Zwei Jahrzehnte nach der Osterweiterung der Europäischen Union (EU) spielen Arbeitnehmer aus den Beitrittsländern eine wichtige Rolle auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Eine Studie des ifo-Instituts Dresden zeigt, dass aktuell rund 820.000 Beschäftigte aus zehn Ländern in Deutschland tätig sind. Sie tragen wesentlich dazu bei, Engpässe in verschiedenen Branchen zu schließen.
Entgegen den Befürchtungen der Experten und Kritiker zur Zeit der Osterweiterung führte die Zuwanderung osteuropäischer Arbeitskräfte nicht zur Verdrängung einheimischer Beschäftigter. „Die Neuankömmlinge haben sich hauptsächlich in Bereichen etabliert, die bei deutschen Arbeitskräften aufgrund niedriger Löhne oder ungünstiger Arbeitsbedingungen weniger beliebt sind“, erklärt Joachim Ragnitz, stellvertretender Leiter des Wirtschaftsforschungsinstituts ifo in Dresden.
Dies zeigt laut Experten, dass die Migration innerhalb der EU nicht nur Herausforderungen, sondern auch Lösungen für den Arbeitsmarkt mit sich bringt.
Qualifikationshürden und Arbeitssektoren
Trotz der positiven Integration ist der Beitrag dieser Arbeitnehmergruppe zur Deckung des Bedarfs an hoch qualifizierten Fachkräften gering. „Viele der Zuwanderer aus den Beitrittsländern haben nicht die notwendigen Qualifikationen, um in anspruchsvolleren Berufsfeldern tätig zu sein“, fügt Ragnitz hinzu.
Statistiken des ifo-Instituts zufolge sind 48 Prozent der osteuropäischen Beschäftigten als Fachkräfte tätig, während 42 Prozent Hilfstätigkeiten nachgehen. Das durchschnittliche Einkommen dieser Arbeitnehmergruppe liegt bei 2.580 Euro monatlich – deutlich unter dem Durchschnittseinkommen aller Beschäftigten in Deutschland von 3.650 Euro. In diesem Zusammenhang gibt es auch Berichte über unzureichende Bezahlung und lange Arbeitszeiten, insbesondere bei Zeitarbeit und saisonalen Tätigkeiten.
Regionale Verteilung
Mit 65 Prozent bilden polnische Staatsangehörige die größte Gruppe unter den osteuropäischen Arbeitnehmern in Deutschland. Sie sind vor allem in Branchen wie der Bauwirtschaft, der Landwirtschaft und im verarbeitenden Gewerbe tätig. Diese halten sich vor allem in den Landkreisen entlang der deutsch-polnischen Grenze und in landwirtschaftlich geprägten Gebieten Nordwestdeutschlands auf.
In Städten wie Frankfurt am Oder erreicht ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung 12,3 Prozent.
Große Gruppen der ausländischen Arbeitnehmer
Arbeitnehmer aus verschiedenen Ländern formen die Struktur des Arbeitsmarktes. Unter den größten Gruppen ausländischer Beschäftigter finden sich neben den polnischen Arbeitnehmern auch türkische Migranten, die seit den Anwerbeabkommen der 1960er-Jahre eine bedeutende Rolle spielen. Sie sind in zahlreichen Sektoren, einschließlich Dienstleistungen und Handwerk, beschäftigt. Dabei ist die Türkei kein Mitgliedsstaat der EU. Auch rumänische Arbeitskräfte sind besonders in der Logistik, der Automobilindustrie und im Gesundheitswesen präsent.
Aus Bulgarien stammen viele Arbeitnehmer, die in der Landwirtschaft, im Baugewerbe und in der Pflege vertreten sind. Italienische Migranten, die seit Jahrzehnten in Deutschland leben, arbeiten unter anderem in der Gastronomie und im Baugewerbe. Zudem bilden Kroaten und Griechen bedeutende Arbeitnehmergruppen, die in verschiedenen Branchen beschäftigt sind.
Blick in die Zukunft
Die gegenwärtige Situation zeigt trotz Schwierigkeiten, dass die EU-Osterweiterung bestimmte Arbeitsmarktherausforderungen in Deutschland effektiv adressiert hat. Es bleibt jedoch die Frage offen, wie sich der Fachkräftemangel langfristig bewältigen lässt. Laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg stehen die osteuropäischen Arbeitnehmer vor verschiedenen Herausforderungen, darunter die Anerkennung ihrer Qualifikationen und die Integration in den deutschen Arbeitsmarkt.
Das IAB weist in seinen Studienergebnissen auf die Notwendigkeit von unterstützenden Bildungs- und Integrationsmaßnahmen hin, um die Aufnahme dieser Arbeitskräfte zu erleichtern und ihre beruflichen Chancen zu verbessern.
Internationale Perspektiven
Die Bedeutung der Arbeitsmigration wird auch in anderen EU-Ländern diskutiert. Deutschland wird dabei oft als Modellfall für erfolgreiche Integration gesehen. Doch auch hier sind die Herausforderungen groß, und die politischen sowie gesellschaftlichen Debatten über die Gestaltung der Migration und Integration sind längst nicht abgeschlossen.
Diese Entwicklungen werfen wichtige Fragen auf, die sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene weiterhin von hoher Relevanz sein werden, da sie die Wirtschaft, Gesellschaft und Politik der Mitgliedstaaten maßgeblich beeinflussen.
EU-Osterweiterung mit zehn Ländern
Die zehn Länder, die 2004 der EU beitraten, bestehen aus acht mittel- und osteuropäischen Staaten – Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Slowenien, Estland, Lettland und Litauen – sowie zwei Mittelmeerländern, Zypern und Malta.
Die Erweiterung markierte eine bedeutende Ausdehnung der EU, die nicht nur die geografische Reichweite, sondern auch die kulturelle und ökonomische Vielfalt der Union erheblich vergrößerte.