Nebenwerte sind Aktien von Unternehmen mit relativ geringem Börsenwert (englisch: Smallcaps). Sie gelten als riskanter und illiquider als Aktien von großen Unternehmen, aber auch als renditeträchtiger.
Welche Unternehmen als Nebenwert zählen, darüber gehen die Meinungen auseinander. Etwa gelten beim Indexanbieter MSCI die nach Börsenwert 70 Prozent größten Unternehmen als Large Caps, die darauffolgenden 15 Prozent als Midcaps und die nächsten 14 Prozent als Smallcaps.
Die Titel in Nebenwerten-Indizes sind dennoch keine klassischen Mittelständler. Etwa enthält der MSCI World Smallcap Konzerne aus dem MDAX und SDAX, zum Beispiel Hugo Boss, ProsiebenSat.1, ThyssenKrupp, Sixt und TUI. Diese erwirtschaften Jahresumsätze im niedrigen einstelligen bis niedrigen zweistelligen Milliardenbereich.
Investment in Smallcaps ist kein Muss
Der Honorar-Finanzanlagenberater Kevin Kronauer von Finsparent hält ein Investment für vernünftig, aber kein Muss. „Letztendlich bewegen sich Anleger:innen, welche sich über solche Fragen Gedanken machen, schon im Schulnotenbereich 1 bis 1-2 - eine Überoptimierung des Portfolios ist also nicht zwangsläufig sinnvoll und notwendig“, erklärt er schriftlich gegenüber DWN.
Die Kapitalmarktforschung spreche sich für maximale Diversifikation aus, um Einzeltitel-, Länder- und Branchenrisiken zu minimieren. Allerdings solle man es nicht übertreiben. Schon ein ETF mit Large Caps und Midcaps reiche in der Praxis aus, etwa auf den MSCI ACWI, erklärt Kronauer. „Bereits eine Anlage in einen Small-Cap-Industrieländer-ETF ist kostenintensiver als ein Large-/Mid-Cap-Industrieländer-ETF, allerdings noch vertretbar.“
Grund für die höheren Kosten ist, dass Smallcap-Aktien weniger an der Börse gehandelt werden. Dadurch sind die Geld-Brief-Spannen (Spreads) höher. Laut einer Studie des Instituts für Vermögensaufbau ist der Spread bei einem ETFs auf den MSCI Europe Smallcap doppelt bis dreimal so hoch wie bei MSCI World und Co. (0,21 Prozent versus weniger als 0,1 Prozent). Nebenwerte-Fonds haben zudem höhere fondsinterne Transaktionskosten.
Ein weiterer Nachteil: Nebenwerte schwanken kräftiger im Kurs - etwa ist die Volatilität auf Zehn-Jahressicht beim MSCI World Smallcap höher als beim MSCI World (17,7 versus 14,9 Prozent). Kleine Firmen gelten als weniger diversifiziert - etwa über Branchen oder Länder hinweg - und haben häufig mehr Schulden. In Wirtschaftskrisen brechen die Kurse kräftiger ein. Besonders gut würden sie zu Beginn eines Bullenmarkts oder eines wirtschaftlichen Aufschwungs laufen, weil sie aufgrund ihrer erhöhten Verschuldung von sinkenden Zinsen profitieren würden, erklärt die Ratingagentur Morningstar in einer Analyse.
Für die Klein-Unternehmen spricht die gesunkene Bewertung. Laut JPMorgan Asset Management lag das Kurs-Gewinn-Verhältnis beim MSCI World Smallcap in den vergangenen 20 Jahren bei durchschnittlich 27. Das seien neun Punkte mehr als beim MSCI World. Derzeit sei der Bewertungsaufschlag erstmals nicht zu beobachten. „Aktuell ist die Risikoprämie der Small Caps verschwunden“, erklärte der Kapitalmarktanalyst Tilmann Galler im Dezember.
Außerdem könnten langfristig höhere Renditen drin sein. Laut Forschern der London Business School rentierten kleine Aktien zwischen 1900 und 2022 um 2,7 Prozent pro Jahr besser als Large Caps. Die Finanzökonomen untersuchten in der Studie „Global Investment Returns Yearbook 2023“ Daten für 35 Industrie- und Schwellenländer. Auch in dem Zeitraum von 2000 bis 2022 liefen Smallcaps demnach in 32 von 35 Ländern besser als Standardwerte.
Laut Kevin Kronauer ist aber umstritten, ob Anleger Smallcaps übergewichten sollten. Übergewichtung bedeutet, dass der Anteil oberhalb der Gewichtung in einem Portfolio nach Marktkapitalisierung liegt, etwa oberhalb von 14 Prozent bei MSCI-Indizes. Sogenannte Faktor-Investoren erhoffen sich davon eine Outperformance.
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Andere Forscher sehen das kritisch. Etwa betrachtete der Finanzökonom Hartmut Walz den Size-Faktor gegenüber DWN als „entzaubert“. Zwar würden Smallcaps überwiegend besser rentieren als große Unternehmen, aber um den Preis einer höheren Volatilität. Er sehe diese als Entschädigung für ein höheres Risiko.
„Wenn der Anleger diese Volatilität wieder kompensieren möchte, muss er den Anteil der kursrisikobehafteten Anlagen leicht zurückfahren und den Anteil kursrisikoarmer Anlagen (Geldmarktpapiere, Tagesgelder etc.) erhöhen“, erklärte der Professor der Hochschule Ludwigshafen. „Und schon ist durch die stärkere Verwässerung der schöne Small-Cap-Effekt wieder weg.“
Wie können Anleger in Nebenwerte investieren?
Wem es also um maximale Diversifikation geht, könnte einen einzigen Welt-ETF mit Smallcaps kaufen, etwa auf den MSCI World ACWI IMI oder den FTSE All-World. Der Unterschied: Der FTSE-Index enthält bloß die nach Börsenwert größten 90 bis 95 Prozent der Unternehmen aus 49 Industrie- und Schwellenländern. Beim MSCI-Index sind 99 Prozent enthalten.
Kevin Kronauer schlägt neben der Ein-ETF-Lösung auch ein Portfolio aus zwei ETFs vor, wobei ein ETF beispielsweise auf den MSCI World Smallcap läuft. Hier könnten Anleger die Gewichtung der Smallcaps anpassen, erklärt der Finanzplaner, der provisionsfrei auf Honorarbasis berät. Der MSCI World Smallcap enthält etwas weniger US-Aktien als der MSCI World (60 versus 70 Prozent). Außerdem sind weniger Growth-Titel und mehr Value-Titel enthalten, was sich etwa an der geringeren IT-Gewichtung zeigt (11 versus 24 Prozent).
Die größten Branchen sind die klassischen Sektoren Industrie (20 Prozent Gewicht), Finanzen (15 Prozent) und Nicht-Basiskonsumgüter (13 Prozent). Die Bilanzen sind allerdings weniger solide als bei den Unternehmen im MSCI World, weil der Anteil der Zombie-Unternehmen in den USA seit Corona gestiegen sei, erklärt Tilmann Galler von JPMorgan.
Ein weiterer Vorteil von Nebenwerten-ETFs ist das geringe Gewicht der zehn größten Unternehmen. Etwa gilt das für den MSCI World Smallcap (2 Prozent), den MSCI Europe Smallcap (5 Prozent) oder den MSCI Emerging Markets Smallcap (3 Prozent). Auch einzelne Unternehmen haben nie mehr als 0,6 Prozent Anteil. Bei den gängigen Welt-ETFs auf MSCI World, FTSE All-World und Co. machen allein Microsoft und Apple zwischen 7 und 10 Prozent aus und die Top 10 stehen für mehr als 20 Prozent (Klumpenrisiko).
Kevin Kronauer rät indes zur Vorsicht bei ETFs mit Nebenwerten aus Schwellenländern. Hier solle man genau bedenken, „ob das Mehr an Diversifikation die höheren Kosten solcher ETFs rechtfertigt“, erklärt der Heppenheimer.