Politik

Bundestagswahl 2025 bei den Grünen: Habeck, Baerbock oder keine(r)?

Lesezeit: 3 min
15.04.2024 14:04
Die Debatte über die Spitzenposition bei den Grünen ist entbrannt. Doch bislang ist nicht einmal klar, ob die Partei bei der nächsten Bundestagswahl überhaupt einen Kanzlerkandidaten ins Rennen schickt.
Bundestagswahl 2025 bei den Grünen: Habeck, Baerbock oder keine(r)?
Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, und Außenministerin Annalena Baerbock duellieren sich um die Spitzenpositionen bei den Grünen. (Foto: dpa)
Foto: Bernd von Jutrczenka

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Politik  

Anderthalb Jahre vor der nächsten Bundestagswahl gehen die Spekulationen los: Mit wem gehen die Grünen in den Wahlkampf? Der von vielen als Favorit gehandelte Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck wiegelte am Wochenende ab. „Annalena Baerbock und ich tun in der Bundesregierung alles, um für die Sicherheit und Freiheit unserer Republik zu arbeiten“, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Davon leitet sich unser konkretes Handeln, die tägliche Arbeit ab. Was sicher nicht dazugehört, ist, um uns selbst zu kreisen.“

Auf die Frage, ob die Grünen im kommenden Jahr überhaupt einen Kanzlerkandidaten ins Rennen schicken werden, beschied er: „Wir werden alles zur rechten Zeit entscheiden, jetzt steht diese Debatte nicht an.“

Habeck kanzlert, Baerbock reist

Es war eine möglicherweise dringend benötigte Klarstellung, denn die Lust auf (mehr?) Verantwortung ist Habeck seit ein paar Monaten an der Nasenspitze anzusehen. Eine staatstragende Videobotschaft folgt der anderen. Habeck erklärt, plädiert und - wie er es selbst gern nennt - entwirrt und sortiert die öffentliche Debatte, ob in seinem Video nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel, den Gedanken zum Jahresausgang oder seiner Osterbotschaft. Kurzum: Habeck kanzlert.

Das Formtief mit dem monatelangen Ringen um das ungeliebte Heizungsgesetz und dem überaus zähen Abschied von seinem schon längst nicht mehr tragbaren Top-Mitarbeiter Patrick Graichen im vergangenen Jahr liegen hinter Habeck. Der Ausbau der erneuerbaren Energien läuft, beim Klimaschutz sieht es besser aus. Gefährlich könnte dem Minister aber die maue Wirtschaftslage werden.

Annalena Baerbock als zweite ernsthafte Anwärterin für die Pole-Position im kommenden Wahlkampf tut ihrerseits, was sie immer tut: Die Außenministerin reist in irrer Geschwindigkeit durch die Welt, auch immer wieder nach Israel. Seit Ausbruch des Gaza-Kriegs ist sie noch präsenter geworden, auch mit ihren Bemühungen um die arabischen Staaten. Wie Habeck macht sie ihren Job als Ministerin. Anders als er verzichtet sie auf Auftritte als nebenberufliche Welterklärerin.

Mehr Rückhalt in der Basis für Habeck?

Es gibt Grüne, die die Sache wegen Habecks Zugriff auf den Vizekanzler-Posten nach der Wahl 2021 für längst entschieden halten - wenn auch nicht im formalen Sinne, da ist noch alles offen. Und in der Tat, die eigentlich inoffizielle Funktion gewährt ihm ein Gewicht, auf das er sich als einfacher Minister nicht berufen könnte: Er koordiniert die Arbeit der grünen Ministerien und verhandelt bei internen Konfliktthemen wie dem Asylrecht und der Bezahlkarte für Flüchtlinge mit.

Nicht wenige haben den Eindruck, der interne Rückhalt für Habeck sei größer. Was aber auch daran liegen könnte, dass Team Habeck bei den Grünen gerade lautstärker unterwegs ist als Team Baerbock. Allerdings wittert selbst eine Grüne, die beide mit politischer Distanz betrachtet, ein stilles Einvernehmen: Die beiden Konkurrenten kämen gerade auffällig gut miteinander zurecht, gibt sie zu bedenken. Was nur bedeuten könne, dass die Frage längst im Sinne Habecks geklärt sei.

Das klingt im Umfeld Baerbocks allerdings ganz anders. Dort heißt es vielmehr, man wolle am vor zweieinhalb Jahren vereinbarten Verfahren zur Kandidatenaufstellung festhalten. Im September 2022 hatte der Vorstand entschieden, dass die Partei-Basis bei einer Urwahl entscheiden solle, falls es mehrere aussichtsreiche Kandidaten geben sollte.“ Das hatte auch Grünenchefin Ricarda Lang zuletzt betont.

Einen solch öffentlich ausgetragenen Machtkampf will die Parteiführung allerdings unbedingt vermeiden, man fürchtet Schaden für den unterlegenen Kandidaten. Jemand, der bereits beim letzten Bundestagswahlkampf im Umfeld der Parteispitze dabei war, meint: „Egal, für welchen Kandidaten oder welche Kandidatin man sich am Ende entscheidet: Beide werden im Wahlkampf als Team eine herausragende Rolle spielen müssen.“

Frage der grünen Kanzlerkandidatur entscheidet sich nach Europawahl

Ob die ganze Diskussion irgendeine Bedeutung hat, ist eine andere Frage. In den Umfragen pendeln die Grünen zwischen 13 und 15 Prozent, also ziemlich genau auf dem Niveau des letzten Bundestagswahl-Ergebnisses. Die Frage, ob die Grünen überhaupt einen Kanzlerkandidaten in den Wahlkampf schicken, soll sich nach der Europawahl im Juni entscheiden - und hier lassen die Umfragen wenig Gutes vermuten.

Nach mehr als zwei Regierungsjahren im unerquicklichen Ampel-Korsett mit SPD und FDP haben die Grünen viel von ihrem Glanz eingebüßt. Die historische Chance der Bundestagswahl 2021, als die Grünen nach sechzehn Oppositionsjahren unverbraucht und mit dem Rückenwind großer Klima-Demos in den Wahlkampf zogen, kommt so schnell nicht wieder.

Denn die meisten Bürgerinnen und Bürger nehmen die Grünen nicht als die pragmatische, kompromissbereite Kraft der Mitte wahr, als die sie selbst sich gern sehen. Regulierungswütig, abgehoben, in Teilen „ausgesprochen unsympathisch“ kommt die Partei nach einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach für die FAZ rüber. „Das Engagement für klassische grüne Ziele stabilisiert den Kern der Anhängerschaft, führt aber zu einer Entfremdung von der großen Mehrheit“, schrieb Allensbach-Geschäftsführerin Renate Köcher. Im Gegensatz zu SPD und FDP haben die Grünen eine stabile Basis treuer Stammwähler. Doch wenn es klappen soll mit dem Kanzleramt, wird das nicht reichen.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Zu Weihnachten Zukunft schenken

Gerade zu Weihnachten wünschen sich viele Menschen, etwas von ihrem Glück zu teilen und sich für diejenigen zu engagieren, die es nicht...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Quiet Quitting: Der stille Job-Rückzug mit gefährlichen Folgen
22.12.2024

Ein stiller Rückzug, der Unternehmen erschüttert: Quiet Quitting bedroht die Substanz deutscher Betriebe. Warum immer mehr Beschäftigte...

DWN
Technologie
Technologie DWN-Sonntagskolumne: Künstliche Intelligenz Hype Cycle - Zwischen Revolution und Enttäuschung
22.12.2024

Ist künstliche Intelligenz nur ein Hype oder der Beginn einer Revolution? Zwischen hohen Erwartungen, Milliardeninvestitionen und...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Psychische Gewalt am Arbeitsplatz: Ursachen, Folgen und Lösungen
22.12.2024

So können Unternehmen gegen verbale Übergriffe aktiv werden- Beleidigungen, Drohungen und Beschimpfungen: Rund ein Drittel der...

DWN
Finanzen
Finanzen Kindergeld beantragen: Tipps und wichtige Infos für 2025
22.12.2024

Wussten Sie, dass Sie Kindergeld bis zu sechs Monate rückwirkend erhalten können? Dies gilt sowohl für Ihr erstes Kind als auch für...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Märchen vorbei? Steht Deutschlands Automobilindustrie vor dem Aus?
22.12.2024

Volkswagen in der Krise, Mercedes, BMW & Co. unter Druck – und hunderttausende Jobs stehen auf dem Spiel. Wie kann der Kampf um...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Credit Suisse-Debakel: Ausschuss sieht Schuld bei Bank
22.12.2024

Die Nervosität an den Finanzmärkten war im Frühjahr 2023 groß - drohte eine internationale Bankenkrise? Für den Schweizer...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Der Volkswagen-Deal: Worauf sich VW und die IG Metall geeinigt haben
22.12.2024

Stellenabbau ja, Werksschließungen nein: Mehr als 70 Stunden lang stritten Volkswagen und die IG Metall um die Sparmaßnahmen des...

DWN
Technologie
Technologie Webasto-Geschäftsführung: „Der Einsatz von KI ist eine strategische Notwendigkeit“
22.12.2024

Angesichts des wachsenden Drucks durch die Transformation hin zur Elektromobilität und steigender Kosten in der Branche sprechen Markus...