Politik

Obskures Demokratie-Fördergesetz aus dem Hause Paus sorgt für Ärger

Lesezeit: 5 min
26.03.2024 18:04  Aktualisiert: 26.03.2024 18:04
Der Entwurf liegt bereits seit Ende 2022 vor. SPD und Grüne wollen damit Engagement gegen Demokratie-Feinde fördern, heißt es. Inzwischen mehren sich die Fragezeichen, was wirklich dahinter steckt. Nicht nur CDU und AfD opponieren, auch in den Reihen der FDP mehren sich Zweifel, ob sich hinter den wohlfeilen Schlagworten nicht ein Kuckucksei verbirgt.

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Unter Aktivisten erfreut sich Lisa Paus von den Grünen besonderer Beliebtheit. Sie ist die Ministerin mit den Taschen voller Staatsknete. „Davon gilt es, ordentlich abzuzapfen“, heißt es ganz unverhohlen, wenn auch nicht gerne namentlich, vor dem Eingang zum Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend an der Glinkastraße in Berlin.

Wie das am besten geht, ist ein geübtes Ritual insbesondere an den äußeren Rändern der Zivilgesellschaft - jenseits vom ehrenamtlichen Engagement der bürgerlichen Mitte. Einfach mal einen Verein gründen, ihn griffig benennen, mindestens sieben Unterschriften sammeln, lange genug in der Öffentlichkeit trommeln - und dann gibt es recht bald den Gemeinnützigkeits-Stempel der Justizverwaltung. Und schließlich das gute Recht, Spendenbescheinigungen auszustellen und bei Geldgebern und Gönnern Unterstützung einzuwerben.

„Ministerin für Gedöns" als freigiebig bekannt

Nicht jede Initiative, die da regelmäßig bei Lisa Paus im Ministerium für „Gedöns" aufschlägt, wie Altkanzler Gerhard Schröder von der SPD das mal geringschätzig nannte, ist sogleich durchtrieben und nur auf Steuergeld aus. Doch was sich hinter dem Begriff „Zivilgesellschaft“ und „Nichtregierungs-Organisationen“ so alles tummelt, sehen Kritiker schon als einigermaßen obskur an. Gegen Krieg oder Klimawandel zu sein, liegt voll ihm Trend. Wer sollte da schon argwöhnisch sein?

Vor allem seit Lisa Paus gemeinsam mit Innenministerin Nancy Faeser von der SPD Ende 2022 einen Entwurf für ihr sogenanntes Demokratie-Förderungsgesetz vorgelegt hat. Das vordringlich gegen zunehmend rechte Umtriebe auf die Spur gesetzte Gesetzesvorhaben fällt mal wieder in die Kategorie „gut gemeint“. So hieß es im Dezember 2022, kurz vor dem besinnlichen Weihnachtsfest: „Zur verbindlichen und langfristig angelegten Stärkung der Zivilgesellschaft werden wir bis 2023 nach breiter Beteiligung ein Demokratie-Fördergesetz einbringen.“

Bei der Vorstellung betonte Ministerin Paus die Gefahr durch den Rechtsextremismus im Lande. Die Republik werde „vor allem von rechtsextremistischen Gruppen bedroht und angegriffen“, sagte die Grünen-Politikerin. Demokratie müsse gelebt und verteidigt werden. Deshalb wolle man „zivilgesellschaftliches Engagement und politische Bildung“ stärken. Sicherlich nichts, was Proteste ausgelöst hätte.

Großartig für Schlagzeilen gesorgt hat das Thema gleichwohl nicht, es ist quasi unter dem Radar in den Bundestag zur Prüfung geflattert. Die dortigen Hausjuristen, äußerten prompt Zweifel an der Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Doch die Sprecher der federführenden Ressorts für Inneres und für Familien wiesen deren Kritik sogleich in die Schranken - alles verfassungskonform.

Finanzminister mal wieder die letzte Bastion

Finanzminister Christian Lindner (FDP) dürfte mal wieder zur letzten Bastion gegen die freigiebigen Umverteilungspläne von Lisa Paus vom linken Parteiflügel der Grünen werden. Was steuerlich unter die Gemeinnützigkeit fällt, das zu entscheiden, ist immer noch Privileg des Finanzministers. Paus indessen hofft, Millionen an ihr politisch genehme NGOs mit beiden Händen freigiebig verteilen zu können. Sie drängelt. Jüngst behauptete sie sogar, Programme wie „Demokratie leben" in ihrem Haus erhöhten die Sicherheitslage - für die FDP „unbewiesene kausale Zusammenhänge", für die CDU eine Lektion in „Fake-News" aus dem Ministerium Paus.

Unterdessen dräut es im Bundestag immer mehr Politikern, dass sich hinter dem zwar oberflächlich wünschenswerten Ziel, Organisationen und Vereine zu fördern, die sich für Demokratie einsetzen, durchaus so einige fragwürdige Bündnisse versammeln könnten. In der Koalition scheint der Widerstand deshalb spürbar zu wachsen. Nicht wenige ahnen, dass es mal wieder um einen für die grüne Partei strategischen ausgefochtenen Kulturkampf geht. Lisa Paus gilt als trojanisches Pferd für Attac und andere NGOs.

In der FDP hat es sich jetzt Max Mordhorst, der aus Kiel stammende Bundestagsabgeordnete, zur Aufgabe gemacht, Lisa Paus Paroli zu bieten. Er ist ein Freund von Ludwig Erhards Motto „Wohlstand für alle“ - allerdings nicht für jeden. Das ist in der Sache jedoch der kleine, aber feine Unterschied, auf den es ihm ankommt. Er argwöhnt, dass innerhalb der Grünen „die Linken ihre politische Macht auszubauen“ versuchen, sagte er jetzt in einem Interview.

Organisationen wie Attac profitieren

Die CDU ist dagegen und kritisiert, wie undurchsichtig die ganze Sache ist: „Für ein Gesetz, das ausgerechnet den Namen Demokratie-Fördergesetz trägt, mangelt es erheblich an Transparenz.“ Konkrete Bedingungen werden bislang nur „in unbekannten Förderrichtlinien überlassen“, der Gesetzentwurf regelt allenfalls „die rudimentären Rahmenbedingungen“. Und selbst die AfD will nicht zustimmen - selbst wenn sie längst selbst die beliebten Pfade hin zu institutioneller Förderung zu beschreiten weiß. Das Gesetz ziele im Kern auf „Unterstützung linksgrüner Organisationen“ ab, so der Generalverdacht der AfD.

Entscheidend für das Gesetz dürfte aber nun vielmehr sein, dass die FDP jetzt auch wach geworden ist und wohl den unkontrollierbaren Abfluss aus dem Bundesetat befürchtet. Linda Teuteberg, Innen- und Rechtsexpertin der Liberalen, hat sich ebenfalls aus der Deckung gewagt und Position bezogen. Denn das, was gemeinhin als Zivilgesellschaft bezeichnet wird, bestehe nicht nur aus denjenigen, die aus Programmen Fördermittel bekommen, „sondern aus vielen mehr in der Gesellschaft“, bekundete Teuteberg skeptisch.

Prall gefüllte Wundertüte: Für jeden was dabei

Tatsächlich erscheint es höchst fragwürdig, ehrenamtliches Engagement von Bürgern so viel schlechter zu stellen, als über Gebühr in Gemeinnützigkeit verkleidete politische Zielsetzungen auch nicht steuerlich zu bezuschussen. 3.300 Euro dürfen für die Parteienfinanzierung von jedem einzelnen Bürger bei der Einkommensteuer geltend gemacht werden - wer mehr als 500 Euro gibt, muss sogar identifiziert werden, Spender von mehr als 10.000 Euro müssen transparent im Rechenschaftsbericht der Parteien genannt werden. Gemeinnützige Vereine und NGOs freilich bleiben unbehelligt und müssen ihre Gönner nicht offenbaren. NGOs könnten so ganz elegant das gestrenge Parteien-Finanzierungsgesetz umgehen. Ganz so im übrigen wie in den USA, wo diese Praxis schon lange bei der Wahlwerbung gang und gäbe ist und zur Einflussnahme mächtiger Geldgeber, sogenannter Super-Pacs (Political Action Commitees), auf die Wahlen geführt hat - zugunsten beider Präsidentschaftskandidaten, Donald Trump und Joe Biden.

Bei Lisa Paus ist für jeden was dabei: „Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus, Islam- und Muslimfeindlichkeit, Queerfeindlichkeit, Frauenfeindlichkeit, Sexismus, Behindertenfeindlichkeit und Extremismen wie Rechtsextremismus, islamistischer Extremismus, Linksextremismus“ sowie „Hass im Netz, Desinformation und Wissenschaftsleugnung“ werden allesamt als Gefahren für die Demokratie genannt. Eine prall gefüllte Wundertüte! Die Ministerin wiederum nannte beispielhaft „HateAid“ als Organisation, die vom Hass im Internet Betroffene berät.

Ganz oben auf der Anwärter-Liste dürften freilich die Globalisierungsgegner von Attac stehen - immerhin ist Lisa Paus dort Mitglied. Attac ist unter anderem gegen Banken und fordert einen Spitzensteuersatz von 90 Prozent. Die Organisation genoss früher schon einmal das Spendenbescheinigungs-Privileg - bis es vom zuständigen Finanzamt wegen der beständigen politischen Einflussnahme wieder kassiert wurde. Da muss doch was zu machen sein?

Fördertopf soll ungedeckelt bleiben

Einen Deckel soll der Fördertopf indes generell nicht haben. Wie viel Geld wer vom Staat bekommen wird, soll jedes Jahr auf Neue im Haushaltsplan des Bundes festgeschrieben werden. Einmal pro Legislaturperiode soll die amtierende Regierung ihren Bericht über geförderte Projekte vorlegen. Gefälligkeiten dürften damit Tür und Tor offenstehen, befürchten die Reihen von Kritikern.

So kommt also, dass das Gesetz vorerst noch auf Eis liegt. Obwohl das Kabinett ganz schnell zugestimmt hatte, rückt die FDP von den Plänen jetzt wieder ab. Es könne nicht immer gleich „Aufgabe des Staates sei, zivilgesellschaftliches Engagement mit viel Geld zu subventionieren“, heißt es. Die FDP verlangt inzwischen obendrein eine Extremismusklausel im Gesetz, um die Förderung linksradikaler Gruppen auszuschließen.

Unterstützung kommt derweil vom Deutschen Kinderhilfswerk. Dessen Präsident Thomas Krüger spricht sich „mit aller Vehemenz“ für das Gesetz aus. Es sei essenziell, um demokratische Werte aktiv zu pflegen. Krüger fungiert zugleich auch als Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung. Ebenfalls dafür ist der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Josef Schuster macht aus seinem berechtigten Partikular-Interesse wenigstens keinen Hehl. Der Zentralrat hofft, dass Initiativen gegen Judenhass, Rechtsextremismus und Rassismus gestärkt werden. „Wenn hier entsprechende finanzielle Förderungen zurückgeschraubt werden müssen, ist das für unsere Demokratie kein gutes Zeichen“, so Schuster.

Wen Lisa Paus so alles zu alimentieren gedenkt

Dass es längst zahlreiche Förderprogramme von Bund und Ländern beispielsweise zur Prävention von Antisemitismus und Rechtsextremismus gibt, wird geflissentlich ausgeklammert. Tatsächlich gibt es im Etat von Familienministerin Paus bereits seit 2015 (also vor ihrer Amtszeit) jenes Programm „Demokratie leben“. In diesem Jahr umfasst es stolze 182 Millionen Euro, mit denen bundesweit gut 700 Projekte gefördert werden.

Paus ist das natürlich zu wenig. Sie kündigte unlängst an, weiter für ihr Demokratie-Füllhorn zu streiten und in er Förderperiode ab 2025 „den nächsten Schritt“ zu gehen, so die Ministerin zielbewusst. Es gebe ja noch so viele Bündnisse zu alimentieren: den Digitalbereich, gesellschaftliche Vielfalt und Geschlechter-Gerechtigkeit.

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Peter Schubert ist stellv. Chefredakteur und schreibt seit November 2023 bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Immobilienthemen. Er hat in Berlin Publizistik, Amerikanistik und Rechtswissenschaften an der Freien Universität studiert, war lange Jahre im Axel-Springer-Verlag bei „Berliner Morgenpost“, „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ sowie „Welt Kompakt“ tätig. 

Als Autor mit dem Konrad-Adenauer-Journalistenpreis ausgezeichnet und von der Bundes-Architektenkammer für seine Berichterstattung über den Hauptstadtbau prämiert, ist er als Mitbegründer des Netzwerks Recherche und der Gesellschaft Hackesche Höfe (und Herausgeber von Architekturbüchern) hervorgetreten. In den zurückliegenden Jahren berichtete er als USA-Korrespondent aus Los Angeles in Kalifornien und war in der Schweiz als Projektentwickler tätig.


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