Wie eine Bombe ist nun zum neuen Jahr die jüngste Umfrage des Umfrageinstituts Civey eingeschlagen. Demnach käme die CDU, die seit der Neugründung des Freistaates Sachsen 1990 ununterbrochen den Ministerpräsidenten stellt, nur auf 33 Prozent. Die AfD hingegen käme jetzt auf 37 Prozent und hätte sich gegenüber der letzten Civey-Umfrage um vier Prozentpunkte verbessert. Damit wäre die AfD klar stärkste Partei und hätte in jedem Fall Anspruch auf die Position des Landtagspräsidenten. Gleichzeitig aber stünde der Freistaat vor erheblichen politischen Problemen, die Bildung einer stabilen Regierung wäre kaum noch möglich. Denn: Sowohl die FDP als auch die SPD wäre in einem neuen Landtag nicht mehr vertreten.
Nach dem Ergebnis der Umfrage käme die FDP nur noch auf ein Prozent und wäre damit im Freistaat demoskopisch kaum noch messbar. Noch verheerender sieht es bei der SPD aus, die sich in ihrem Selbstverständnis immer noch als Volkspartei sieht. Der Civey-Umfrage zufolge verlöre sie im Vergleich zu letzten Umfrage vier Prozentpunkte und käme demnach auf nur noch drei Prozent. Dies wäre für die SPD eine Niederlage von geradezu historischem Ausmaß. Noch nie in ihrer jüngeren Geschichte ist die SPD unter der Fünf-Prozent-Marke geblieben und damit nicht mehr in einem Parlament vertreten. Der Umfrage zufolge würde die Linkspartei auf acht, die Grünen auf sieben Prozent kommen.
Regierungsbildung kaum noch möglich
Sollte sich dieses Umfrage-Ergebnis bewahrheiten, ist die Bildung einer stabilen Regierung in Sachsen praktisch nicht mehr möglich. Einerseits wäre zwar die AfD deutlich stärkste Partei, aber andererseits haben alle anderen Parteien wiederholt öffentlich erklärt, dass für sie jede Form der Zusammenarbeit mit der AfD nicht in Frage komme. Gleichzeitig aber steht die CDU vor einem doppelten Dilemma: Auf ihrem Hamburger Parteitag 2018 hatte die CDU beschlossen, Koalitionen oder jede andere Form der Zusammenarbeit sowohl mit der AfD als auch mit der Linkspartei abzulehnen. Doch damit hat sich die Union in eine Situation begeben, in der sie sich selbst gefesselt hat. Und das nicht nur in Sachsen.
Im benachbarten Bundesland Thüringen, in dem zeitgleich mit Sachsen Landtagswahlen stattfinden, ist die Lage ähnlich - auch dort dürfte der jüngsten Umfrage zufolge die AfD mit Abstand stärkste Partei werden. Der letzten Umfrage zufolge käme dort die AfD auf 34 Prozent, gefolgt von der CDU mit 22 und der Linkspartei von Ministerpräsident Bodo Ramelow, die 20 Prozent erreichen würde. Die SPD bekäme neun, Grüne und FDP würden den Einzug in den Landtag mit jeweils vier Prozent verpassen.
Schwierige Lage in Thüringen
Auch in Thüringen wäre damit klar, dass die bisherige Regierungskoalition aus Linkspartei, SPD und Grünen Lichtjahre von einer eigenen Mehrheit entfernt ist. Jedoch hatte sie schon von Anbeginn dieser Legislaturperiode keine eigene Mehrheit und war am Ende immer wieder – in einer Art stillschweigender Duldung – auf die Kooperation mit der CDU angewiesen, die damit den eigenen Parteitagsbeschluss von Hamburg stets unterlaufen hatte.
In Brandenburg, dort finden die Wahlen am 22. September statt, ist die Situation eine etwas andere. Legt man die letzte Umfrage zugrunde, würde auch dort die AfD als stärkste Partei durchs Ziel laufen, doch wäre in Brandenburg eine Regierungsbildung möglich: Die SPD des amtierenden Ministerpräsidenten Dietmar Woidke– sie käme auf 20 Prozent – könnte mit der CDU (18 Prozent) und den Grünen (acht Prozent) eine Koalition bilden, die über eine eigene Mehrheit im neuen Landtag verfügen würde.
Der Faktor Wagenknecht
Doch gibt es zur Stunde noch bei allen Umfragen einen großen Unsicherheitsfaktor. Es ist bisher für die Meinungsforscher sehr schwer einzuschätzen, wie eine neue Partei rund um die frühere Ikone der Linkspartei, Sahra Wagenknecht, abschneiden würde. So gibt es beispielsweise eine Umfrage vom November, die einem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) in Brandenburg rund elf Prozent bei den Wahlen zutrauen würden. Und auch andere Wahlforscher sehen gerade in Sachsen und in Thüringen für eine Wagenknecht-Partei durchaus Möglichkeiten. So hat der renommierte Meinungsforscher Hermann Binkert in einem Interview mit den Deutschen Wirtschaftsnachrichten das Potential einer Wagenknecht im zweistelligen Bereich taxiert.
Nach Informationen der Deutschen Wirtschaftsnachrichten ist es sehr wahrscheinlich, dass eine neue Wagenknecht-Partei erstmals zur Europawahl am 9. Juni antreten könnte. Dabei spielt eine Überlegung eine zentrale Rolle: Europawahlen sind sehr oft klassische Protestwahlen, Wähler benutzen die Europawahl sehr gerne als Möglichkeit, ihren Protest an der Wahlurne auszudrücken. Ein gutes Ergebnis am 9. Juni wäre für eine neue Wagenknecht-Partei eine ideale Ausgangslage, um dann gestärkt in die darauffolgenden Wahlen im September zu ziehen.