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27.02.2024 18:12
Dank der neuen ETFs fließen immer größere Summen in Bitcoin – neue Preisrekorde sind schon in Sicht. Gold bleibt dagegen trotz hoher Zinsen stabil, ist aber eben auch deutlich undynamischer als Bitcoin. Läuft das "digitale Gold“ dem physischen Gold als sicherer Hafen den Rang ab?
Ist Bitcoin das bessere Gold?
Bitcoin wird manchmal als "digitales Gold" bezeichnet. (Foto: dpa)
Foto: Jens Kalaene

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Die Genehmigung von passiven börsengehandelten Investmentfonds (ETFs) auf Bitcoin in den USA war bislang ein großer Erfolg. Innerhalb von einem Monat flossen mehr als 10 Milliarden Dollar in die neuen Bitcoin-ETFs.

An der Spitze stehen die frisch aufgelegten ETFs der Vermögensverwaltungs-Giganten Blackrock („iShares Bitcoin Trust“) mit insgesamt 6 Milliarden Dollar und Fidelity („Fidelity Wise Origin Bitcoin Fund“) mit 4 Milliarden Dollar an Zuflüssen. Außerhalb der beiden größten neuen Fonds waren die Zuflüsse etwas weniger lebhaft. Der „ARK 21Shares Bitcoin ETF“ und der „Bitwise Bitcoin ETF“ haben rund 1,1 Milliarden beziehungsweise 1,5 Milliarden Dollar eingenommen. Der „Franklin Bitcoin ETF“ konnte trotz der niedrigsten Gebühren in der Gruppe nur knapp 100 Millionen Dollar einsammeln. In den „WisdomTree Bitcoin Fund“ wurden bislang nur 20 Millionen Dollar gesteckt.

„Wir sehen jetzt anhaltende Zuflüsse in neu aufgelegte Fonds, und ich denke, dass wir infolgedessen eine viel stärkere organische Nachfrage nach Bitcoin sehen“, sagte James Butterfill, Leiter der Forschungsabteilung der Krypto-Investmentgruppe Coinshares, gegenüber der Financial Times. Noch sind es geringe Beträge im Verhältnis zur gesamten Marktkapitalisierung von Bitcoin, die bei ungefähr einer Billion (Tausend Milliarden) Dollar liegt. Knapp vier Prozent davon stecken in den neuen ETFs. Die generelle Einschätzung in der Finanzbranche ist, dass dieser Anteil nun kontinuierlich steigen wird.

Investieren in Bitcoin wird einfacher

Die Erwartungen an die Fonds waren hoch, da sie es Anlegern ermöglichen, über traditionelle Brokerkonten passiv in Bitcoin zu investieren. Bislang war nur der direkte Kauf über Krypto-Börsen oder das Abbilden der Preisbewegungen über Derivate wie Zertifikate und ETNs möglich. Ersteres erfordert eine gewisse Einarbeitung in die Funktionsweise von Bitcoin sowie der Blockchain und stellt deshalb für manche Investoren ein Hindernis dar. Letzteres sind Schuldverschreibungen und beinhalten damit ein Emittentenrisiko – das bedeutet, wenn der Anbieter Konkurs geht, können Anleger ihren gesamten Einsatz verlieren. Bei ETFs kann das nicht passieren, weil es sich um Sondervermögen handelt.

Insgesamt wird das Investieren in Bitcoin noch zugänglicher. Auch ältere, weniger technikaffine Investorengruppen können jetzt problemlos Geld in der mit Abstand wichtigsten Kryptowährung anlegen. Der größte Unterschied ist jedoch, dass Bitcoin über den ETF-Mantel auch für institutionelle Investoren interessant beziehungsweise überhaupt erst investierbar wird. Mit der Genehmigung wird Bitcoin zudem in der Wahrnehmung der Anleger als Wertaufbewahrungsmittel aufgewertet. Durch die neuen Käuferschichten erhöht sich das Preispotential gewaltig, zugleich steigt aber auch das Risiko von schweren Abverkäufen in einem Bärenmarkt. Zudem ist zu ergänzen, dass solche ETFs über Leerverkäufe auch für Spekulationen auf einen fallenden Bitcoin-Preis genutzt werden können.

Nicht zu vergessen: All dies gilt bisher nur in den USA. In der EU und Deutschland steht eine solche Genehmigung noch aus. Ein großes Hindernis sind die Regeln der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA), die für ETFs eine gewisse Diversifizierung des Anlagevermögens vorschreiben. Das ist bei einem reinen Bitcoin-Fonds offensichtlich nicht gegeben.

Geoffrey Kendrick von der Standard Chartered Bank prognostiziert, dass es bis zum Jahresende zu Nettozuflüssen in Höhe von mindestens 50 Milliarden Dollar in US-regulierten Bitcoin-ETFs kommt. Wahrscheinlich werden dann im Laufe der Zeit weitere Krypto-ETFs aufgelegt. In naher Zukunft dürfte die US-Börsenaufsicht SEC auch passive Fonds auf die zweitgrößte Kryptowährung Ethereum erlauben und damit sofort einige Milliarden Dollar in den Ethereum-Markt fließen.

Wieviel Kurspotential besteht noch?

Schon vor den Medienberichten über die elf ETF-Genehmigungen in den Vereinigten Staaten befand sich der Bitcoin im Höhenflug. Der Erfolg der ETFs hat nun dazu beigetragen, Bitcoin auf den höchsten Stand seit mehr als zwei Jahren zu hieven. Aktuell liegt der Preis bei um die 57.000 US-Dollar (Stand: 27. Februar), das Rekordhoch von 64.000 Dollar ist nicht mehr weit entfernt. Entscheidend für die Kursexplosion ist die allgemeine Euphorie an den Börsen, die vor allem durch Zinssenkungsfantasien gespeist wird und aktuell dem deutschen Leitindex DAX ein Rekordhoch nach dem anderen bescherte.

Der 725 Milliarden Dollar schwere Vermögensverwalter AllianceBernstein sagt voraus, dass Bitcoin in diesem Jahr ein neues Allzeithoch erreichen wird. „Wir glauben, dass die besten Tage von Bitcoin noch vor uns liegen und der ETF-geführte Bitcoin-Markt ist bereit für das, was wir als eine FOMO-Rallye kommen sehen“, schreiben die Analysten Gautam Chhugani und Mahika Sapra in einer Kundenmitteilung. Mit „FOMO“ („Fear of Missing Out“) werden Kaufaktivitäten von Anlegern umschrieben, die nicht rational, sondern nur aus der Angst vor weiteren entgangenen Kursgewinnen motiviert sind.

Nach Einschätzung der Bernstein-Experten hat der Markt die neuen ETFs nach der Genehmigung schnell eingepreist, aber noch nicht den voraussichtlichen Umfang der ETF-Zuflüsse. Nicht in den Kursen abgebildet sei auch die Angebotsverknappung, die mit der am 19. April bevorstehenden „Bitcoin-Halbierung“ einhergehen wird. Das „Halving“ findet alle vier Jahre statt und halbiert die Belohnung für die „Miner“. Diese liefern Rechenleistung für das Bitcoin-Netzwerk, indem sie Transaktionen in der Blockchain durch aufwendige Rechenoperationen bestätigen („schürfen“) und dafür Bitcoin als Belohnung erhalten. Ein weiteres Knappheitselement im Bitcoin-System ist die Tatsache, dass die Gesamtmenge der Coins unwiderruflich auf 21 Millionen begrenzt ist.

Andere Analysten sind weniger überzeugt, dass Bitcoin seinen jüngsten Aufwärtstrend fortsetzen wird. „Weil das Bitcoin-Ökosystem so nebulös ist, ist es schwer zu sagen, wer kauft und warum“, meint Jim Angel, Fakultätsmitglied am Georgetown McDonough's Psaros Center for Financial Markets and Policy. „Der Preis von Bitcoin wird immer heftig schwanken, je nachdem, wie viele echte Gläubige kaufen und wie viele Skeptiker verkaufen wollen.“

Bitcoin = Digitales „exponentielles“ Gold?

Die Investmentgesellschaft ARK Invest, bekannt für positive Einschätzungen zu Kryptowährungen und Zukunftstechnologien im Allgemeinen, sieht Bitcoin als Ersatz für Gold als sicheren Hafen und prognostiziert einen weiteren Preisanstieg aufgrund einer wachsenden Rolle an den Finanzmärkten. Die Analysten von ARK glauben, dass Bitcoin durch seine antifragile Natur auch in einem Umfeld steigender Zinsen und hoher Inflation bestehen kann. Die Vergangenheit konnte das nur bedingt zeigen. Bitcoin erlitt im Bärenmarkt 2022 herbe Verluste, erholte sich dann aber auch schnell wieder und steuert nun die alten Preisrekorde an.

Stichwort antifragil: Gold hingegen hat sich im letzten Jahr als erstaunlich stabil erwiesen. Normalerweise sorgen hohe Zinsen für einen fallenden Goldpreis, weil die Opportunitätskosten des Haltens von Gold sehr viel höher sind als bei niedrigen Zinsen. In diesem Zyklus hat sich diese Korrelation bisher nicht manifestiert – mögliche Gründe gibt es viele, darunter eine starke geopolitische Nachfrage durch Zentralbanken und Privatanleger.

Die Analysten von ARK stehen mit ihrer positiven Haltung zu Bitcoin nicht isoliert da. Insbesondere unter jüngeren und technikaffinen Anlegern gilt die Digitalwährung seit geraumer Zeit als eine Art verbesserte digitale Version von Gold. Deren Hauptargument: Bitcoin ist tatsächlich inhärent knapp. Die Goldmenge ist nicht algorithmisch begrenzt und das Angebot des gelben Edelmetalls wird alljährlich vergrößert. Außerdem kann man durchaus die Ansicht vertreten, dass Bitcoin als Parallelwährung besser funktioniert, weil Gold für kleinere Transaktionen unpraktikabel ist, während Bitcoin auch in winzigen Einheiten unkompliziert transferiert werden kann.

Während zuletzt viel Geld in die neuen Bitcoin-ETFs floss, haben US-Investoren in den letzten Wochen netto über zwei Milliarden Dollar aus Gold-ETFs abgezogen. Ist das ein kurzfristiges Phänomen oder der Beginn eines richtungsweisenden Trends? 2012 war eine Unze Gold 400 Bitcoin wert. Heute sind es nur noch rund 0,05.

Jetzt, wo an den (Krypto-)Börsen erneut Euphorie vorherrscht, sind auch manche Prognosen für Bitcoin wieder auf altbekannte Zielmarken von Hunderttausend Dollar bis hin zu realitätsfern anmutenden Symbolwerten von einer oder gar zehn Millionen Dollar angeschwollen.

Der Fidelity-Analyst Julien Timmer äußerte sich Ende 2023 auf X folgendermaßen: „Bitcoin ist volatil, aber seine Knappheit und seine Adoptionskurve schaffen das Potenzial, eine leistungsstarke Absicherung gegen monetäre Schwindeleien zu sein. Ich betrachte Bitcoin als "exponentielles Gold"“. In diesem Kontext sollte man wissen, dass Fidelity unter den großen Vermögensverwaltern zu den Vorreitern im Krypto-Bereich gehört und unter anderem bereits 2014 mit Bitcoin-Mining experimentierte.

Wenn man den Bitcoin-Preis langfristig betrachtet, ergibt sich tatsächlich ein exponentieller Anstieg. Deutlich wird das bei einer logarithmischen Betrachtung (gleiche Abstände auf der y-Skala entsprechen identischen prozentualen Veränderungen).

Fundamentaler Wert von Bitcoin nicht bestimmbar

Obwohl Bitcoin derzeit rund 22 Prozent unter dem Dollar-Höchstkurs aus dem Jahr 2021 notiert, hat die größte Kryptowährung in den vergangenen drei Jahren alle anderen Anlageklassen unter reinen Rendite-Gesichtspunkten ziemlich alt aussehen lassen. Die fantastischen Kursgewinne gingen einher mit der höchsten Volatilität, weshalb Timmer überspitzt formuliert, dass das Rendite-Risiko-Verhältnis von Bitcoin „aus einem anderen Universum“ sei. Allerdings sind vergangene Kursentwicklungen keine Garantie für zukünftige. Die Börsen zeigten sich gerade in den letzten Monaten völlig unberechenbar, aber Bitcoin-Investoren sollten ohnehin Nerven aus Stahl besitzen.

Indes ist die Digitalwährung genauso wie Gold nur so viel Wert, wie die Menschen Vertrauen darin haben. Ein fundamentaler Wert lässt sich in beiden Fällen im Gegensatz zu beispielsweise Unternehmens-Beteiligungen nicht wirklich berechnen, weil keine laufenden Erträge generiert werden. Das gelbe Edelmetall hat hier den Vorteil, dass es seine Wertstabilität seit Jahrtausenden bewiesen hat. Bitcoin gibt es erst seit etwas mehr als einem Jahrzehnt und der Preis schwankt wesentlich stärker als bei Gold.

Zum Autor:

Jakob Schmidt ist studierter Volkswirt und schreibt vor allem über Wirtschaft, Finanzen, Geldanlage und Edelmetalle.


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