Finanzen

Silberpreis erreicht Jahreshoch und knackt Marke von 30 Dollar

Lesezeit: 5 min
23.05.2024 16:10
Der Silberpreis legt im Fahrwasser der Goldpreis-Rekorde massiv zu und erreichte nun ein neues Jahreshoch. Was sind die Gründe und wie nachhaltig ist dieser Aufschwung?
Silberpreis erreicht Jahreshoch und knackt Marke von 30 Dollar
Silber wird von den Goldpreis-Rekorden mit nach oben gezogen, es gibt aber auch nachhaltere Faktoren für den Aufschwung. (Foto: iStockphoto.com/Olivier Le Moal)
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Rasanten Schrittes nähert sich der Silberpreis alten Rekorden. Silber hinkt normalerweise dem Gold etwas hinterher, das konnte man auch in den letzten Jahren beobachten. Jetzt aber hat Silber massiv nachgezogen und erreichte am 21. Mai den höchsten Stand seit mehr als zehn Jahren. Mitgerissen von der Edelmetall-Hausse und den Goldpreis-Rekorden überschritt Silber zwischenzeitlich 32 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm). Der aktuelle Siberpreis (Stand: 23. Mai mittags) notiert bei 30,60 Dollar, was 28,18 Euro entspricht.

In den letzten 12 Monaten hat der Silberpreis damit um rund 36 Prozent zugelegt, deutlich stärker als der Goldpreis mit 22,5 Prozent. Seit Jahresauftakt steht ein Plus von 34 Prozent, was fast komplett auf die explosiven Preisanstiege seit März zurückzuführen ist, und Silber zu einem der profitabelsten Rohstoffe des bisherigen Jahres macht.

Vom Bullenmarkt der Edelmetalle einmal abgesehen: Welche weiteren Gründe gibt es für diesen plötzlichen Aufschwung beim Gold des kleinen Mannes?

Silbermarkt im Rekord-Defizit

Der globale Silbermarkt steckt seit 2019 in einem Angebots-Defizit. Die Menge aus der Silberminen-Produktion, die sich in Mexiko, China und Peru konzentriert und Recycling, das circa 20 Prozent zum Gesamtangebot beisteuert, ist seit vielen Jahren niedriger als die Nachfrage, wie Daten des Branchenverbandes „Silver Institute“ zeigen. Früher oder später macht sich ein langjähriges Defizit in steigenden Preisen bemerkbar.

Die Silberminen-Produktion soll im laufenden Jahr um ein Prozent abnehmen und in einem ähnlichen Maße auch das Gesamtangebot. Die Silber-Nachfrage dürfte dieses Jahr hingegen laut Zahlen vom Silver Institute - angetrieben vom industriellen Bedarf - um zwei Prozent auf 1,2 Millionen Unzen steigen. Unterm Strich bliebe damit weiterhin ein deutliches Angebotsdefizit - stand jetzt sogar das größte Defizit seit rund 20 Jahren und das zweitgrößte aller Zeiten.

Industrielle Abnehmer suchen bereits händeringend an den Metallbörsen nach Silber und leeren die großen Lagerhäuser. Die von der London Bullion Market Association (LBMA) erfassten Lagerbestände fielen im April auf den zweitniedrigsten Stand seit Beginn der Aufzeichnungen, während die Volumina an den Börsen in New York und Shanghai nahe ihrer saisonalen Tiefststände liegen.

Solarindustrie braucht immer mehr Silber

Im Gegensatz zu Gold hat Silber tausende industrielle Anwendungen. Es ist kein reiner Vermögenswert. Die Industrienachfrage macht knapp 60 Prozent der Gesamtnachfrage aus – der physische Bedarf inklusive Investmentfonds repräsentiert 30 Prozent. Hinzu kommt noch die Schmuckbranche mit 10 Prozent.

Besonders die Bedeutung von Silber als wichtiger Bestandteil von Solarzellen sorgt für Zukunftsfantasie unter Edelmetall-Investoren und Spekulanten. Photovoltaik-Hersteller repräsentieren rund 30 Prozent des gesamten industriellen Silberbedarfs. Entscheidend ist die chinesische Solarindustrie, die satte 85 Prozent der weltweiten Produktionskapazität stellt. Die Industrienachfrage aus dem Reich der Mitte ist allein 2023 um 44 Prozent gestiegen. Dieses Jahr wird die globale Industrie laut Expertenprognosen 9 Prozent mehr Silber benötigen als im Vorjahr, die Solarbranche 20 Prozent mehr.

Der Analyst Daniel Ghali von der kanadischen Investmentbank TD Securities kommentierte dazu: „Die Silbermärkte könnten sich heute als der aufregendste Handel im Bereich der Energiewende im gesamten Rohstoffkomplex erweisen. Die Energiewende ist der Investitionszeitgeist dieses Jahrzehnts und die Auswirkungen auf Silber werden oft übersehen“, so Ghali in einer Kundennotiz, aus der das Fachportal „Kitco News“ zitiert.

Aus Anlegersicht ist das Vor- und Nachteil zugleich. Einerseits ist der Silberpreis weniger auf die Nachfrage durch die breite Masse der Investoren und Privatanleger angewiesen. Andererseits ist Silber teilweise von der Entwicklung der Weltkonjunktur und insbesonders der politisch beeinflussten Solarindustrie abhängig.

Investment- und Schmuck-Nachfrage unsicher

Ähnlich wie bei Gold widersprechen die Aktivitäten der Investmentfonds der generellen Edelmetall-Euphorie an den Börsen. Die Bestände von börsengehandelten Silber-ETFs und sonstigen Rohstofffonds sind in den letzten Monaten netto deutlich gesunken. Das dürfte vor allem an dem stark gestiegenen Silberpreis liegen, der das grau-weiße Edelmetall aus Anlegersicht zunehmend unspannend macht beziehungsweise zu Verkäufen animiert.

2023 war die gesamte physische Nachfrage rückläufig und endete auf einem Dreijahrestief. Letztes Jahr trennten sich allen voran deutsche Anleger mit minus 73 Prozent von solchen Silber-Positionen im Depot. Das lag auch an der Ende 2022 eingeführten Steuererhöhung auf Silber, das aus dem Nicht-EU-Ausland importiert wird. Innerhalb Deutschlands und der EU galt der erhöhte Mehrwertsteuersatz von 19 statt 7 Prozent bereits seit 2014.

Die Schmucknachfrage ist bei einem so hohen Silberpreis ebenfalls unsicher. Die Nachfrage nach Silberschmuck aus Asien, wo Edelmetall-Schmuck bei der wachsenden Mittelschicht generell eine viel höhere Bedeutung hat als im Westen, könnte nun unter Druck kommen. Im ersten Quartal 2024 ist die asiatische Silberschmuck-Nachfrage noch deutlich gestiegen – besonders stark in Indien, wie die im Februar um 260 Prozent erhöhten Silberimporte verdeutlichen.

Chancen und Risiken einer Silber-Investition

In der Praxis folgt der Silberpreis häufig dem Goldpreis – mit Verzögerung von wenigen Monaten bis einigen Jahren. Das macht das grau-weiße Edelmetall zurzeit auf den ersten Blick sehr attraktiv, da wir uns in einer schier unkaputtbaren Goldrally befinden. Allerdings hat Silber jetzt doch in kurzer Zeit erheblich aufgeholt, so dass das Preisverhältnis mit Gold (Gold-Silver-Ratio) nur noch 75 beträgt und nicht mehr 90 wie zu Jahresbeginn.

Dieser jüngste Anstieg des Silberpreises, der hauptsächlich auf die Erholung der Industrietätigkeit und einige der Faktoren, die den Goldpreis beeinflussen, zurückzuführen ist, hat das Verhältnis zwischen Gold- und Silberpreis näher an den Zehnjahresdurchschnitt gebracht“, schreiben Analysten der Weltbank. Der 20-Jahres-Mittelwert ist 68. Der ultra langfristige historische Durchschnitt der letzten 100 Jahre beträgt ungefähr 50 und impliziert damit immer noch ein gewisses Potential für Silber. Fakt ist aber, dass sich das Chancen-Risiko-Verhältnis einer Silber-Investition in den letzten Wochen erheblich verschlechtert hat.

Zudem ist Silber teilweise zyklisch, was in den derzeit wirtschaftlich trüben Zeiten wohl das größte Risiko eines Silberkaufs ist. Immerhin gibt es aufgrund der Jahrtausende langen Historie als bewährtes Hartgeld eine gewisse Nachfrage nach Silber als Zahlungsmittel und Parallelwährung in Krisenzeiten, aber besonders bei so großen geopolitischer Spannungen wie aktuell ist Gold immer noch der bevorzugte sichere Hafen. Auch Bitcoin, zuletzt ebenfalls mit starken Kursgewinnen, macht hier Konkurrenz.

Silber ist isoliert betrachtet nicht (mehr) billig und an der Spitze der preislichen Bandbreite der letzten 10 Jahre angekommen. Das alte Rekordhoch von um die 50 Dollar ist aus unserer Sicht im aktuell ambivalenten Marktumfeld nahezu unerreichbar. Technische Indikatoren wie etwa der RSI-Index deuten zudem darauf hin, dass Silber und Gold gleichermaßen überkauft sind und es perspektivisch zumindest in der kurzen Frist zu Normalisierungen an den Edelmetallmärkten kommen dürfte. Der Silberhandel ist nur etwas für Anleger mit starken Nerven, die Volatilität ist noch einmal erheblich höher als bei Gold.

Fazit: Wir raten Anlegern zu einer neutralen Positionierung. Eine Aufstockung von Silber-Positionen auf dem gegenwärtigen Preisniveau wird in vielen Szenarien vermutlich keine tollen Renditen bringen. Aber auch für Gewinnmitnahmen scheint momentan nicht der richtige Zeitpunkt zu sein, denn es könnte schon noch einmal deutlich nach oben gehen. Noch ist unklar, ob sich Siber über dem Wiederstandsniveau bei 30 Dollar halten kann. Grundsätzlich empfehlen wir, erst einmal die weiteren Entwicklungen in den geopolitischen Pulverfässern im Nahen Osten und der Ukraine sowie die nächste Zinsentscheidung der US-Zentralbank abzuwarten. Denn das wird die weitere Richtung des Goldpreises und somit nachgelagert des Silberpreises maßgeblich beeinflussen.

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Jakob Schmidt ist studierter Volkswirt und schreibt vor allem über Wirtschaft, Finanzen, Geldanlage und Edelmetalle.


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