Wirtschaft

Inflation gebannt? Reallöhne steigen, Importpreise fallen

Die Reallöhne in Deutschland sind wegen der sinkenden Inflation zuletzt wieder gestiegen. Zudem verzeichnen die Importpreise einen starken Rückgang. Ist das Schlimmste vorüber?
29.11.2023 09:28
Aktualisiert: 29.11.2023 09:28
Lesezeit: 4 min
Inflation gebannt? Reallöhne steigen, Importpreise fallen
An der Inflationsfront sieht es nach einer Entspannung aus. (Foto: dpa) Foto: Jan Woitas

Die deutschen Importpreise sind im Oktober erneut stark gefallen und signalisieren eine weitere Entspannung bei der Inflation. Die Einfuhren verbilligten sich um durchschnittlich 13,0 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte. "Ausschlaggebend für die starken Rückgänge ist weiterhin vor allem ein Basiseffekt durch die hohen Preissteigerungen im Vorjahr aufgrund des Kriegs in der Ukraine", hieß es dazu. Bereits im September (-14,3 Prozent) und im August (-16,4 Prozent) hatten sich die Einfuhren merklich verbilligt. Von September auf Oktober stiegen die Preise dagegen um 0,3 Prozent.

Da die deutsche Wirtschaft viele Vorprodukte und Rohstoffe aus dem Ausland bezieht, kommen sinkende Einfuhrpreise verzögert auch bei der allgemeinen Inflation an. Die allgemeinen Lebenshaltungskosten sind im Oktober mit 3,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat so niedrig wie seit August 2021 nicht mehr. Für November wird ein Rückgang auf 3,5 Prozent erwartet. Das Statistische Bundesamt will dazu am Nachmittag eine erste Schätzung veröffentlichen.

Im Oktober fielen die Energieeinfuhren um 43,5 Prozent günstiger aus als ein Jahr zuvor. Ein Grund dafür sind sinkende Preise für importiertes Erdgas, das 65,3 Prozent weniger kostete als ein Jahr zuvor. Erheblich günstiger waren zudem Strom (-43,3 Prozent), Steinkohle (-45,2 Prozent), Erdöl (-9,4 Prozent) sowie Mineralölerzeugnisse (-21,1 Prozent). Viele dieser Güter waren ein Jahr zuvor kriegsbedingt knapp und hatten sich deshalb merklich verteuert.

Etliche Nahrungsmittel verteuerten sich dagegen im Oktober. Importierte Obst- und Gemüseerzeugnisse kosteten 4,9 Prozent mehr als vor Jahresfrist, bei Getränken gab es ein Plus von 6,1 Prozent. Die Preise für Milch und Milcherzeugnisse fielen hingegen um 14,6 Prozent, die für pflanzliche und tierische Öle und Fette gaben um 12,5 Prozent nach.

Reallöhne mit größtem Plus seit über 2 Jahren

Steigende Löhne und nachlassende Inflation haben die Kaufkraft der deutschen Verbraucher im dritten Quartal so stark steigen lassen wie seit über zwei Jahren nicht mehr. Von Juli bis September legten die Löhne um durchschnittlich 6,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zu und damit stärker als die Preise mit 5,7 Prozent. Dadurch wuchsen die Reallöhne um 0,6 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte. Ein größeres Plus gab es zuletzt im Frühjahr 2021. Es ist damit der zweite Zuwachs in Folge: Im zweiten Quartal hatte es mit 0,1 Prozent den ersten Reallohnanstieg seit zwei Jahren gegeben.

Für die von einer Rezession bedrohte deutsche Wirtschaft ist die steigende Kaufkraft eine gute Nachricht. Sie erhöht die Wahrscheinlichkeit dafür, dass der private Konsum wieder wächst. Dieser macht etwa zwei Drittel des Bruttoinlandsprodukts aus. "Die Binnenkonjunktur sollte allmählich Tritt fassen, denn die realen Nettoeinkommen der privaten Haushalte dürften aufgrund der hohen Lohnsteigerungen und des nachlassenden Preisdrucks weiter steigen", erwartet etwa die Bundesbank.

Ökonomen zufolge dürfte sich die positive Entwicklung fortsetzen. "Der Reallohnanstieg sollte noch ein bis zwei Quartale anhalten, beziehungsweise sogar stärker werden", sagte ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski, der auf die Zahlung der Inflationsausgleichsprämie in vielen Branchen am Jahresende verwies. Ab dem Sommer 2024 sollte sich dann die Entwicklung normalisieren und sich die Inflationsrate bei zwei bis drei Prozent sowie das Lohnwachstum bei drei bis vier Prozent einpendeln. Es laufe dann auf ein "kleines, aber stetiges Plus" bei den Reallöhnen hinaus, sagte Brzeski.

Zu der positiven Entwicklung der Reallöhne im Sommer trug die Inflationsausgleichsprämie bei. Diese steuer- und abgabefreie Zahlung von bis zu 3000 Euro je Arbeitnehmer, die auch in mehreren Teilbeträgen ausgezahlt werden kann, ist eine freiwillige Leistung der Arbeitgeber. "Auch die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro pro Stunde im Oktober 2022 hatte einen positiven Effekt", hieß es.

Unter den Vollzeitbeschäftigten kam das Fünftel mit den geringsten Verdiensten mit 10,3 Prozent auf das kräftigste Nominallohnwachstum. Das Plus für das oberste Fünftel fiel dagegen mit 5,6 Prozent unterdurchschnittlich aus. Geringfügig Beschäftigte wiesen mit 7,7 Prozent einen kräftigen Lohnzuwachs aus. Dies ist vor allem auf die seit dem 1. Oktober 2022 gültige Erhöhung der Minijob-Verdienstgrenze von monatlich 450 auf 520 Euro zurückzuführen sowie auf die Mindestlohnerhöhung von 10,45 Euro auf 12 Euro. Die Nominallöhne von Teilzeitbeschäftigten stiegen um 6,4 Prozent.

Länderdaten signalisieren sinkende Inflationsrate im November

Die Inflation bleibt in Deutschland auf dem Rückzug. Die Teuerungsrate fiel im November in den sechs Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen jeweils, wie die Statistischen Landesämter am Mittwoch mitteilten. Bayern wies mit 2,8 Prozent den niedrigsten Wert auf, Brandenburg mit 4,1 Prozent den höchsten. Auf Basis dieser sechs Länderdaten will das Statistische Bundesamt am Nachmittag eine erste Schätzung für die Entwicklung der Verbraucherpreise in ganz Deutschland abgeben. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen rechnen mit einem Rückgang der Inflationsrate auf 3,5 Prozent, nachdem sie im Oktober noch bei 3,8 Prozent gelegen hatte. Kommt es so, wäre das der niedrigste Wert seit Juni 2021 mit damals 2,4 Prozent.

"Der Rückgang der Gesamtinflation wird von den Energiepreisen begünstigt", sagte der Chefvolkswirt der Hamburg Commercial Bank, Cyrus de la Rubia. In Bayern etwa kostete Erdgas 28,0 Prozent weniger als im November 2022, Heizöl verbilligte sich um 14,4 Prozent. Preistreiber Nummer eins bleiben dagegen die Nahrungsmittel, die in Bayern 5,4 Prozent mehr kosteten als ein Jahr zuvor.

"Zwar dürfte die Inflationsrate im Dezember vorübergehend noch einmal auf etwa vier Prozent steigen", sagte der Konjunkturchef des Ifo-Instituts, Timo Wollmershäuser. Hier komme jedoch ein Basiseffekt zum Vorschein: Denn im Dezember 2022 sanken die Gaspreise für die Verbraucher kräftig, da der Staat die Kosten für den Abschlag übernahm. "Aber bereits zu Beginn des kommenden Jahres wird die Inflationsrate auf unter drei Prozent sinken", sagte Wollmershäuser.

Die Deutsche Bank rechnet damit, dass die Verbraucherpreise im kommenden Jahr um durchschnittlich 2,8 Prozent steigen werden, nach 6,0 Prozent im zu Ende gehenden Jahr. Besonders die Dienstleister dürften versuchen, gestiegene Lohnkosten auf ihre Kunden abzuwälzen. Die EZB strebt eine Inflationsrate von zwei Prozent als Idealwert an. (Reuters)

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