Finanzen

EZB-Mindestreserve: Banken können vorerst aufatmen

Lesezeit: 3 min
20.03.2024 10:55  Aktualisiert: 20.03.2024 12:00
Die Europäische Zentralbank verzichtet vorläufig auf eine höhere Pflichteinlage. Die Finanzinstitute verlieren somit nichts von ihren wertvollen Liquiditäts-Reserven. Änderungen gibt es bei der Steuerung der verschiedenen Zinssätze, auch der wichtige Leitzins ist betroffen.
EZB-Mindestreserve: Banken können vorerst aufatmen
Die EZB zwingt Banken vorerst nicht zu einer höheren Mindestreserve. (Bild: iStock.com, Stephan Behnes)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Gute Nachrichten für Banken im Euroraum: Die Institute müssen nicht mehr Gelder als bisher unverzinst bei der Europäischen Zentralbank (EZB) hinterlegen. Überlegungen zu einer Erhöhung dieser sogenannten Mindestreserve sind vorerst vom Tisch. Das geht aus den letzte Woche vom EZB-Rat beschlossenen Veränderungen des operativen Handlungsrahmens der Notenbank für die Durchführung der Geldpolitik hervor.

Geschäftsbanken im Euroraum sind verpflichtet, einen gewissen Anteil der Kundeneinlagen bei der EZB, genauer gesagt der nationalen Zentralbank, zu parken. Damit soll in erster Linie genügend Liquidität zur Deckung von Bargeld-Abhebungen gewährleistet werden. Außerdem dient die Mindestreserve als Kontrollinstrument gegen eine zu hohe Kreditvergabe, wobei hier die Eigenkapitalvorschriften eine größere Rolle spielen. Aktuell liegt die Quote für diese Mindesteinlage bei einem Prozent der Kundengelder. Im Juli entschieden die Euro-Währungshüter, diese Reserven nicht mehr zu verzinsen.

Erhöhung der Mindestreserve vorerst vom Tisch

Die Eurozonen-Quote ist im internationalen Vergleich gering. Im Rest Europas liegt die Quote meist deutlich höher, zum Beispiel mit 3,5 Prozent in Norwegen und 7,0 Prozent in Serbien. Auch in China sind nach der jüngsten Lockerung 7,0 Prozent vorgeschrieben, in Russland beträgt die Mindestreserve aktuell 4,5 Prozent. In den USA lag die Mindestquote jahrzehntelang bei 10 Prozent, bevor sie im Zuge der Coronakrise vorläufig und bis heute komplett abgeschafft wurde.

Aus EZB-Kreisen hatte es zuletzt Forderungen nach einer Erhöhung der Mindestreserve gegeben. Dadurch würde der der Finanzbranche Liquidität entzogen und somit – so zumindest die Theorie – die Inflation effektiver bekämpft. Nun ist die Inflation aber so stark gesunken, dass es womöglich keines solchen Schritts mehr bedarf. Die Inflation im Euroraum hat sich im Februar im Vorjahresvergleich auf 2,6 Prozent verringert. Die EZB peilt einen Zielwert von 2,0 Prozent an.

Österreichs Notenbankchef Robert Holzmann hatte im September eine Quote von fünf bis zu zehn Prozent in die Diskussion gebracht. Bundesbank-Präsident Joachim Nagel hatte im November daran erinnert, dass der Mindestreservesatz in den ersten 13 Jahren des Euro bei 2 Prozent lag, und eine „moderate Erhöhung“ nicht ausgeschlossen sei.

EZB-Direktorin rechnet mit weiter massiv sinkender Überschussliquidität

Eine Erhöhung der Mindestreserve verringert die nutzbare „Überschussliquidität“ des Bankensystems. Die Überschuss-Rerserven ist das von Geldinstituten auf Zentralbank-Konten geparkte Geld abzüglich der Mindestreserve und Bargeld-Beständen. Diese überschüssigen Gelder werden mit der „Einlagenfazilität“ vezinst – im Euroraum derzeit 4,0 Prozent. Einzelne Banken verringern ihre Überschussliquidität, indem sie Kredite an die Zentralbank zurückzahlen oder das Geld beispielsweise in Staatsanleihen umschichten. Auf der Verkäuferseite ist dann entweder eine andere Bank, die auf diesem Wege ihre Überschussliquidität erhöhen kann oder (in Phasen der geldpolitischen Straffung häufig) die Zentralbank selbst.

Die Überschussliquidität in der Eurozone ist bereits vom Mitte 2022 erreichten Zenit von knapp 4,7 Billionen (Tausend Milliarden) Euro auf 3,5 Billionen Euro gesunken. EZB-Direktorin Isabel Schnabel erwartet, dass es bis Ende 2025 zu einer weiteren massiven Reduzierung um 1,4 Billionen auf dann 2,1 Billionen Euro kommen wird. Hauptfaktor ist, dass die Geldhäuser seit geraumer Zeit längerfristige EZB-Kredite aus dem TLTRO-Programm zurückzuzahlen.

Mehr Augenmerk auf Zinsspanne – Leitzins-Senkung fest geplant

In der Überarbeitung des Handlungsrahmens legte der EZB-Rat zudem fest, dass der Abstand zwischen dem Zins zur Versorgung der Banken im Euroraum mit frischem Zentralbankgeld und dem Zins für bei der EZB geparkte Gelder künftig nur noch 15 statt 50 Basispunkte betragen wird. Diese Änderung soll in sechs Monaten greifen. Derzeit liegt der sogenannte Hauptrefinanzierungssatz für wöchentlichen Kreditgeschäfte - auch als Leitzins bekannt - bei 4,5 Prozent, der Einlagenzins beträgt 4,0 Prozent (siehe oben).

Der Refinanzierungssatz soll nun leicht gesenkt werden, um die Spanne zu verringern. Der Hauptrefinanzierungssatz soll künftig wieder eine wichtigere Rolle bei der Liquiditäts-Versorgung der Banken spielen. Aufgrund der hohen Überschussreserven hatten die Finanzinstitute zuletzt kaum noch solche Kredite bei der EZB nachgefragt. Diese geringere Spanne wird Anreize für Gebote bei den wöchentlichen Transaktionen bieten, so dass sich die kurzfristigen Geldmarktsätze wahrscheinlich in der Nähe der Einlagefazilität entwickeln werden“, erklärte die EZB.

Die ersten Leitzins-Senkungen standen schon zuvor im Raum, aber vonseiten der EZB gibt es nun zum ersten Mal diesbezüglich eine klare Kommunikation. Die nächsten Zinsentscheide der Notenbank sind für den 11. April und den 6. Juni geplant.

Insgesamt will die Zentralbank mit ihrem überarbeiteten Rahmenwerk sicherstellen, dass der Übergang von der aktuell sehr restriktiven Geldpolitik hin zu einer wieder expansiveren Geldpolitik reibungsloser abläuft – nun, da die in den vergangenen Jahren aufgeblähte Bilanz der Notenbank langsam schrumpft und es im Markt mitunter Sorgen gibt, dass dies Stabilitätsrisiken mit sich bringen könnte. 2026 will die Notenbank die einzelnen Parameter ihres operativen Handlungsrahmens erneut unter die Lupe nehmen.

                                                                            ***

Jakob Schmidt ist studierter Volkswirt und schreibt vor allem über Wirtschaft, Finanzen, Geldanlage und Edelmetalle.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Zu Weihnachten Zukunft schenken

Gerade zu Weihnachten wünschen sich viele Menschen, etwas von ihrem Glück zu teilen und sich für diejenigen zu engagieren, die es nicht...

DWN
Panorama
Panorama Amokfahrt von Magdeburg: Trauer, Entsetzen und offene Fragen halten Deutschland in Atem
22.12.2024

Fünf Menschen sind tot, 200 verletzt: Nach der folgenschweren Fahrt mit einem Auto über den Weihnachtsmarkt in Magdeburg stellt sich die...

DWN
Politik
Politik Donald Trump hofft: Elon Musk übernimmt (noch) nicht die US-Präsidentschaft
22.12.2024

Kritiker nennen den Tech-Milliardär süffisant «Präsident Musk». Donald Trump stellt klar, wer das Sagen hat - bestreitet aber auch...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Quiet Quitting: Der stille Job-Rückzug mit gefährlichen Folgen
22.12.2024

Ein stiller Rückzug, der Unternehmen erschüttert: Quiet Quitting bedroht die Substanz deutscher Betriebe. Warum immer mehr Beschäftigte...

DWN
Politik
Politik Steuern und Abgaben: Mehrheit der Steuerzahler zahlt 2025 noch mehr – mit oder ohne Ampel!
22.12.2024

Das „Entlastungspaket“ der Ampel ist eine Mogelpackung, denn Steuersenkungen sind nicht vorgesehen. Im Gegenteil: Ab dem 1. Januar 2025...

DWN
Technologie
Technologie DWN-Sonntagskolumne: Künstliche Intelligenz Hype Cycle - Zwischen Revolution und Enttäuschung
22.12.2024

Ist künstliche Intelligenz nur ein Hype oder der Beginn einer Revolution? Zwischen hohen Erwartungen, Milliardeninvestitionen und...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Psychische Gewalt am Arbeitsplatz: Ursachen, Folgen und Lösungen
22.12.2024

So können Unternehmen gegen verbale Übergriffe aktiv werden- Beleidigungen, Drohungen und Beschimpfungen: Rund ein Drittel der...

DWN
Politik
Politik Migrationskrise: Asyl-Rekordhoch in Deutschland und die illegale Migration an den Grenzen geht ungebremst weiter
22.12.2024

In Deutschland leben fast 3,5 Millionen Geflüchtete, von Asylsuchenden über anerkannte Flüchtlinge bis zu Geduldeten. Das ist ein neuer...

DWN
Finanzen
Finanzen Kindergeld beantragen: Tipps und wichtige Infos für 2025
22.12.2024

Wussten Sie, dass Sie Kindergeld bis zu sechs Monate rückwirkend erhalten können? Dies gilt sowohl für Ihr erstes Kind als auch für...