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Vom Start-up zur deutschen Drohnen-Schmiede Nummer 1

In Folge des Ukraine-Kriegs ist eine junge Firma in Bayern über Nacht zum Senkrechtstarter der deutschen Rüstungsindustrie avanciert. Die Rede ist von Quantum Systems aus Gilching bei München. Dort wurde lange an Drohnen gebastelt und herum experimentiert. Inzwischen zählt die Firma zu den verlässlichsten Herstellern dieser Fluggeräte. Die Deutschen Wirtschaftsnachrichten verraten, was Quantum als nächstes plant.
01.04.2024 16:35
Lesezeit: 4 min
Vom Start-up zur deutschen Drohnen-Schmiede Nummer 1
Ein Presse-Foto aus den zivilen Anfängen anno 2021: Damals warb Quantum Systems bei der Bauministerin Kerstin Schreyer um Aufträge der bayerischen Landesregierung (Foto: dpa). Foto: Sven Hoppe

Bei der jährlichen Sicherheitskonferenz in München trifft sich das Who is who der Sicherheits- und Außenpolitik mit Sicherheitsdiensten, Militär und Rüstungsindustrie zum Austausch. Kaum ein Unternehmen hat dort beim vergangenen Mal für so viel Aufsehen gesorgt wie Quantum Systems.

Wie ein Lauffeuer hat sich in der Welt verbreitet, was Florian Seibel, ein früherer Heeresflieger der Bundeswehr, und sein Team aus Tüftlern in Bayern in nur wenigen Jahren auf die Beine gestellt haben. Die Firma stellt modernste Fluggeräte her, und zwar elektrische Senkrechtstarter mit kippbaren Propellern. Dass die Ukraine sich so gut gegen Russland behaupten kann, hat ganz maßgeblich mit diesen Drohnen aus Oberbayern zu tun - die nur wie Modellflugzeuge großen Fluggeräte sorgen dort für Überblick an der Front und klären sogar die Tiefen des Operationsgebietes auf. Bis zu drei Stunden lang können die Drohnen in der Luft ausharren, um militärische Ziele zu suchen, und dabei in der Spitze bis zu 100 Stundenkilometer beschleunigen.

Mit zivilen Projekten fing es 2015 bei München an

Mit rein ziviler Drohnen-Technik für Landwirtschaft, Forsten oder wissenschaftliche Exploration ging es im Jahr 2015 mit der Firmengründung los. Grundlage war ein Patent, das Seibel 2012 erworben hatte und ihm ermöglichte, weitere Kollegen von der Bundeswehr-Universität München in sein Start-up zu locken. Dann kam der russische Überfall auf die Ukraine und die Sache entwickelte seine eigene Dynamik. Aus den unbemannten Argusaugen für landwirtschaftliche Flächen wurde eine auch militärisch nutzbare Technologie - Luftaufklärung und mit einem Stückpreis von 180.000 Euro deutlich billiger als Überflüge mit den Awacs-Maschinen.

Die Vector-Drohnen von Quantum sind zu Hunderten nach Kiew geliefert worden und entpuppten sich dort als besonders innovativ und zuverlässig. 140 Stück hat sich Kiew frühzeitig in München sichern können. Dann hat die Bundesregierung weitere 300 Drohnen als Teil ihres Hilfspaketes bezahlt. Soldaten können sie dort an der Front (quasi im Marschgepäck) mitführen und zu ihrer Sicherheit einsetzen - das erklärt womöglich auch das geschätzte Missverhältnis von 10:1 zwischen den russischen und ukrainischen Opferzahlen. Kein Wunder, dass prompt auch US-Spezialkräfte hellhörig geworden sind und bestellt haben - das KSK der Bundeswehr freilich auch.

Ableger soll jetzt auch Kampfdrohnen herstellen

Das neueste Vorhaben Florian Seibels ist es, in Zukunft Kampfdrohnen herzustellen. Als im wahrsten Wortsinne einschlägiges Produkt schwebt Seibel dabei sogenannte Loitering-Munition vor. Als solche werden Lenkwaffen bezeichnet, die zunächst ohne bestimmtes Ziel starten und längere Zeit über dem Zielgebiet kreisen können. Später wird dann ein Ziel durch einen Steuermann am Boden per Datenlink zugewiesen, mit einem Sprengkopf, dem Warhead der Kampfdrohne, angegriffen. Zur zügigen Herstellung und Lieferfähigkeit hat der ehemalige Offizier nun mit der Firma „Stark" ein zweites Start-up aufgelegt - die Finanziers vor allem aus der amerikanischen Tech-Szene und etliche Wagnis-Kapitalgeber standen Schlange. Auch der deutsch-amerikanische Investor Peter Thiel, der einst PayPal gegründet hat und als Geldgeber hinter der Firma Palantir steht, hat Gefallen an Quantum gefunden.

Damit ist das Fluggerät zu einer neuartigen Waffengattung gereift, die die Kriegsführung von einst längst in die Zukunft katapultiert hat. Und nicht mehr allein die Amerikaner mit den Herstellerfirmen Anduril und SpaceX oder die Israelis mit SpearUAV für Drohnen-Schwärme sind technologisch führend, sondern auch Quantum Systems in Deutschland.

Aufgeschlossenheit für militärische Projekte steigt

Das Unternehmen beschäftigt im Landkreis Starnberg mittlerweile gut 220 Mitarbeiter und will bis Jahresende auf 350 Spezialisten anwachsen. Die Geschäfte laufen so gut, dass Seibel der Ukraine unlängst sogar 100 seiner Trinity-Drohnen geschenkt hat. Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko nutzt sie seit diesem Jahr verstärkt, um Schäden an der Infrastruktur seiner Stadt zu detektieren und zu kartieren. Aber auch taktische Aufklärungsdrohnen gehören zum Trinity-Paket, die den Truppen an der Front Echtzeitbilder liefern und ein Gebiet von gut 700 Hektar Größe abdecken kann.

Zur deutschen Zeitenwende gehört nun auch, dass derlei junge Start-ups endlich in der Breite auch von der Regierung unterstützt werden. „Regierungsaufträge“, hat Seibel gemerkt, sind das A und O für Erfolg. Sie sorgen für Aufmerksamkeit und Folgeaufträge. Bislang galten derlei Innovationen im friedliebenden Deutschland als Bastard im Angebotskatalog - man sprach nur ganz insgeheim über das Firmengeheimnis, um niemanden zu verschrecken.

Seit der vergangenen Sicherheitskonferenz scheint sich plötzlich im Berliner Regierungsviertel eine neue Aufgeschlossenheit zu verbreiten. Selbst frühere Kriegsdienstverweigerer wie Toni Hofreiter von den Grünen scheuen sich nicht mehr, Waffensysteme offen beim Namen zu nennen - und wissen mittlerweile genau, welche neuen Rüstungstechnologien im Krieg zum Erfolg führen werden. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) fordert, mehr Forschungsmittel und Finanzierungszusagen bereitzustellen. „Warme Worte kosten nichts“, kritisierte BDI-Chef Siegfried Russwurm, doch sie brächten jungen Start-ups leider keine Aufträge ein - und somit keine Sicherheit wirtschaftlich zu bestehen.

Nach dem Willen von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sollen deshalb künftig Unternehmen in strategische Planungen der Bundeswehr und Nato mit einbezogen werden - Generalinspekteur Carsten Breuer hat dies in München angekündigt. Es geht um dringend erforderliche Neuerungen und vor allem mehr Beschaffungstempo.

Investitionsbank soll Waffentechnik fördern

Für börsennotierte Tanker wie die Firma Rheinmetall oder Airbus ist es natürlich viel leichter, einen Zahn zuzulegen. Nirgendwo sonst auf der Welt sprudeln plötzlich die Rüstungsausgaben so sehr wie in Europa. Die Folge für kreative junge Start-ups ist eine Fehl-Allokation. Das hat sogar das Finanzministerium erkannt. Christian Lindner (FDP) fordert deshalb, die Europäische Investitionsbank (EIB) solle in Zukunft auch Rüstungsprojekte mit Kapital versorgen. Bislang ist dies nicht vom EIB-Mandat gedeckt.

Quantum Systems derweil hat sich bestens etabliert. So sehr, dass die Firma jetzt sogar bis nach Australien in den asiatisch-pazifischen Raum expandiert hat. In Redbank in Queensland ist Anfang März eine Produktionsstätte eröffnet worden. In den USA sitzt die Filiale in Moorpark in Kalifornien. Seibel und seine Mitarbeiter werden erheblich zur Verteidigungsfähigkeit nicht nur Deutschlands beitragen, sondern international.

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Peter Schubert

Peter Schubert ist stellv. Chefredakteur und schreibt seit November 2023 bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Immobilienthemen. Er hat in Berlin Publizistik, Amerikanistik und Rechtswissenschaften an der Freien Universität studiert, war lange Jahre im Axel-Springer-Verlag bei „Berliner Morgenpost“, „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ sowie „Welt Kompakt“ tätig. 

Als Autor mit dem Konrad-Adenauer-Journalistenpreis ausgezeichnet und von der Bundes-Architektenkammer für seine Berichterstattung über den Hauptstadtbau prämiert, ist er als Mitbegründer des Netzwerks Recherche und der Gesellschaft Hackesche Höfe (und Herausgeber von Architekturbüchern) hervorgetreten. In den zurückliegenden Jahren berichtete er als USA-Korrespondent aus Los Angeles in Kalifornien und war in der Schweiz als Projektentwickler tätig.

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