Weltwirtschaft

Ernüchternde Studie: Erfolgreiche Energiewende liegt in weiter Ferne

Lesezeit: 3 min
14.03.2024 16:00
Neue Studien zur deutschen Energiewende zeigen, dass die Bezahlbarkeit von Strom und Netzausbau kritisch ist. Ist die Versorgungssicherheit ausreichend? Wäre eine Atomkraft-Renaissance empfehlenswert? Wie teuer wird die Energiewende in den nächsten Jahrzehnten? All das lesen Sie in diesem Artikel.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Hohe Strompreise, schleppender Netzausbau, zu wenig erneuerbare Energie, nur mäßige Versorgungssicherheit und zu viele klimaschädliche Emissionen: Die am Donnerstag in München Studie zur Umsetzung der Energiewende der Prognos AG zeichnet in weiten Teilen ein ernüchterndes Bild für ganz Deutschland. Die Studie wird seit 2012 im Auftrag der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw) erstellt. Bei den klimaschädlichen Emissionen sei die Diskrepanz zwischen Wirklichkeit und Wunsch in Deutschland weiter groß - die Emissionen lägen rund 25 Prozent über dem Zielpfad für Klimaneutralität bis 2045.

Alarmierende Lage bei Versorgungssicherheit

Besonders kritisch bewertet die Studienautorin Almut Kirchner die Bezahlbarkeit von Strom - hier steht die Bewertungsampel auf tiefrot. Besonders bedenklich sei, dass die Entwicklung noch negativer sei als in früheren Jahren - denn verglichen mit dem 2021 kletterten die Energiepreise im Untersuchungsjahr 2022 weiter nach oben. Ursachen für die immensen Kosten bei Privathaushalten wie Industrie seien weiterhin die Effekte infolge der Energiekrise nach dem russischen Angriff auf die Ukraine. Auch wenn die Gaspreise inzwischen wieder gesunken seien, gebe es weiterhin höhere Kosten für die Verbraucher.

Auch beim Netzausbau zeigt die Bewertungsampel dunkles Rot. Zwar gebe es umfangreiche Planungen, es gebe aber eine große Diskrepanz zu dem, „was wirklich realisiert ist“, sagte Kirchner. „Im Moment haben wir ein Delta von 2000 Kilometern und wir sind richtig gut, wenn denn die Schere nicht noch größer wird.“ Um in Deutschland eine Aufteilung in zwei Strompreiszonen zu vermeiden, brauche es deutlich mehr Zulieferung aus dem Norden.

Positiver bewertet die Studie die Versorgungssicherheit: „In Deutschland stand auch nach Abschaltung der Kernkraftwerke in den Jahren 2011 bis 2023 ausreichend gesicherte Leistung zur Verfügung, um den Strombedarf jederzeit decken zu können“, heißt es in dem 118-seitigen Papier. Gleichwohl brauche es mehr Tempo beim Ausbau der erneuerbaren Energien: Zur Erreichung der Ziele sei langfristig ein jährlicher Zubau von 12 Gigawatt notwendig. 2023 seien nur 3,4 GW erreicht worden.

Dagegen habe die von der Union, FDP und der AfD wiederholt geforderte Renaissance der Atomenergie in Deutschland keinen Sinn, sagte Kirchner. Derzeit sei die Investition in neue Kernkraftwerke die mit Abstand „teuerste Form der Energieerzeugung“. Wer das fordere, müsse so ehrlich sein, dass die Kosten der Steuerzahler tragen müsse, da die notwendigen Investitionen niemals am Strommarkt refinanziert werden könnten.

Deutschlands Energiewende dürfte noch teurer werden als gedacht

Geht die Energiewende weiter wie bisher, könnte Deutschland seine Klimaziele verfehlen. Zudem bedeutet eine schnellere Wende auch sehr hohe Kosten. Bloomberg schätzt, dass die deutsche Energiewende bis 2030 weitere 1.000 Milliarden Euro an Investition- und Infrastrukturkosten verursachen wird. Zudem ist die Problematik der unsteten Energieversorgung mit Solarpanelen und Windrädern weiterhin ungelöst.

Laut Berechnungen der Beratungsfirma PwC sollte Deutschland trotzdem möglichst schnell den Energiebedarf für Wohnen, Verkehr oder Industrie aus Sonne, Wind & Co. beziehen: Eine schnellere Energiewende solle sich nicht nur ökologisch, sondern langfristig auch ökonomisch lohnen. Die Autoren vergleichen in ihrem Modell ein sogenanntes "Weiter-wie-bisher"-Szenario mit einem beschleunigten Szenario. Dabei schließen sie sowohl Investitionskosten als auch Energiekosten ein und berücksichtigen dabei nicht nur die Energiewirtschaft selbst, sondern auch alle Sektoren, in denen Energie verbraucht wird - also etwa Verkehr, Industrie oder Wohnen.

Die prognostizierten Gesamtkosten sind in beiden Fällen gigantisch. Im beschleunigten Szenario kommt das Forscherteam für den Zeitraum bis 2050 auf Gesamtkosten von 13,2 Billionen Euro - die damit leicht unter den Kosten des Weiter-wie-bisher-Szenarios mit 13,3 Billionen Euro liegen. Langfristig allerdings sei das beschleunigte Szenario kostengünstiger, schreiben die Autoren, weil nach 2045 - wenn die Klimaneutralität dann bereits erreicht ist - keine Investitionskosten in diesem Feld mehr notwendig seien. Außerdem würden die Einsparungen bei den Energiekosten größer, weil etwa weniger Geld für die Bepreisung von CO₂ anfalle und die Energieeffizienz zunehme. (mit Material der Nachrichtenagentur dpa)


Mehr zum Thema:  

DWN
Unternehmen
Unternehmen Neue Verträge: Nach dem KaDeWe sind auch Oberpollinger und Alsterhaus gerettet
26.07.2024

Die berühmten Flaggschiffe der deutschen Warenhäuser scheinen nach der Pleite des Immobilien-Hasardeurs René Benko endlich gerettet zu...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Hilfsgelder von Russland: EU gibt Erträge aus dem eingefrorenen Vermögen frei
26.07.2024

Die Europäische Union hat jetzt die ersten Zinserträge aus dem im Westen eingefrorenem russischen Staatsvermögen freigegeben. Die...

DWN
Politik
Politik Der Chefredakteur kommentiert: Islamisches Zentrum Hamburg - ein längst überfälliges Verbot, Frau Faeser!
26.07.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Politik
Politik Bundeskanzler Scholz zu irregulärer Migration: „Die Zahlen müssen runter“
26.07.2024

Erwerbsmigration nach Deutschland sei erwünscht, meint der Kanzler. Problematisch findet er unerlaubte Einreisen. Eine Innenexpertin der...

DWN
Panorama
Panorama ADAC warnt: Es droht schlimmstes Stau-Wochenende der Saison
26.07.2024

Wer nun in den Urlaub fährt, sollte etwas mehr Zeit einplanen und mitunter starke Nerven haben. Der ADAC rechnet mit vielen Staus. Lassen...

DWN
Politik
Politik Außenministerin Baerbock: Seegerichtshof in Hamburg wird an Bedeutung gewinnen
26.07.2024

In Hamburg informiert sich die Außenministerin bei ihrer Sommerreise über die Arbeit des Internationalen Seegerichtshofs. Anschließend...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB nach Stresstest: Banken haben Verbesserungsbedarf bei Cyber-Angriffen
26.07.2024

Seit der Finanzkrise 2008 wird genauer hingeschaut bei den Banken. Im Euroraum müssen sich die Institute nach Einschätzung der...

DWN
Politik
Politik Verfassungsschutz weist auf russische Sabotageversuche hin
26.07.2024

Der deutsche Inlandsgeheimdienst beobachtet schon länger verstärkte russische Geheimdienstaktivitäten. Neue Hinweise veranlassen ihn...