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Schuldenbremse: Scholz erhält Rückendeckung vom DIW

Lesezeit: 2 min
28.11.2023 10:30  Aktualisiert: 28.11.2023 10:30
Die Haushaltskrise rechtfertigt laut DIW-Chef Marcel Fratzscher die Ausrufung einer Notlage auch für 2024. Die Schuldenbremse sei sowieso nicht mehr zeitgemäß.

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Als Weg aus der Haushaltskrise ist nach Ansicht des Berliner Top-Ökonomen Marcel Fratzscher die Ausrufung einer Notlage auch für 2024 gerechtfertigt.

Die "ehrlichste und pragmatischste" Lösung wäre eine Notlage auch für das kommende Jahr zu erklären, sagte der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) am Dienstag vor der Auslandspresse in Berlin. Aus ökonomischer Sicht sei dies sehr gut zu rechtfertigen. "Deutschland befindet sich dieses Jahr in einer schwierigen Situation", fügte er hinzu. Die Wirtschaft werde wahrscheinlich um 0,4 Prozent schrumpfen und die Auswirkungen der Energiekrise hallten noch nach.

Das ist also die Logik von DIW-Chef Marcel Fratzscher: Die Ampel hat mit ihrer Wirtschaftspolitik und ihrem verfassungswidrigen Haushalt eine Notlage herbeigeführt, daher soll sie nun so viele neue Schulden aufnehmen dürfen, wie sie will. Würde sich diese Argumentation durchsetzen, wäre dies offensichtlich eine gefährliche Entwicklung. Eine Regierung muss demnach lediglich eine Krise herbeiführen, dann ist sie an geltende Regeln nicht mehr gebunden.

DIW: Schuldenbremse nicht mehr zeitgemäß

Die Notlage auch für 2024 zu erklären, bedeute jedoch nicht zusätzliche Schulden aufzunehmen, betonte Fratzscher. Es gehe aber um "eine andere Art der Finanzierung", die nicht über den Klima- und Transformationsfonds und nicht über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds laufen sollte. Fratzscher schlug überdies vor, die Schuldenbremse zu reformieren. Sie sei nicht mehr zeitgemäß.

Dies sieht auch der Chef des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft, (IW), Michael Hüther, so: "In der jetzigen Form ist die Schuldenbremse wie aus der Zeit gefallen", sagte er dem "Handelsblatt" vom Dienstag. Die Beschränkung der Neuverschuldung auf 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung sei nicht begründet: "Weder theoretisch noch empirisch."

Die Bundesregierung hat einen Nachtragshaushalt für 2023 auf den Weg gebracht und damit Konsequenzen aus dem weitreichenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts gezogen. Mit dem Nachtragshaushalt muss die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse erneut und bereits das vierte Jahr in Folge ausgesetzt werden.

Die Verhandlungen über den Etatentwurf 2024 liegen wegen des Karlsruher Urteils auf Eis. Finanzminister Christian Lindner sieht einen zusätzlichen Sparbedarf von zehn bis 20 Milliarden Euro.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat am Dienstag in einer Regierungserklärung im Bundestag die grundlegende Bedeutung des Karlsruher Urteils für die Haushaltsführung in Bund und Ländern betont. "Dieses Urteil schafft eine neue Realität – für die Bundesregierung und für alle gegenwärtigen und zukünftigen Regierungen, im Bund und in den Ländern", sagte Scholz. "Eine Realität, die es allerdings schwieriger macht, wichtige und weithin geteilte Ziele für unser Land zu erreichen", fügte der SPD-Politiker hinzu. Die Bundesregierung berate derzeit über alle Folgen, habe die Beratungen aber noch nicht abgeschlossen. Sorgfalt gehe dabei vor Schnelligkeit. (Reuters/gu)


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