Weltwirtschaft

Automesse China 2024: Deutsche Autohersteller im Preiskrieg mit BYD, Xiaomi und Co.

Lesezeit: 5 min
25.04.2024 19:20
Bei der Automesse in China steht der eskalierende Preiskrieg bei Elektroautos im Vordergrund. Mit hohen Rabatten kämpfen die Hersteller erbittert um Marktanteile im größten Automarkt der Welt. Die deutschen Autohersteller rund um VW und BMW werden dabei zunehmend von einheimischen Anbietern wie BYD und Xiaomi verdrängt.

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Die Automesse in China, die seit Donnerstag in Peking stattfindet, zeigt eines ganz deutlich: Der Preiskrieg der Elektroauto-Hersteller im Kampf um die chinesische Kundschaft wird immer extremer. Der Elektroautomarkt im Reich der Mitte ist schwer umkämpft und von Überkapazitäten geprägt. Das Modellangebot wächst weiter rasant, was vor allem auf chinesische Hersteller zurückzuführen ist. Die Automobilmesse in Peking ist für viele Autobauer inzwischen das wichtigste Branchentreffen des Jahres.

Automesse in Peking 2024: Klarer Fokus auf E-Autos

Der chinesische Automarkt wird immer mehr von elektrischen Fahrzeugen geprägt. Auf der Messe stehen entsprechend Stromer im Fokus. Von einer Renaissance des Verbrennermotors, wie sie sich in Europa und den USA andeutet, ist in China keine Rede. „Alle sind auf der Suche nach den neuesten Technologien im Bereich Intelligenz und Elektrifizierung“, kommentierte Nio-Chef William Li.

Schon für das laufende Jahr wird erwartet, dass 40 Prozent aller verkauften Fahrzeuge in China E-Autos sein werden, berichtete kürzlich die staatliche Zeitung „China Daily. Im nächsten Jahr dürfte demnach bereits jedes zweite in China verkaufte Neufahrzeug ein Elektroauto sein. Im Reich der Mitte sind derzeit 400 Stromer (BEV: Battery Electric Vehicle) und 100 Plug-in-Hybride (PHEV: Plug-in-Hybride Electric Vehicle) von über 100 Anbietern auf dem Markt. In diesem Jahr kommen voraussichtlich 110 Neue dazu. Zum Vergleich: In Deutschland sind rund 210 BEV und PHEV im Angebot, davon etwa 90 der deutschen Autobauer.

Der Autobauer BYD dominiert den Heimatmarkt, der US-Platzhirsch Tesla wurde auf Platz Zwei verdrängt. Mithilfe staatlicher Subventionen, aber mindestens ebenso viel Erfindergeist und Arbeitseifer ist es den Chinesen gelungen, Elektroautos zu bauen, die relativ günstig sind und den Geschmack der meisten Käufer treffen.

Die deutschen Autokonzerne können sich im Luxussegment noch ganz gut behaupten, aber tun sich am Massenmarkt schwer. Dank ihrer Expertise bei Verbrennern waren VW und BMW viele Jahre lang Marktführer in China. Bei E-Autos haben hingegen Hersteller aus China eindeutig die Nase vorn. Sie sind teils schon viel länger in diesem Geschäft aktiv und profitieren von Kostenvorteilen.

Das Innovationstempo am weltweit wichtigsten Absatzmarkt für batteriebetriebene Fahrzeuge bleibt hoch und auch hier geben die Chinesen selbst den Ton an.Geschwindigkeit ist dabei der größte Trumpf, erklärt David Li, Chef des Autozulieferers Hesai. „In China werden die Dinge schneller billiger“, sagt er. „Das liegt nicht daran, dass China billig ist. Es liegt daran, dass China schnell ist.“

Chinas Elektroauto-Markt: Preiskrieg wird härter

Das Angebot wird immer größer, obwohl auch in China die Nachfrage nach E-Autos schwächelt. Es herrscht ein erbitterter Preiskrieg. „Derzeit wird Geld auf dem Markt ausgegeben, ohne dass die Möglichkeit besteht, das Geld zurückzubekommen“, sagt etwa Volkswagens China-Chef Ralf Brandstätter und spricht von einer „ungesunden Situation“. Analysten sind sich weitgehend einig, dass der Markt vor einer Bereinigung stehen dürfte.

Noch ist es aber nicht so weit. So erwartet Stefan Bratzel, Chef des Center of Automotive Management in Bergisch-Gladbach, erst im Laufe der kommenden zwei bis drei Jahre eine Konsolidierungswelle, bei der einige neue Hersteller vom Markt verschwinden könnte. „Der Preiskampf geht dem einen oder anderen an die Substanz. Diese Phase muss man überstehen.“

Zu den etablierten Herstellern gesellen sich Dutzende neuer chinesischer Anbieter, die den Markt mit technisch ausgereiften Fahrzeugen regelrecht überschwemmen. Auf den Straßen chinesischer Großstädte sind mittlerweile so viele verschiedene Elektroauto-Marken unterwegs, dass es manchmal schwerfällt, den Überblick zu behalten.

Es gibt schlichtweg zu viele chinesische Produzenten von E-Autos auf dem aktuell rückläufigen Markt. Staatliche Subventionen helfen Ihnen dabei, sich über Wasser zu halten. An der nicht gerade kleinen Liste der weniger erfolgreichen Anbieter erkennt man die Schattenseiten des chinesischen Subventionsmodells. Es gibt in China rund 200 Hersteller von E-Autos, 30 bis 40 sind in den letzten Jahren schon wieder vom Markt verschwunden. Von den aktiven machen viele horrende Verluste - Nio, Geely und der Volkswagen-Partner Xpeng sind die prominentesten Beispiele.

Da mehr Produktionskapazitäten vorhanden sind als der chinesische Markt verkraftet, steigen die Exporte. Und noch mehr neue Wettbewerber drängen auf den Markt, darunter die Smartphone-Hersteller Huawei und Xiaomi, die sich dafür mit heimischen Autobauern zusammentun. Xiaomi hat nach eigenen Angaben einen erfolgreichen Start auf dem Markt hingelegt. Der SU7, das erste E-Auto des Pekinger Konzerns, habe nur 28 Tage nach der Markteinführung bereits über 75.000 Bestellungen erhalten, teilte Unternehmensgründer Lei Jun am Donnerstag auf der Pekinger Automesse mit. Mit einem Einstandspreis von umgerechnet 28.000 Euro unterbietet es das Tesla-Einstiegsmodell Model 3 deutlich – ein geplantes Verlustgeschäft.

Chinesische Innovationen

Die heimischen Autohersteller sind jedoch nicht nur aufgrund von Subventionen so kompetitiv. Chinas führende Autobauer haben Wege gefunden, die Entwicklungszeit ihrer Fahrzeuge drastisch zu verkürzen auf etwa 18 Monate von zuvor mehr als drei Jahren, erklärt Hesai-Chef Li. Die Lidar-Sensoren von Hesai kosteten nur halb so viel wie die derzeit Gebräuchlichen. „Es ist aufgrund der Geschwindigkeit und Innovation ein billigeres Produkt“, sagt Li. „Viele Leute verstehen das vielleicht nicht ganz.“

Entscheidend ist darüber hinaus die Dominanz in der Batterieproduktion, die enorme Kostenvorteile mit sich bringt. Allein der Marktführer CATL kontrolliert 37 Prozent des globalen Marktes, auch BYD (16 Prozent) ist hier sehr stark positioniert. CATL präsentierte auf der Automesse in Peking eine neue Lithium-Eisenphosphat-Batterie (LFP) namens „Shenxing Plus“ mit einer Reichweite von mehr als 1000 Kilometern mit einer einzigen Ladung. LFP-Batterien gelten alsumweltfreundlicher als Lithium-Ionen-Batterien, weil sie komplett ohne Nickel und Kobalt auskommen. Es sei die weltweit erste LFP-Batterie mit einer solchen Reichweite, sagte der Technikchef der Elektroauto-Sparte Gao Huan. Die Sorge vor zu geringen Reichweiten schrecken zurzeit noch viele potentielle Käufer ab.

Die schnelle Markteinführung kombinieren die heimischen Hersteller mit neuen technischen Funktionen und einem Preisvorteil, den ausländische Konkurrenten nicht bieten können. „Das ist eine technologische Revolution“, sagt Wang Xun, Gründer und Chef des in Shanghai ansässigen Autodesign- und Ingenieurunternehmens Launch Design. Das gefällt vor allem der technikaffinen chinesischen Mittelschicht. Aber auch in Nordamerika und Europa expandieren BYD und Co. massiv.

„Elektrisch, intelligent und smartes Cockpit sind die Erfolgsfaktoren, auf die die chinesischen Autobauer setzen“, erklärt der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. Ein weiterer Faktor sei zudem „eine Revolution im Autobau, die von Tesla mit dem Giga-Casting, also großen Aluminium-Druckgussteilen, angestoßen wurde und die Produktionskosten ganz erheblich senkt.“

E-Autos aus China bald von der Stange?

Der Entwicklungsdienstleister Launch arbeitet unterdessen unterdessen schon an der nächsten großen Umwälzung – eine eigene Produktions-Plattform namens „Launch EV One“. Wang Xun stellt den Crossover-Prototyp potenziellen Partnern, auch ausländischen, vor, die schnell ein marktreifes Elektroauto ohne Milliardenkosten haben möchten. „Wir arbeiten daran, die Eintrittsbarriere so weit wie möglich zu senken“, sagt er. „Das wird eine weitere Art von Revolution in dieser Branche auslösen.“ Launch könnte mit seiner Fabrik in Jiangxi zu einem großen Auftragsfertiger werden, ein Börsengang ist geplant.

Hunderte von Ingenieuren und Designern arbeiten Zwölf-Stunden-Tage an sechs Tagen die Woche an diesem Plan. Prototypen stehen vor der Tür an einer belebten Straße. Überleben wird, wer schneller ist, sagt Wang. „Wir wollen auf dieser Welle reiten, statt von ihr überrollt zu werden.“

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Jakob Schmidt ist studierter Volkswirt und schreibt vor allem über Wirtschaft, Finanzen, Geldanlage und Edelmetalle.


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