Politik

Drohnen als neue Art der Kriegsführung - die Bundeswehr tut sich schwer damit

Lesezeit: 6 min
21.04.2024 08:10
Die Angriffe des Iran und die Verteidigung Israels haben endgültig deutlich gemacht, dass Kriege nicht mehr im Schützengraben geführt werden. Drohnen und Luftabwehrsysteme sind für die Landesverteidigung unverzichtbar. Deutschland gibt sein Geld weiter lieber für Fregatten und Panzer aus, die Zeitenwende scheint auch in der Spitze der Bundeswehr noch nicht vollzogen.
Drohnen als neue Art der Kriegsführung - die Bundeswehr tut sich schwer damit
Boris Pistorius (SPD), Verteidigungsminister, mit Carsten Breuer, Generalinspekteur der Bundeswehr, bei der Pressekonferenz zur künftigen Struktur der Bundeswehr (Foto: dpa).

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Die Lage auf dem Gefechtsfeld ist seit jeher einigermaßen verwirrend. Es war tatsächlich die CDU, die den Wehrdienst in Deutschland abgeschafft hat und seither größte Schwierigkeiten hat, bei den Wählern Vertrauenswürdigkeit auszustrahlen und beim Ruf nach mehr Verteidigungsanstrengungen zu punkten. Ausgerechnet die Düsseldorfer liberale Verteidigungsexpertin Agnes Strack-Zimmermann reüssiert seit zwei Jahren in Talkshows als Scharfmacherin gegen Putin, während sich ehemalige Generäle dort anfänglich als die größten Bedenkenträger entpuppt haben. Putins Krieg hat fast alles durcheinander gewirbelt, alte Gewissheiten ad absurdum geführt und scheinbar ewige Wahrheiten des friedlichen Zusammenlebens auf den Kopf gestellt.

Die Angriffe auf Israel mit einem Drohnenschwarm stellen nun plötzlich infrage, wie wir uns in Zukunft eigentlich am besten verteidigen sollten. Mit Panzern, Wehrpflichtigen im Schützengraben und Fregatten auf der Ostsee? Der Himmel über der Ukraine und dem Nahen Osten ist voller Drohnen, Cruise Missiles und Raketen. Die einen nutzen sie für Angriffszwecke, die andere Seite für Aufklärung und Abwehr. Russlands Truppenverbände sitzen derweil im Graben fest und kommen genauso wenig voran wie die zahlenmäßig unterlegenen Ukrainer in die Vorwärtsverteidigung. Stattdessen hat die Ukraine immerhin aber mit Seedrohnen die russische Schwarzmeerflotte weitgehend erfolgreich aus dem Schwarzen Meer vertrieben. Immer häufiger gehen auf russischem Territorium Raffinerien und für den Nachschub strategische Ziele in Flammen auf.

Der Angriff des Irans und die Lehren für uns

Alle fragen sich nun plötzlich, was denn wäre, wenn die Ukraine einen Iron Dome hätte wie Israel? Auch in den USA haben die Bilder vom Funkenregen über Jerusalem zu neuen Diskussion im US-Kongress gesorgt. Zeichen der Empathie für die ukrainischen Truppen, die verzweifelt um Munition betteln müssen? Doch auch in Deutschland sollte allmählich die Frage erörtert werden, wofür investieren wir eigentlich unser Steuergeld und unsere eisernen Kapitalreserven?

Ein Blick zurück in die grauen Vorzeiten vor nicht mal fünf Jahren verdeutlicht die Verwirrung: Im Dezember 2019 noch, lange vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine, hat der Deutsche Bundestag mit großer Mehrheit den Antrag zum „Schutz der Bundeswehr durch die Beschaffung von bewaffneten Drohnen" abgelehnt. Ausgerechnet die damaligen Oppositionsparteien AfD und FDP hatten ihn im Parlament eingebracht - die Experten im Verteidigungsausschuss legten ihren Parteienvertretern schon deshalb entrüstet die Ablehnung ans Herzen.

Heute würde sich die AfD wohl nicht mehr für Waffenkäufe stark machen oder aus Oppositionstaktik dazu verleiten lassen - schließlich richtet sich doch die Verteidigungslinie zweifelsfrei wieder gegen Russland. Stattdessen sind bei Grünen und SPD vereinzelt aus Pazifisten wahre Waffenexperten geworden. Erwähnt sei hier nur Anton Hofreiter von den Grünen. Und vielleicht auch der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil, der seine Herkunft aus einem Bundeswehrhaushalt nicht mehr verschweigt. Gerne verweist Klingbeil auf den Kanzler und beschwört die von Olaf Scholz im Februar 2022 ausgerufene Zeitenwende. Und tatsächlich ist es ja plötzlich die SPD, die mit Boris Pistorius einen allseits geschätzten Verteidigungsminister stellt, der sich glaubwürdig und im Klartext um Reformen auf der Bonner Hardthöhe und dem Berliner Bendlerblock bemüht. Viele Parlamentarier ahnen freilich, dass der Umbau der Bundeswehr viel grundsätzlicher ausfallen wird, als den Beharrungskräften innerhalb des Verteidigungsministeriums es lieb ist. Pistorius hat bisher erst wenige Widerstände überwunden.

Wer bremst Reformen bei der Bundeswehr aus?

Mittlerweile drängt sich deshalb immer mehr die Frage auf, wo eigentlich die wahren Bremser und Blockierer sitzen - tatsächlich nur auf dem linken Flügel von SPD und Grünen? Oder doch vielleicht auf den langen Fluren der militärischen Führung? Im Beschaffungsamt der Bundeswehr sicherlich. Auf der Hardthöhe, wo immer noch der Kern des Ministeriums ausharrt. So muss auch Carsten Breuer, der Generalinspekteur, sich immer häufiger kritischen Einschätzungen von Militärexperten und ehemaligen Offizieren erwehren, ob er die richtigen Prioritäten setzt. Für Corona-Zeiten war er der richtige Mann. Ist er es auch jetzt in Kriegszeiten?

Wo sind die Drohnen-Bataillone, wo stehen die Counter-UAV-Verbände (Unmanned Aerial vehicles), fragte jüngst Marco Seliger in der Schweizer „NZZ". Ein Thinkthank der Streitkräfte wird vermisst, nirgends wurden Schlussforderungen aus dem bisherigen Kriegsgeschehen gezogen. Die Kollegen aus Zürich vernehmen stattdessen nur „PR-Phrasen" aus dem Bendlerblock. Es bestehe innerhalb der Bundeswehr eine „Diffusion der Verantwortung", die schnellstmöglich verdampfen müsse. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz von Breuer und Pistorius zur Strukturreform, hat Deutschlands oberster Soldat lieber über seine Sanitätstruppen und Logistikprobleme räsoniert. Breuer ist dabei sogar mit der eigenartigen Begründung in die Öffentlichkeit getreten, dem Heer sei die Eingliederung neuer Einheiten nicht zuzumuten. „So wird Deutschland nicht kriegstüchtig", so die Überschrift zu Seligers Kommentar.

Handelsübliche Kleinstdrohnen - zum Üben

Oder sind die Bundeswehrpläne einfach Verschlusssache und streng geheim? Die Fraktion der Unionsparteien im Bundestag hat unlängst bei einer Kleinen Anfrage zur „Verteidigungsfähigkeit gegenüber unbemannten Systemen im Luftraum" die Erfahrung gemacht, dass nur ausweichend geantwortet wird - und in Stakkato. Im Tenor hieß es: Die Nato verteidigt Deutschland! Von weiteren Nachfragen sei bitte abzusehen, man müsse in Ruhe arbeiten. „Die Abwehr von Drohnenschwärmen ist Untersuchungsgegenstand der Fähigkeitsentwicklung." „Die Bundeswehr verfügt über handelsübliche Kleinstdrohnen zu Ausbildungs- und Erprobungszwecken. Weitere Beschaffungen werden geprüft."

Der Blick auf das inzwischen fast schon vollständig aufgebrauchte Sondervermögen der Bundeswehr von 100 Milliarden Euro, offenbart vielen Kritikern ein aus der Zeit gefallenes Verständnis von Verteidigungsfähigkeit und Kriegsführung. Das ist unlängst auch auf einer Diskussion der Clausewitz-Gesellschaft auf der Hardthöhe klar geworden. Der Verein versammelte den ehemaligen Generalstab und die ehemalige Admiralität Deutschlands und hatte mit Oberstleutnant Michael Karl vom GIDS an der Helmut Schmidt Universität in Hamburg - dem German Institute for Defence and Strategic Studies - zum Gespräch eingeladen. Karl gilt als einer der wenigen Experten im Lande, der sich mit Drohnen auskennt.

Wie Israel uns beschützt - und nicht umgekehrt

Als Referent der Führungsakademie weiß Karl wie kaum ein anderer in der Bundeswehr, wo die Möglichkeiten, Chancen und Risiken der neuartigen Militär-Technologie liegen. Aufklärung, Gefechtsfeldüberwachung bis zu präzisen Angriffen auf Truppenansammlungen, mobile gepanzerte Fahrzeuge und Schiffe auf hoher See bis zur Ausschaltung vereinzelter Kombattanten zeigen die Bandbreite der neuen Waffengattung auf. Wobei die Dynamik bei der Entwicklung rasant voranschreitet, wie insbesondere die Ukraine mit ihrem verzweifelten Streben nach innovativen Verteidigungswaffen veranschaulicht.

Miniaturisierung und Modularisierung sind in puncto Herstellung die Zeichen der Zeit, in der vor allem Israel führend ist. So sehr, dass der deutsch-jüdische Historiker Prof. Michael Wolffsohn jetzt in einem Beitrag bereits die Frage aufgeworfen hat, wer eigentlich in Zukunft wen beschützen wird und den Rücken stärkt - Deutschland Israel oder nicht eher umgekehrt?

Während früher Drohnen zu Zeiten der CIA-Anschläge in Afghanistan und dem Irak noch unbemannte Luftfahrzeuge waren, die zur Liquidierung von Terroristen eingesetzt wurden, geht es umgekehrt heute auch darum, dass so wie etwa die Huthi-Rebellen im Jemen auch Gefährder sie als günstige Massenprodukte (mit recht präziser Wirkungsweise) einsetzen können und damit die konventionelle Kriegsführung radikal verändern. Selbst Gebäude bieten kaum noch Schutz vor den Sprengsätzen, die wie Insekten über ein Ziel herfallen.

Rheinmetall und Airbus haben wenig zu bieten

Zur Gretchenfrage wird da, wie sich Staaten gegen derlei Angriffe verteidigen können, wenn Drohnen neuerdings wie im Falle des Irans massenhaft in Schwärmen eingesetzt werden? Mit teuren Luftabwehrraketen dagegen zu halten, macht ökonomisch nur wenig Sinn. Abgesehen davon, dass sich so viele Stellungen und Batterien gar nicht in Position bringen können, wie die Ausstattungsbemühungen Deutschlands mit weiteren Luftverteidigungssystemen wie den Patriots für die Ukraine zeigen. Experten sprechen von einem Game changer, seitdem im Kriegsgebiet der Ukraine von beiden Seiten täglich Hunderte oder gar Tausende von Drohnen abgeschossen werden.

Deutschland ist auf ein derartiges Kriegsszenario bislang völlig unzureichend vorbereitet. Das beweist ein Blick in die Waffenkammer, wo bis auf ein paar Heron-Dohnen nicht viel zukunftsträchtiges Equipment zur Verfügung steht. Dabei gibt es durchaus Hersteller wie etwa Quantum Systems in Bayern, die technologisch führend sind und die Bundeswehr besser ertüchtigen könnten. Rheinmetall oder Airbus hingegen, unsere großen Rüstungskonzerne im Lande, haben dergleichen nicht im Portfolio. Dennoch sind zur Zeit vor allem sie es, die aus dem 100 Milliarden schweren Bundeswehr-Sondervermögen satte Renditen für ihre Aktionäre einspielen.

Bundeswehr hofft auf Erkenntnisse einer Task Force

Ob sich dies alsbald ändert, könnte sich schon bei der nächsten Luftfahrtmesse ILA vom 5. bis 9. Juni in Berlin herausstellen, wenn es dort (auch) um Rüstungsgeschäfte geht. Man wird sehen, ob wenigstens die deutsche Luft- und Raumfahrtindustrie sowie ihr Bundesverband BDLI als Veranstalter die Zeichen der Zeit erkannt und das Thema berücksichtigt haben.

Die Hoffnung darf man nicht aufgeben: Immerhin hat die Bundeswehr inzwischen schon mal eine Task Force installiert zur Nutzung von Kleindrohnen. Und auf europäischer Ebene wird weiter an einer gemeinsamen Euro-Drohne für einen Schutzwall getüftelt. Die Experten sprechen von hoher Dringlichkeit, wenn es schon fünf nach zwölf schlägt auf der Uhr.

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Peter Schubert ist stellv. Chefredakteur und schreibt seit November 2023 bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Immobilienthemen. Er hat in Berlin Publizistik, Amerikanistik und Rechtswissenschaften an der Freien Universität studiert, war lange Jahre im Axel-Springer-Verlag bei „Berliner Morgenpost“, „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ sowie „Welt Kompakt“ tätig. 

Als Autor mit dem Konrad-Adenauer-Journalistenpreis ausgezeichnet und von der Bundes-Architektenkammer für seine Berichterstattung über den Hauptstadtbau prämiert, ist er als Mitbegründer des Netzwerks Recherche und der Gesellschaft Hackesche Höfe (und Herausgeber von Architekturbüchern) hervorgetreten. In den zurückliegenden Jahren berichtete er als USA-Korrespondent aus Los Angeles in Kalifornien und war in der Schweiz als Projektentwickler tätig.


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