Unternehmen

Insolvenzrekorde im März: Nachwehen der Coronahilfen

Deutsche Unternehmen klagen aktuell viel über die Umstände – und die Unternehmensinsolvenzen sind auch auf Rekordniveau. Ein Grund hierfür sind auch die vergangenen Coronahilfen, die viele Unternehmen gestützt haben und die ohne diese nicht hätten überleben können. Dabei sind jedoch nicht unbedingt diejenigen Branchen betroffen, die derzeit am lautesten jammern.
17.04.2024 15:19
Lesezeit: 2 min
Insolvenzrekorde im März: Nachwehen der Coronahilfen
Die Insolvenzrekorde im März: Die Nachwirkungen der Coronahilfen sind jetzt spürbar (Foto: dpa). Foto: Bernd Weissbrod

Im aktuellen Insolvenztrend des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) hat die Anzahl der Firmeninsolvenzen in den ersten drei Monaten dieses Jahres neue Rekordhöhen erreicht. Allein im März 2024 mussten 1.297 Firmen in Deutschland Insolvenz anmelden. Seit Beginn dieser Erhebungen im Jahr 2016 noch nie so viele Firmenpleiten in einem Monat. Bereits im Februar mussten 1.193 Firmen Insolvenz anmelden (+ 18,1 Prozent zum Vorjahresmonat) anmelden. Dieser Wert wurde jetzt im März nochmals um 9 Prozent übertroffen.

Damit liegt das Ergebnis im März um 35 Prozent höher als im März 2023 und um 30 Prozent höher als im Durchschnitt der Märzmonate von 2016 bis 2019. Ein Vorbote kommender Insolvenzen ist dabei immer die Zahlungsmoral der Unternehmen. Diese ist so schlecht wie seit 15 Jahren nicht mehr.

Künstliche Lebenserhaltung durch Coronahilfen

Nach Angaben der Forscher liegen die Ursachen für die gestiegenen Insolvenzen insbesondere in den stark gestiegenen Kosten für Löhne, Zinsen und Energie. Laut Insolvenzforscher Steffen Müller vom IWH können viele Geschäftsmodelle nur unter Annahme von niedrigen Zinsen bestehen. Seit dem Anstieg der Kosten ab 2022 sei deshalb für viele von ihnen die Kalkulation nicht mehr aufgegangen.

Auch der Fachkräftemangel stelle ein ernsthaftes Problem dar. Allerdings sei eine Vielzahl der Insolvenzen jetzt auch als Spätfolge der Corona-Pandemie zu verstehen. Durch die Coronahilfen wurden viele Unternehmen unterstützt, die bereits am Rande der Unproduktivität waren und jetzt unter den schwierigen Rahmenbedingungen nicht mehr existieren können. Insofern handelt es sich auch um eine nachgeholte Corona-Insolvenzwelle, so Müller weiter. Durch die vielzähligen Unternehmenshilfen und eine Lockerung des Insolvenzrechts während der Pandemie gab es während dieser Zeit relativ wenig Insolvenzen.

Bau und Immobilien besonders stark gebeutelt

Die mit Abstand meisten Insolvenzen treffen die Bau- und Immobilienbranche, wobei besonders viele Bauträger in die Insolvenz gegangen sind. Hier sind die Insolvenzen im Vergleich zu 2020 um 148 Prozent gestiegen im Gewerbeimmobilienbereich. Die Branche kämpft mit einbrechender Nachfrage nach Büroräumen und den hohen Zinsen. Das Bauwesen verzeichnet einen Anstieg von 353 Insolvenzen im 1. Quartal 2020 auf 510 im 1. Quartal 2024 gestiegen.

Hingegen verzeichnet die Industrie nur einen leichten Anstieg um 5 Prozent. Auf 339 Insolvenzen. Sowohl das Transportwesen als auch die Industrie sind also nicht in dem Maße von den aktuellen Insolvenzen betroffen, obwohl sich gerade diese Branchen über die besonders schwierigen Rahmenbedingungen in jüngster Zeit beklagt haben.

11.000 Beschäftige durch die großen Insolvenzen im März betroffen

Das IWH gab bekannt, dass von den 10 größten Unternehmensinsolvenzen im März insgesamt 11.000 Beschäftigte betroffen sind, genau so viele wie von den Insolvenzen im Februar betroffen waren. Die Werte liegen allerdings um ca. 42 Prozent höher als in Vergleichsmonaten vor der Corona-Pandemie. Aufgrund des akuten Fachkräftemangels kommen die Betroffenen jedoch schnell wieder im Arbeitsmarkt unter, so Müller weiter.

Auch schätzen Experten, dass sich die Lage bei den Insolvenzen in den kommenden Monaten wieder bessern wird. Dabei wird erwartet, dass auch der April nochmals ein Monat mit vielen Insolvenzen werden wird und sich die Lage danach beruhigen wird. Die nachgeholten Corona-Insolvenzen werden dann rückläufig sein und zusätzlich zeigen sich auch neue konjunkturelle Impulse.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

 

DWN
Politik
Politik Regierung plant weiter die Energiewende mit einer Grüngasquote: Mehr Umweltschutz und mehr Kosten für Industrie und Verbraucher
26.11.2025

Die schwarz-rote Regierung plant eine Quote, um die schleppende Wasserstoffwirtschaft und Energiewende in Deutschland weiter...

DWN
Politik
Politik Bündnis Sahra Wagenknecht: AfD unterstützt Neuauszählung der Bundestagswahl
26.11.2025

An gerade mal 9.500 fehlenden Stimmen scheiterte im Februar der Einzug des BSW in den Deutschen Bundestag. Seitdem fordert die Partei eine...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Insolvenz bei GOVECS – das Ende der elektrischen Schwalbe
26.11.2025

Das Münchner Unternehmen Govecs stellt unter dem Namen der in der DDR populären Moped-Marke seit einigen Jahren Elektroroller her. Nun...

DWN
Politik
Politik Chatkontrolle: EU-Staaten setzen auf freiwillige Maßnahmen statt Pflichtkontrollen
26.11.2025

Die EU ringt seit Jahren darum, wie digitale Kommunikation geschützt und zugleich besser überwacht werden kann. Doch wie weit sollen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Schwarz Group plant Lidl-Rechenzentrum: Milliardenprojekt für Deutschlands KI-Infrastruktur
26.11.2025

Die Großinvestition der Schwarz Group verdeutlicht den wachsenden Wettbewerb um digitale Infrastruktur in Europa. Doch welche Bedingungen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Jobs wandern nach Südamerika: Faber-Castell will 130 Stellen in Deutschland streichen
26.11.2025

Hohe Kosten und eine schwache Nachfrage: Der fränkische Schreibwarenhersteller will Fertigung nach Südamerika verlagern und dafür...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Covestro-Überrnahme genehmigt: Abu Dhabi wird vom Ölreich zum Chemieriesen
26.11.2025

In Abu Dhabi gilt die Chemieindustrie als Zukunftsmodell. Zentraler Baustein der Vision: Die Übernahme des Leverkusener...

DWN
Politik
Politik Nach AfD-Einladung: Deutsche Bank kündigt "Familienunternehmer" den Mietvertrag
26.11.2025

Der Verband „Die Familienunternehmer“ lädt einen AfD-Politiker ein. Daraufhin beendet die Deutsche Bank einen Mietvertrag. Der Verband...