Politik

Milliardenlücke: Nach dem Bundeshaushalt 2024 ist vor dem Bundeshaushalt 2025

Nachdem erst vor wenigen Wochen der Bundeshaushalt für 2024 spät verabschiedet wurde, geht es schon wieder los: In diesen Tagen beginnt das Feilschen um das Budget für 2025. Schon jetzt deutet sich an, dass die Verhandlungen um den Bundeshaushalt 2025 alles andere als harmonisch werden dürften. Vor allem eine Person scheint wenig kompromissbereit - und schon jetzt gibt es eine Milliardenlücke!
07.03.2024 15:26
Lesezeit: 3 min
Milliardenlücke: Nach dem Bundeshaushalt 2024 ist vor dem Bundeshaushalt 2025
Finanzminister Lindner, Wirtschaftsminister Robert und Bundeskanzler Scholz nehmen im Bundestag an einer Debatte teil: Milliardenlücke im Bundeshaushalt 2025 (Foto: dpa). Foto: Kay Nietfeld

Eine Milliardenlücke klafft bereits jetzt in den Haushaltsplanungen. Finanzminister Christian Lindner (FDP) will seinen Ministerkollegen auch deshalb diesmal enge Grenzen setzen. Erst einmal muss dafür Lindners neuer Haushalts-Staatssekretär Wolf Reuter ran: Am Donnerstag rief sein Ministerium alle Ressorts dazu auf, Vorschläge für Einsparungen zu machen.

In einer Runde unter Leitung des neuen Haushalts-Staatssekretärs Wolf Reuter vereinbarten die Ministerien, bis zum 19. April ihre Pläne vorzulegen. Lindner mahnte in einem Brief, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, dass alle an einem Strang ziehen müssten. "Es wird eine gemeinsame Kraftanstrengung der Bundesregierung erfordern, den Handlungsbedarf im Bundeshaushalt aufzulösen", schrieb er. Mit Handlungsbedarf wird eine Milliardenlücke umschrieben, die schon ohne Zusatzwünsche laut Finanzministerium einen zweistelligen Milliardenbetrag umfasst.

Der nächste Streit in der Ampel-Koalition scheint vorprogrammiert - auch weil Experten die Bundesregierung bereits vor einem zu strikten Sparkurs warnen. Muss die Schuldenbremse doch aufgeweicht oder reformiert werden?

Werden die Verhandlungen wieder so hart wie im vergangenen Jahr?

Viel einfacher dürfte es jedenfalls nicht werden - auch wenn der Überraschungseffekt ausbleibt. Im vergangenen Jahr hatte das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nur Tage vor dem geplanten Haushaltsbeschluss einen ohnehin schon schwierigen Prozess völlig durcheinandergebracht.

Diesmal stellen sich alle von Beginn an auf einen harten Kampf ein. «Deutschland steht vor großen wirtschafts- und finanzpolitischen Herausforderungen», warnte Lindner. Die Wirtschaft entwickele sich schwach und die Krisenjahre hätten große Löcher in den Etat gerissen.

Haushälter sprechen dann von Konsolidierungsbedarf. Manche beziffern ihn für 2025 auf 15, andere eher auf 25 Milliarden Euro. Auch eine Entlastung durch höhere Einnahmen sei nicht zu erwarten, hieß es im Finanzministerium. Die anhaltend schwache Wirtschaftslage macht sich inzwischen auch bei den Steuereinnahmen bemerkbar.

Wie will sich Lindner durchsetzen?

Im vergangenen Jahr hatte Lindner sogar Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in die festgefahrenen Gespräche mit den Ministerien eingeschaltet, weil diese sich nicht auf einen Sparkurs einlassen wollten. Dieses Mal packt der FDP-Chef das Verfahren von vornherein anders an. Die Aufstellung des Haushalts werde sich «grundlegend von denen in den Vorjahren unterscheiden», hieß es im Ministerium.

So will das Finanzministerium nicht wie üblich erst Etat-Eckwerte verhandeln, sondern den Häusern gleich Ausgabenobergrenzen vorgeben. Das Eckwerte-Verfahren sei diesmal nicht zielführend, «da es keine zusätzlichen zur Verteilung anstehenden Finanzmittel gibt», argumentiert Lindner. Dadurch will man verhindern, dass die Ministerien hohe Wünsche anmelden, die man dann erst mal runterverhandeln muss. Ganz ausschließen lässt sich das jedoch nicht - auch wenn Lindner deutlich macht: «Sollten die Anmeldungen nicht den ressortspezifischen Obergrenzen entsprechen, können diese nicht akzeptiert werden.»

Wo stehen Kürzungen an?

Es sind unterschiedliche Spar-Verfahren denkbar: Pauschal könnte zum Beispiel jedes Ressort einen Prozentsatz seiner Ausgaben herunterfahren. Doch so wird es wohl nicht laufen, denn Scholz hat schon klargemacht, dass weder der Verteidigungsetat noch die Sozialausgaben angetastet werden sollen. Lindner dagegen regte ausgerechnet bei Sozialausgaben und Subventionen ein mehrjähriges Moratorium an, um mehr Geld in Verteidigung stecken zu können.

Generell gilt, dass sich Investitionen immer einfacher kürzen lassen als Ausgaben, denen gesetzliche Ansprüche zugrunde liegen - wie etwa das Bürgergeld. Bei Investitionen zu sparen, kann angesichts des Modernisierungsstaus aber auch gefährlich sein. Letztlich wird die Koalition politische Schwerpunkte setzen müssen.

Wie könnte man größere Spielräume schaffen?

SPD und Grüne liebäugeln weiterhin damit, dass der Bund mehr Kredite aufnimmt. Dafür müsste die Schuldenbremse erneut ausgesetzt werden. Auch viele Sozialverbände und einige Wirtschaftswissenschaftler sprechen sich dafür aus. Sie meinen, eine solche Ausnahme könne man mit der außergewöhnlichen Unterstützung der Ukraine und der Flüchtlinge begründen.

Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse sieht nur eine eng begrenzte Nettokreditaufnahme vor, kann aber im Fall von Naturkatastrophen oder anderen außergewöhnlichen Notlagen ausgesetzt werden. Das war zum Beispiel während der Corona-Pandemie der Fall. Lindner und seine FDP sehen dafür aber aktuell keine Grundlage. Und sie warnen davor, dass Deutschland sein gutes Bonitätsrating riskieren und man künftigen Generationen durch neue Schulden hohe Zinszahlungen aufbürden würde.

Gibt es auch Bereiche, die mehr Geld bekommen könnten?

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sieht großen Investitionsbedarf bei der Bundeswehr und will einen höheren Wehretat. Dem wäre auch Lindner nicht abgeneigt - aber nur, wenn an anderer Stelle im Haushalt entsprechend gespart wird. Außerdem hält der Finanzminister ein neues Paket zur Unterstützung der schwachen Wirtschaft für nötig, unter anderem mit einer Senkung der Steuerlast.

Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will der Wirtschaft helfen, doch in zentralen Fragen verfolgen die beiden grundlegend andere Philosophien. Lindner will im Rahmen der Schuldenbremse bleiben, Habeck ein Sondervermögen, also einen schuldenfinanzierten Sondertopf. Außerdem neigen die Grünen eher zu Subventionen, während die FDP auf Anreize etwa durch niedrigere Steuern setzt. Eine Steuerreform wird aber kaum Zustimmung der Koalitionspartner bekommen, wenn man nicht an den Spitzensteuersatz rangeht.

Kann der Disput die Koalition sprengen?

Haushaltsverhandlungen bergen immer Sprengkraft, denn es wird deutlich, dass die Koalitionspartner sehr unterschiedliche Ziele verfolgen. Vor allem der FDP wird nachgesagt, quasi den Finger auf dem Abzug zu haben. Doch alle drei Koalitionspartner müssen sich angesichts der aktuellen Umfragewerte die Frage stellen, was sie durch ein Ende der Koalition gewinnen würden.

Noch schwieriger als der Etat für 2025 dürfte den Koalitionspartnern eine Einigung auf die Finanzplanung bis 2028 fallen. Denn dann beginnt nicht nur die Tilgung von Corona-Krediten - eine Zusatzbelastung von um die zehn Milliarden Euro. Auch die Finanzierung der Bundeswehr - die Einhaltung des Zwei-Prozent-Ziels der Nato - muss dann allein aus dem Haushalt finanziert werden, weil das milliardenschwere Sondervermögen ausläuft. Wie das geschehen soll, ist völlig offen. (dpa)

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Reichster Ostdeutscher: Wie ein Unternehmer einen kleinen DDR-Betrieb zum globalen Player macht
25.04.2025

Rekord-Umsatz trotz Krisen: Der Umsatz von ORAFOL betrug im Jahr 2024 betrug 883 Millionen Euro – ein Rekordjahr trotz Wirtschaftskrise....

DWN
Politik
Politik Rentenbeiträge und Krankenkasse: Sozialabgaben werden weiter steigen
25.04.2025

Gerade bei der Rente hat die kommende Merz-Regierung ambitionierte Pläne. Doch gemeinsam mit den Krankenkassenbeiträgen droht...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Gold im Höhenrausch: Wenn Trump das Gold sieht, wird es gefährlich
25.04.2025

Der Goldpreis steht kurz davor, einen historischen Rekord nicht nur zu brechen, sondern ihn regelrecht zu pulverisieren. Die Feinunze Gold...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutsche Autoindustrie unter Druck: Zollkrieg sorgt für höhere Preise und verschärften Wettbewerb
25.04.2025

Der Zollkrieg zwischen den USA und Europa könnte die Auto-Preise in den USA steigen lassen und den Wettbewerb in Europa verschärfen....

DWN
Finanzen
Finanzen Vermögen der Deutschen auf Rekordhoch – aber die Ungleichheit wächst mit
25.04.2025

Private Haushalte in Deutschland verfügen so viel Geld wie nie zuvor – doch profitieren längst nicht alle gleichermaßen vom...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutschland am Wendepunkt: Wirtschaftsmodell zerbricht, Polen rückt vor
25.04.2025

Deutschlands Wirtschaftsmaschinerie galt jahrzehntelang als unaufhaltsam. Doch wie Dr. Krzysztof Mazur im Gespräch mit Polityka...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft China im Handelskrieg: Regierung bereitet sich auf das Schlimmste vor
25.04.2025

Chinas Führung bereitet sich inmitten des eskalierenden Handelskonflikts mit den USA auf mögliche Härtefälle vor. In einer Sitzung des...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Pharmazeutische Abwanderung: Wie Europa seine Innovationskraft verloren hat – und sie zurückgewinnen kann
25.04.2025

Europas einst führende Rolle in der Pharmaforschung schwindet – während andere Regionen aufholen, drohen Abhängigkeit und...