Politik

Wahldebakel in Berlin: FDP hinter Tierschutzpartei - Dilemma für Bundes-FDP!

Natürlich war die Nachwahl in Berlin eine Besonderheit. Zum einen, weil zum ersten Mal eine Bundestagswahl in Teilen wiederholt werden musste, weil sich die Verwaltung der Hauptstadt als unfähig erwies, eine Wahl zu organisieren. Zum anderen, weil in der Zwischenzeit in Berlin auch der Senat gewechselt hat. Trotzdem: Für die FDP lassen die Nachwahl-Ergebnisse einige bundespolitische Rückschlüsse zu – und sie sind allesamt unerfreulich.
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12.02.2024 16:46
Aktualisiert: 12.02.2024 16:46
Lesezeit: 3 min

Am Sonntag kam es für die Liberalen knüppeldick: In der FDP-Hochburg im feinen Grunewald hat sich der Stimmanteil der Liberalen bei der Nachwahl praktisch halbiert, ähnlich im bürgerlichen Tegel. In Kladow verliert die FDP auf einen Schlag etwa zwei Drittel ihrer Wählerschaft. Und in nicht wenigen Stimmbezirken im Osten der Hauptstadt rangieren die Liberalen inzwischen hinter der Tierschutzpartei.

Das verheerende Ergebnis bei der Nachwahl liegt zum einen an der Performance der Hauptstadt-FDP oder besser gesagt an ihrer Nicht-Performance. Seit der letzten Wahl in Berlin im Februar vor einem Jahr, bei der die FDP aus dem Abgeordnetenhaus hinausgewählt wurde, haben die Liberalen ihre politische Arbeit in der Hauptstadt weitgehend eingestellt: Veranstaltungen finden – wenn überhaupt – praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, das Spitzenpersonal ist abgetaucht, in der Landesgeschäftsstelle läuft der Anrufbeantworter.

FDP-Wahldebakel: Düstere Aussichten

Tatsächlich aber fügen sich die Ergebnisse der Berliner Nachwahl nahtlos in die nicht minder trüben bundesweiten Umfragen für die FDP. Inzwischen gibt es nicht ein Meinungsforschungsinstitut, dass die Liberalen im nächsten Bundestag sieht. In allen sieben Umfragen der jüngsten Vergangenheit liegt die FDP verlässlich bei vier Prozent. Wenig Hoffnungsvolles haben die Liberalen auch von den Landtagswahlen im Herbst dieses Jahres zu erwarten. Bei den Urnengängen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg im September – allesamt keine klassischen Hochburgen der FDP – sind die Chancen auf einen Einzug in das jeweilige Landesparlament denkbar gering.

Vor kurzem hatte sich der langjährige FDP-Landesvorsitzende von Sachsen, Holger Zastrow, mit einem Paukenschlag von seiner Partei verabschiedet, als er die Mitgliedschaft in der FDP aufkündigte. Seinen Parteiaustritt begründete er mit der Arbeit der FDP in der Bundesregierung. Die Bundes-FDP hätte, so sein Befund, schon längst die Koalition verlassen müssen, es werde immer deutlicher, dass mit den Grünen eine fruchtbare Regierungsarbeit nicht möglich sei. Assistiert wird Zastrow dabei vom stellvertretenden FDP-Bundesvorsitzenden Wolfgang Kubicki: Es dürfe der Partei nicht egal sein, „dass ein ehemaliger stellvertretender Bundesvorsitzender, Landes- und Landtagsfraktionsvorsitzender die Partei verlässt“. Kubicki, der schon seit längerer Zeit, die Arbeit der Ampel-Koalition kritisch sieht, äußerte zuletzt öffentlich Zweifel, ob ein Festhalten an der Koalition für seine Partei noch sinnvoll sei.

Das Urteil der Meinungsforscher

Dieser Befund wird auch vom Meinungsforscher Hermann Binkert geteilt. Gegenüber den Deutschen Wirtschaftsnachrichten sagte der Chef des bekannten Meinungsforschungsinstituts „Insa“, dass es immer offensichtlicher werde, dass die FDP „einfach in der falschen Koalition“ sei. Es sei, so Binkert, eigentlich eine logische Schlussfolgerung, dass der FDP eine Koalition mit einer echten grünen Partei nicht bekommen könne, wenn es schon mit einer den Grünen zugewandten Merkel-Union nicht funktioniert habe. Damit spielt Binkert auf die Koalition von CDU und FDP unter Angela Merkel und Guido Westerwelle zwischen 2009 und 2013 an. In diese Koalition trat die FDP mit großen Hoffnungen, konnte aber ihre ambitionierten Reformvorstellungen nicht durchsetzen. Am Ende, nach vier für die FDP frustrierenden Jahren, wurden die Liberalen aus dem Bundestag herausgewählt.

Fast gebetsmühlenartig versucht nun Parteichef Lindner, die eigenen Reihen zu beschwören, doch Licht am Ende des Tunnels ist nirgends in Sicht. Im Gegenteil: Bei Befragungen der Meinungsforschungsinstitute wird immer deutlicher, dass es genau die Stammwähler sind, die den Liberalen jetzt enttäuscht den Rücken zukehren. Vor allem mittelständischen Unternehmern fällt es zunehmend schwer, irgendetwas Positives in der Arbeit der Ampelkoalition zu entdecken. Dass dabei Lindner und Co. für sich reklamieren, Schlimmeres verhindert zu haben, überzeugt dabei nur die Wenigsten.

Das personelle Angebot

Auch das personelle Angebot wird von immer größer werdenden Teilen der Kernwählerschaft als unzureichend empfunden – hinter Parteichef und Bundesfinanzminister Lindner sei wenig Vorzeigbares auszumachen: Bundesjustizminister Marco Buschmann verwalte sein Amt zwar pannenfrei, aber leider auch glanzlos. Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger mühe sich zwar redlich, aber eben auch nur das. Und Verkehrsminister Volker Wissing, der über ein wichtiges Amt mit viel Gestaltungsmöglichkeiten verfügt, wird inzwischen intern als kompletter Reinfall gesehen.

Auf einer Sitzung der Bundestagsfraktion hatte sich nun länger aufgestauter Unmut entladen. Besonders jüngere Abgeordnete kritisierten das Erscheinungsbild der FDP in der Koalition, mahnten eine deutliche Schärfung des Profils an. Auch die Fraktionsführung unter dem Vorsitzenden Christian Dürr geriet in die Kritik: Es sei befremdlich, wenn gerade in diesen Zeiten die Social-Media-Abteilung der Fraktion allerlei lustige Filmchen verschicke, dies gehe eindeutig an der Stimmung im Lande vorbei.

Lindner selbst dämmert es inzwischen, dass ihm nicht mehr viel Zeit zum Gegensteuern bleibt. In einem am Wochenende ausgestrahlten Fernsehinterview räumte er ein, dass sich bis zum Sommer das Erscheinungsbild der Koalition unbedingt gebessert haben muss.

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