Finanzen

Der DWN-Währungsausblick 2024

Lesezeit: 6 min
01.01.2024 10:12  Aktualisiert: 01.01.2024 10:12
Neues Jahr, neue Wechselkurse. Pünktlich zum Jahreswechsel analysieren wir den Währungsmarkt und erklären, wie man im eigenen Depot mit unterschiedlichen Währungen agieren könnte.

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Jedes Jahr müssen Ökonomen traditionellerweise ihre Meinung zu den Währungs-Entwicklungen im neuen Jahr äußern. Die DWN geben einen Überblick der Prognosen und zum Schluss auch einige Ratschläge zum Umgang mit Wechselkurs-Risiken im Portfolio.

Was erwartet den Euro und den Dollar 2024?

2023 näherte sich der Euro nach einer längeren Zickzackbewegung im Herbst der Parität und steht nun wieder bei 1,11 Dollar und damit am obersten Ende der Bandbreite, die letztes Jahr zwischen 1,05 und 1,11 lag. Die Wechselkursbewegungen um die Weihnachtszeit fallen in der Regel besonders stark aus, weil relativ wenige Anleger kurz vor dem Jahresende aktiv handeln.

Der jünste Trend liegt vor allem an einer schwächelnden US-Währung und weniger an einer Euro-Stärke. Der Dollar-Index (DXY), der die Entwicklung des Greenbacks gegen einen gewichteten repräsentativen Währungskorb ermittelt, notiert mit 101,4 am unteren Ende der Bandbreite.

Nach Ansicht der französischen Großbank Societe Generale könnte der Dollar-Index auf unter 100 Punkte fallen. Die Fed könnte hier gegensteuern, indem sie die Zinsen länger oben hält, aber bislang hat die US-Zentralbank nichts dergleichen kommuniziert.

UBS und Commerzbank sehen EUR/USD zum Jahresende 2024 bei um die 1,12. Die ING sieht Europas Gemeinschaftswährung auf 1,15 ansteigen, wobei dies überwiegend auf Annahmen über die zukünftige Zinspolitik der beiden Notenbanken beruht. ING-Volkswirte rechnen nächstes Jahr mit einer weiter sinkenden Inflation und Zinssenkungen der Fed um 150 Basispunkte.

Eine Reuters-Umfrage unter 45 Analysten ergab, dass zurzeit eher mit einer Fortsetzung der Dollarschwäche gerechnet wird. Der Euro könnte demnach zum auf 1,15 bis 1,20 aufwerten.

Es gibt auch Stimmen, die eine Aufwertung des Dollars prognostizieren. ABN Amro erwartet Ende nächsten Jahres einen Wechselkurs von 1,05. Danske Bank und HSBC sind ebenfalls der Ansicht, dass der Dollar gegenüber dem Euro sowie dem britischen Pfund aufwerten wird. Die fehlende Wirtschaftsdynamik in Europa lässt vermuten, dass dee Euro und das mit ähnlichen Problemen belastete Pfund nicht mehr allzu viel Potential nach oben haben.

Die jüngsten taubenhaften Äußerungen des Fed-Vorsitzenden Jerome Powell und die teils falkenhaften Kommentare von EZB-Präsidentin Christine Lagarde haben die Märkte zu der Annahme veranlasst, dass die Fed 2024 ihre Geldpolitik schneller und stärker lockern wird. Sollte der Markt kein Gegensignal erhalten, dürfte der Dollar vorerst leicht unter Druck bleiben.

Die Zinsdifferenz zwischen Dollar und Euro ist der wichtigste, aber nicht der einzigste Faktor. So geben etwa die niedrigen bis nicht vorhandenen Wachstumsraten und teilweise bedenklichen Staatsschuldenquoten in den Ländern der Eurozone Anlass zur Sorge, während in den USA die Regierung noch viel stärker in Schulden versinkt, brisante Neuwahlen anstehen und eine Rezession weiterhin nicht ausgeschlossen ist.

Außerdem bleiben Fragen zur geopolitischen Lage, zum Tempo der bereits an den Kapitalmärkten eingepreisten Zinssenkungen der Federal Reserve, zum Zustand der Arbeitsmärkte, zu Disinflation und Energiepreisen. Wir bei den DWN finden weder den massiv überschuldeten Greenback noch den strukturell schwachen Euro attraktiv und empfehlen daher eine neutrale Positionierung.

Schweizer Franken stabil wie eh und je

Interessant ist da schon eher der Schweizer Franken, der als sicherer Hafen in Krisenzeiten gilt und gegenüber der europäischen Einheitswährung seit jeher eine klare Aufwertungstendenz aufweist. Die Schweizer Notenbank (SNB) war durch die Anziehungskraft des Franken und die niedrige Inflation kaum zu Zinserhöhungen gezwungen und hält den Leitzins aktuell bei 1,75 Prozent.

Der Franken war 2023 die stärkste Währung unter den G10-Staaten. Die Aufwertungstendenz der Schweizer Währung konkurriert aus Anlegersicht mit den deutlich niedrigeren Zinsen im Vergleich zu Euro und Dollar. Wir empfehlen dennoch eine Beimischung des historisch wertstabilen Franken in die eigene Währungsreserve.

Japanischer Yen im Abwärtstrend

Der asiatische Inselstaat ist eine geldpolitische Anomalie. Die Bank of Japan hält weiterhin an der Nullzinspolitik fest, wobei die strengen Zielvorgaben für die Benchmark-Verzinsung der 10-jährigen Staatsanleihen (Umlaufrendite aktuell bei 0,61 Prozent) letztes Jahr etwas gelockert wurde. Der Yen hat die unkonventionelle Zinspolitik der letzten beiden Jahre nicht gut verkraftet und steckt in einem massiven Abwärtstrend, der im November in einem 32-Jahrestief zum US-Dollar mündete.

Vielleicht kann sich Japan in ein neues globales Regime fallender Zinsen retten, ohne eine einzige Zinserhöhung oder großangelegte Währungsintervention zur Stützung des Yen durchführen zu müssen. Die Inflation war in Japan nie besonders hoch und die Wirtschaft wächst solide, was nicht zuletzt an der pragmatischen Energiepolitik liegt. Aber der Yen dürfte auch im neuen Jahr angesichts der unattraktiven Verzinsung nicht viel Risikoappetit bei Investoren erzeugen, zumal auch Japan mit einer Staatsverschuldung von über 200 Prozent des BIP seine eigenen strulturellen Probleme hat.

Chinesischer Yuan kämpft mit Kapitalflucht

Chinas Währung befindet sich in einer Abwärtsspirale, die größtenteils selbst verschuldet ist. Ausländische und teils auch inländische Investoren kehren China scharenweise den Rücken. Der Aktienmarkt ist komplett am Boden. Wir verweisen an dieser Stelle auf unseren große Analyse zur Kapitalflucht aus dem Reich der Mitte.

Anleger haben nachhaltig das Vertrauen zu China verloren. Wenn sich an Pekings Kontrolldrang nichts fundamental ändert und die privaten Wirtschaftskräfte weiter unterdrückt werden wie bisher, ist beim Yuan allenfalls eine technische Gegenbewegung drin. Es ist wahrscheinlich, dass die chinesische Volksbank eine schwachen Yuan bis zu einer gewissen Schwelle tolerieren wird, um die Wirtschaft bei der Eindämmung des Deflationsdrucks zu unterstützen.

Austral-Dollar mit viel Potential

Die Australische Währung hat in den letzten zwei Jahren rund 10 Prozent zum Greenback verloren, obwohl die Reserve Bank of Australia im Gegensatz zu Japan ganz konventionell den weltweiten Zinserhöhungszyklus kopierte.

Glaubt man den Währugsexperte der ING-Bank, so hat der Australdollar aktuell viel Potenzial nach oben. In ihrem Währungsausblick schreiben die Strategen: "Unsere Lieblingswährung im Jahr 2024 ist der australische Dollar. Die hohen US-Zinsen und das schwache chinesische Wachstum haben ihn unter Druck gesetzt und ihn zur am stärksten unterbewerteten Währung im G10-Raum gemacht. Die Freigabe der niedrigeren US-Zinsen dürfte es dem Austral-Dollar ermöglichen, die Währungserholung gegenüber dem US-Dollar anzuführen. Auch eine restriktive Haltung der australischen Zentralbank dürfte nicht schaden."

Experten erwarten starke Schwellenländer-Währungen in 2024

Schwellenländer sind für versierte Anleger durchaus interessamt. In einem günstigen makroökonomischen Umfeld, in dem die US-Renditen langsam sinken, dürften insbesondere lateinamerikanische Hochzinsanleihen weiterhin ein attraktives Chamce-Risiko-Verhältnis bieten. Auch wenn sie nicht mehr billig erscheinen, werden einige von ihnen (Mexikanischer Peso, Brasilianischer Real) unterstützt durch starke Fundamentaldaten und ihr Rohstoffexposure.

In Asien gibt es im Anleihesegment weniger zu holen, dafür besteht aber noch Aufwertungspotential. Aus der oben erwähnten Reuters-Umfrage geht der Konsens hervor, dass die meisten Schwellenländerwährungen, insbesondere die asiatischen, ihre Verluste aus dem Jahr 2023 mindestens wettmachen dürften. Für Privatanleger ist der Thailändische Baht einen genaueren Blick wert, weil es in letzten 20 Jahren hinter dem Schweizer Franken die zweitstabilste Währung der Welt war (mehr dazu lesen Sie hier.)

Ein abwertender Dollar nach schwachen US-Inflationsdaten und zurückhaltenden Äußerungen der Fed führte zu einem Anstieg des Schwellenländer-Währungsindex um knapp 3 Prozent seit Anfang November - ein Trend, der sich auch im neuen Jahr fortsetzen könnte. Je stärker Anleger auf Zinssenkungen der Fed wetten, umso mehr dürften die Schwellenländer zumindest temporär aufwerten.

"Vor diesem Hintergrund erwarten wir auch, dass viele asiatische und lateinamerikanische Schwellenländerwährungen im Laufe des nächsten Jahres gut abschneiden werden", meint etwa Nick Bennenbroek, internationaler Wirtschaftsexperte bei Wells Fargo.

Ausnahmen sind die türkische Lira und der südafrikanische Rand, die in diesem Jahr rund 35 Prozent beziehungsweise 10 Prozent federn ließen. Hier sind die strukturellen Defizite zu gravierend und langwierig, als dass die Verluste in absehbarer Zeit wieder aufzuholen sind.

Die Erwartung von Zinssenkungen der Fed und die sich dadurch aller Wahrscheinlichkeit nach ausweitenden Zinsdifferenzen zum Dollarraum verleiten die Mehrheit der Analysten (34 von 45) zu der Meinung, dass Carry Trades in Schwellenländern 2024 attraktiv sein werden.

"Carry-Trading" bedeutet, dass Anleger Kredite in Fremdwährungen aufnehmen, in denen die Zinsen niedrig sind, wie beispielsweise in Japan oder der Schweiz. Das Geld wird dann in Regionen investiert, wo die Renditen besonders hoch sind, wie in Brasilien. Genauer gesagt geht es darum, eine möglichst große Zinsdifferenz auszunutzen. Carry Trades sehen auf den ersten Blick sehr attraktiv aus, gehen jedoch mit einem nicht zu unterschätzenden Wechselkurs-Risiko einher.

Carry-Geschäfte haben den Emerging-Markets-Währungsindex in diesem Jahr Auftrieb gegeben, insbesondere in Lateinamerika aufgrund der höheren Zinssätze, die im Vergleich zu den Industrieländern viel früher zur Bekämpfung der Inflation und Stabilisierung der heimischen Währung eingeführt wurden.

Vorsicht mit Prognosen, Diversifikation ist der Schlüssel

Währungs-Prognosen sind ein heikles Thema. Die ergebnisoffene Zukunft zeigt sich wohl nirgends am Finanzmarkt so klar wie an den Währungsmärkten. Zahlreiche Studien kommen zu dem Ergebnis, dass es gerade kurzfristig ein unmögliches Unterfangen ist, Wechselkurse vorherzusagen. Auf der langen Frist gibt es zumindest makroökonomische (Abwärts-)Trends, die sich ansatzweise prognostizieren lassen.

Für Anleger bedeutet dies, dass man im Depot eine vernünftige Währungs-Diversifikation betreiben sollte. Wer zum Beispiel im Aktienportfolio fast nur US-Aktien an der Heimatbörse hält, der hat eine sehr große Position im US-Dollar und sollte gegebenfalls über Umschichtungen nachdenken, wenn man das Geld nicht auf viele Jahre liegen lassen kann oder will.

Wer mehrere Welt-ETFs bespart, könnte darüber nachdenken, nicht alle in der gleichen Währung zu halten, sondern Euro und Dollar zu mischen. Aus Renditesicht ist es egal, aber bei Kauf oder Verkauf ist die Basiswährung natürlich schon relevant.

Für den Cash-Anteil im Portfolio gilt: Nicht alle Eier in einen Korb legen. Neben Euro und US-Dollar ist es zu erwägen, auch noch ein paar stabile Währungen wie den Franken, Australdollar, Hongkong-Dollar oder Baht zu halten. Voraussetzung sind ausreichend hohe Barmittel, sodass die Umtauschgebühren kaum ins Gewicht fallen. Zehn Währungen sind auch ein bisschen zu viel des Guten, vier bis fünf sollten genügen.

Außerdem ist die eigene Lebenssituation wichtig. Wer außerhalb Europas viel Zeit in einem bestimmten Land verbringt, braucht hier natürlich eine entsprechende Währungsreserve.

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Jakob Schmidt ist studierter Volkswirt und schreibt vor allem über Wirtschaft, Finanzen, Geldanlage und Edelmetalle.


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