamten Globus erfasst hat, ist erstaunlich. Eine Art ökonomisches Naturgesetz besagt, dass neue Technologien industrielle Revolutionen und Konjunkturschübe auslösen. Nach dieser Grundregel müssten im Gefolge des Internets und der Digitalisierung fundamentale Umwandlungen erfolgen und zahlreiche neue Märkte entstehen. Das ist nur in bescheidenen Ansätzen der Fall und die meisten Erfolge der neuen IT-Giganten beruhen auf relativ einfachen Technologien. Der lange unbedeutende Versandhandel konnte sich durch die Bequemlichkeit des Internets als Erfolgsmodell durchsetzen. Ebenfalls dem Komfort und der Schnelligkeit des Internets ist der Siegeszug der Mails und Kurzmitteilungen zu danken. Schreib-, Gestaltungs- und Rechen-Programme entsprechen der elementaren Computertechnologie, bilden aber noch nicht die hohe Schule der Digitalisierung.
Mond und Erdinneres lockt
Einen voraussichtlich gigantischen Impuls bekommt die Industrie nun aus einer überraschenden Quelle. Eine ganze Reihe wirtschaftlich führender Länder betreiben einen Wettlauf zum Mond, auf dem bemannte Stationen errichtet werden sollen, die auch als Startplätze für die Besiedlung des Mars dienen würden. Mit einem gigantischen Aufwand wollen nun die USA, China, Indien, Japan und Russland den Erdtrabanten erschließen. Diese Unternehmungen dürften nicht nur zur Erforschung und zur Nutzung der enormen Ressourcen des Mondes führen, sondern auch die terrestrische Wissenschaft beleben.
Der Mond entstand durch den Zusammenstoß der Erde mit dem Planten Theia, sodass sich ein Vergleich der Strukturen auf dem Mond und der Erde anbietet. Der Planet Theia existiert nicht mehr und ist auch nicht zur Gänze im Mond aufgegangen. Einige Wissenschaftler gehen davon aus, das beträchtliche Teile von Theia im Inneren der Erde gelandet sind und sich bis heute zwischen Erdkern und Erdkruste befinden. Als Gegenstück des Wettlaufs zum Mond, kündigt sich also ein wissenschaftlich und industriell ebenso forderndes Vordringen in das bisher unerschlossene Erdinnere an.
Die zahllosen Herausforderungen der Mondprojekte ergeben sich aus der Überwindung der Entfernung, der Landung, der Errichtung von Bauten und Wegen, dem Schutz der Menschen und Geräte vor den Strahlen, der Sicherung von menschengerechten Lebensbedingungen wie der Produktion von Sauerstoff am Ort. In allen Bereichen sorgt die Haltbarkeit der Materialien und der Geräte über extrem lange Perioden für Probleme.
Benötigt wird künstliche Intelligenz
Die skizzenhafte Aufzählung rückt schon das Kernproblem in den Vordergrund. Zur Illustration: Ein Fahrzeug, das bei einer Mondstation zum Einsatz kommen soll, muss vom vornherein sehr lange haltbar sein, aber auch ausgeklügelte Systeme aus Sensoren und Computern enthalten, die selbstständig Probleme orten und Schäden reparieren können. Die Fahrzeuge müssen Boden-Unebenheiten erkennen und von sich aus das Fahrwerk anpassen, um auch ohne glatte Straßen voranzukommen. E ist leicht erkennbar, dass die Entwicklung von derartigen Mondmobilen die Technik der irdischen Automobile revolutionieren dürfte. Nicht zufällig arbeitet man bei Toyota an der Entwicklung eines Mondmobils, das diese Ansprüche erfüllt.
Ein Merkmal wird hier überdeutlich. Die Herausforderungen der Mondfahrt und der Mondbesiedlung sind nur mit einer umfassenden Digitalisierung und einer tatsächlichen, künstlichen Intelligenz zu meistern. Das Mondauto muss selbst begreifen, wenn ein Bestandteil beschädigt ist und die Reparatur besorgen, also alle Elemente einer intelligenten Problemlösung selbst vornehmen. Dieser Vorgang stellt tatsächlich künstliche Intelligenz dar. Der derzeit oft verwendete Ausdruck KI bezieht sich auf die Nutzung einer umfassenden Datenbank durch Algorithmen, die aus dem verfügbaren Material Zusammenhänge herausfiltern. Für diese durchaus interessanten Vorgänge erscheint allerdings der Begriff künstliche Intelligenz übertrieben.
Ein Fahrzeug, das selbstständig seinen Weg durch die Mondlandschaft findet und sich bei Bedarf selbst repariert, kann getrost als intelligent bezeichnet werden. Nicht nur das Mondfahrzeug dürfte die irdische Industrie revolutionieren. In allen Bereichen, in denen für die Mondfahrt zu produzieren sein wird, ergeben sich neue Dimensionen.
Die Errichtung von Bauten auf dem Mond wird aller Wahrscheinlichkeit mit Hilfe der 3D-Technik unter Verwendung des auf dem Mond verfügbaren Materials erfolgen. Derzeit ist die 3D-Technik in der Bauwirtschaft noch in den Anfängen, doch mehrt sich weltweit die Zahl auch der mehrgeschossigen Objekte. Die Pläne werden in Computern erstellt und berücksichtigen die Außenbedingungen, ein bei den hohen Temperaturschwankungen und Strahlungen auf dem Mond entscheidender Faktor. In den Plänen, die letztlich auch die Produktion der Bauten aus dem 3D-Drucker steuern, sind auch alle erforderlichen Leitungen und Rohre für die Installationen berücksichtigt. Es ist anzunehmen, dass der 3D-Bau von Objekten auf der Erde, die dem Klimawandel standhalten müssen, kräftige Impulse durch die Entwicklung der Mondbauten erhalten wird.
Der Mond verspricht, ein wichtiger Energielieferant zu werden
Große Hoffnungen werden in die auf dem Mond reichlich verfügbare Sonnenenergie gesetzt. 20 Prozent des Mondbodens bestehen aus Silizium, das für die Herstellung von Photovoltaik-Platten genutzt werden kann. Auch die Sonnen-Paneele will man mit dem 3D-Drucker herstellen.
Die Energie-Produktion aus Photovoltaik würde nicht nur generell den Energiebedarf decken, sondern auch zur Versorgung der Raketen bei Rückflügen oder Weiterflügen zum Mars beitragen. In der Folge müssten die Trägerraketen und Raumschiffe weniger Energie von der Erde mitbringen, könnten also leichter sein und hätten zusätzlichen Laderaum für andere Zwecke.
In China wird die Ansicht vertreten, dass auf dem Mond Helium3 gewonnen und zur Erde gebracht werden kann. Dieses Material ermöglicht die Kernfusion, um die sich China besonders bemüht und die die globale Energieversorgung entscheidend verändern würde.
Eine Landwirtschaft für den Klimawandel
Immer stärker in den Mittelpunkt des Interesses rückt die Produktion von Nahrungsmitteln auf dem Mond und dem Mars, die lange für unmöglich gehalten wurden. Forschungen in den USA, in Frankreich und in Israel zeigen, dass landwirtschaftliche Produktion auch unter extremen Bedingungen möglich ist. So werden beispielsweise Mars-Bedingungen in der unwirtlichen Wüste Negev im Süden von Israel simuliert. Nachdem mit Hilfe der Raumsonden auf dem Mond und auf dem Mars Wasser nachgewiesen wurde, haben sich viele Zweifel gelegt. Auch die Entwicklung in diesem Bereich verspricht große Vorteile für die Erdbevölkerung, deren Ernährung im Gefolge des Klimawandels mit lange anhaltenden Dürreperioden gefährdet ist. Im Rahmen der Mondprojekte dürfte es gelingen, eine Landwirtschaft zu entwickeln, die mit wenig Wasser und unter extremen Bedingungen, wie sie auch in der Wüste gegeben sind, Nahrungsmittel herstellt.
Um menschliches Leben auf dem Mond zu ermöglichen, muss die Versorgung mit Sauerstoff gesichert werden. Tatsächlich sind im Regolith-Gestein, das die Mondoberfläche bedeckt, enorme Mengen an Sauerstoff gebunden, die gewonnen werden können, wofür allerdings ein großer Energieaufwand erforderlich ist. Die Technik entspricht einem bei der Herstellung von Aluminium angewandten und bewährten Verfahren. Die notwendige Energie sollten Solarkraftwerke liefern.
Ein Blick in die Details der Mondprojekte zeigt, dass die Installierung von Mondstationen, die von Menschen betrieben werden, ein realisierbares Ziel darstellt. Die Übersiedlung auf den Mond oder ein Mondurlaub werden aber kaum allgemein Anklang finden, da bei Sonnenlicht die Temperaturen auf 130 Grad Celsius ansteigen und im Dunkeln auf 160 Grad Minus sinken. Von einer Station mit menschengerechten Bedingungen aus wird aber die Erschließung der reichen Bodenschätze des Mondes möglich sein. Es sollte auch gelingen, einen regelmäßigen Verkehr zwischen dem Mond und der Erde zu installieren, de routinemäßig den Transport von Waren, Material und Menschen besorgt. In weiterer Folge könnte auf dem Mond tatsächlich eine Startrampe errichtet werden, von der aus Raketen und Raumschiffe zum Mars fliegen würden.
Noch befinden sich die Mondprojekte in den Anfangsstadien. Die Herausforderungen sorgen aber bereits für kräftige Impulse in den Wirtschaftsbereichen, die die notwendigen Technologien entwickeln sollen. Die unter extremen Bedingungen auf dem Mond selbstständig fahrenden Autos, die Bauten aus dem 3D-Drucker bis hin zur Landwirtschaft, die auf kargen Böden mit wenig Wasser Nahrungsmittel produzieren muss, alle Entwicklungen werden die Autoingenieure, die Baumeister und die Bauern neue Dimensionen auch für die Erde erschließen lassen.
Wann die aktuellen Projekte für Mondlandungen von Menschen und die Errichtung von Mondstationen sorgen werden, lässt sich nicht präzise sagen, da technische, finanzielle und organisatorische Probleme immer wieder Verzögerungen auslösen. Realistisch ist aber, dass schon in wenigen Jahren mit konkreten Ergebnissen gerechnet werden kann.
USA: Mondprogramm nach 50 Jahren Pause
Das Programm der USA wird unter der Bezeichnung der griechischen Mondgöttin Artemis abgewickelt. Mit mehr als 30 Ländern wurden Kooperationsvereinbarungen geschlossen, sodass es sich um eine internationale Initiative handelt. Die Hauptlast der Finanzierung tragen die USA aus dem Bundesbudget. Seit dem Apollo-Programm, das in den Jahren 1961 bis 1972 abgewickelt wurde und zum ersten und bisher einzigen Mal Menschen auf den Mond gebracht hat, haben die USA kein Weltraumprogramm mehr durchgeführt. Das aktuelle Projekt wurde 2019 von Präsident Donald Trump gestartet und von Präsident Joe Biden fortgesetzt. Ursprünglich war Boeing als Partner vorgesehen, doch war das Unternehmen den Anforderungen nicht gewachsen.
Die Raumfahrtbehörde NASA wechselte zum Raumfahrtunternehmen Space X von Elon Musk. Die Gesellschaft bekam den bereits mit mehreren Milliarden Dollar dotierten Auftrag eine extrem starke Trägerrakete und ein Raumschiff unter Berücksichtigung aller verfügbaren Erkenntnisse zu bauen Eine erste Variante war bereits im Frühjahr 2023 verfügbar und so wurde im April ein Start versucht, der aber mit einer Explosion endete und scheiterte. Ein zweiter Versuch erfolgte am vergangenen Samstag, dem 18. November 2023. Die stärkste jemals gebaute Trägerrakete sollte das Raumschiff Starship zum Mond bringen, doch gelang auch dieser Test nicht, die Rakete landete im Golf von Mexiko, das Raumschiff nach einer Erdumrundung im Pazifik. NASA und Musk erklären, dass der Fehlschlag nicht negativ gesehen werden sollte, man habe beim Versuch im April und jetzt im November eine Vielzahl wertvolle Erkenntnisse gewonnen, die entscheidend zum Erfolg der nächsten Starts beitragen werden. Die Fortsetzung des Projekts ist gesichert, im Budget 2024 sind wieder Milliarden für die Finanzierung vorgesehen. Man hält unverändert am Plan fest, Menschen auf den Mond zu bringen, diesmal auch eine Frau und einen Afro-Amerikaner, eine Raumstation zu errichten, die den Mond umkreist und einen Stützpunkt auf dem Mond selbst zu bauen und in weiterer Folge vom Mond aus zum Mars zu fliegen.
China bereitet Nutzung des Monds als Rohstofflieferant vor
China hat auf die Untätigkeit der USA im Weltraum reagiert und ab dem Wirtschaftsplan 1991 bis 1995 mit dem Aufbau eines Mondprogramms begonnen, das bis heute zu fünf Mondlandungen geführt hat, wobei bei auch die Rückholung mit von Robotern eingesammelten Bodenproben gelungen ist. Geplant ist derzeit die Entsendung von drei weiterer Raumschiffe in den kommenden Jahren, die auch Bodenproben bringen sollen, da man in China besonders an der Nutzung der Bodenschätze interessiert ist. Vor allem soll jetzt das Ausmaß der gefrorenen Wasserreserven des Mondes erforscht werden.
Auch will man bei den nächsten Expeditionen die Voraussetzungen für die Errichtung einer Bodenstation schaffen. Die Zielvorgaben für die Jahre 2024 bis 2027 passen zur deklarierten Absicht, noch vor 2030 chinesische Astronauten auf dem Mond landen zu lassen.
Auch Indien, Japan und Russland realisieren Mondprogramme
Das Interesse konzentriert sich naturgemäß auf die groß angelegten Aktivitäten er beiden Weltwirtschaftsnächte USA und China. Allerdings dürfen die Initiativen Indiens, das bereits drei erfolgreiche Mondlandungen von Geräten geschafft hat, zuletzt eine im vergangenen August, nicht unterschätzt werden. Auch Japan engagiert sich beim Wettlauf zum Mond und hat im September erfolgreich eine Mondmission gestartet. Russland ist ebenfalls auf dem Weg zum Mond. Wie die USA hat Russland 50 Jahre seine Weltraumaktivitäten ausgesetzt und heuer versucht, eine Sonde auf den Mond zu bringen, die aber im August auf die Mondoberfläche stürzte. In Moskau wird betont, dass man weiter einen eigenständigen Weg in den Weltraum gehen werde, man zwar mit China freundschaftlich verbunden sei, sich aber nicht in das chinesische Programm einbringen möchte.