Seit dem großen Flüchtlingstreck auf dem Balkan anno 2015 sind mittlerweile rund 2,1 Millionen Zuwanderer in die Bundesrepublik gelangt. Die meisten haben zwar Asylantrag gestellt, de facto wurde mit dem Zuzug der Flüchtlinge jedoch wohl der Grundstein für das Einwanderungsland Deutschland gelegt. Vielen macht dies Sorgen, währen in der Wirtschaft viele Unternehmer froh sind, aus dem Pool Arbeitskräfte zu rekrutieren. Und das scheint besser zu laufen, als von den meisten Bürgern erwartet.
Der Sonderbeauftragte der Bundesregierung für die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten zieht jedenfalls eine positive Bilanz - trotz anhaltend schwacher Konjunktur. Die Erwerbstätigenquote stieg um neun Prozent im Vergleich zum Vorjahr: 2023 waren etwa 55 Prozent der Geflüchteten erwerbstätig.
Immer mehr Ukrainer in Arbeit
Auch bei der Integration der Menschen aus der Ukraine in den Arbeitsmarkt gebe es „ermutigende Fortschritte“, ergänzte Daniel Terzenbach. Im Herbst seien nur 19 Prozent von ihnen in Arbeit gewesen, doch seitdem gelinge es immer häufiger, dass sie „aus der Arbeitslosigkeit in eine Beschäftigung wechseln“. Die zentrale Kenngröße dafür ist, wie viele Menschen im Laufe eines Monats aus der Arbeitslosigkeit in einer Beschäftigung wechseln. Und da können wir feststellen, dass sich diese Zahl binnen eines Jahres mehr als verdoppelt hat: Im April 2024 haben fast 6.800 Ukrainer die Arbeitslosigkeit hinter sich lassen können. Im Vergleich: April 2023 waren es nur knapp 2.900. Und das sei umso höher zu bewerten, da die allgemeine Lage am Arbeitsmarkt seither schwieriger geworden sei.
Dass die Beschäftigungsquote von Ukrainern insgesamt bisher nur knapp über 20 Prozent gestiegen sei, hat Terzenbach zufolge vor allem damit zu tun, dass aus dem Land immer weiter Menschen neu hier ankämen: „Aussagekräftiger ist daher die Zahl der Beschäftigungsaufnahmen. Und die zeigt übrigens auch positive Entwicklungen für Geflüchtete aus anderen Ländern wie Syrien.“ Laut dem Arbeitsmarktexperten haben im April erstmals mehr als 21.000 Geflüchtete den Einstieg in Arbeit geschafft, wenn man die Ukraine und die wichtigsten Asylherkunftsländer zusammennimmt.
Niedrigere Beschäftigungsquote als in den Niederlanden und Dänemark
Tatsächlich kommen weiterhin Menschen aus der Ukraine neu an, das ist in den Niederlanden und Dänemark derzeit nicht so. Außerdem bemüht sich Deutschland stärker darum, „Geflüchteten durch Sprach- und Integrationskurse eine Perspektive zu geben, die über eine eilige Vermittlung auf Helferjobs hinausreicht. Das dauert dann etwas länger, aber es zahlt sich nach meiner Überzeugung und auch den wissenschaftlichen Erkenntnissen nachhaltig aus.“
Herbstinitiative „Job-Turbo“ der Bundesregierung
Daniel Terzenbach, Vorstand der Bundesagentur für Arbeit, wurde im Oktober letzten Jahres zum Sonderbeauftragten der Bundesregierung für die Arbeitsmarktintegration Geflüchteter ernannt. Im Rahmen der Initiative „Job-Turbo“ sollte er Hunderttausende, die Deutsch gelernt haben, schnell in Arbeit bringen. Für ihn war es eine zentrale Aufgabe, „systematische Kontakte zwischen Menschen mit Fluchtgeschichte und Betrieben zu ermöglichen“. Dafür organisiert die Bundesagentur Veranstaltungen, um Bewegungsräume zu schaffen, etwa Jobbörsen und Jobcafés. Bis zum Spätsommer werden es insgesamt 2.500 Veranstaltungen bundesweit sein.
Viele Unternehmen beschäftigten schon Geflüchtete, „aber gerade mit Blick auf kleine und mittlere Betriebe, die noch keine Erfahrung mit Geflüchteten haben, ist so ein Kennenlernen ein wichtiger erster Schritt. Und wir können dabei gut über Fördermöglichkeiten informieren, die wir haben.“ Auch kann der Einstieg Besserqualifizierte über einen Helferjob eine gute Basis sein, um Deutsch zu lernen oder erste Jobhürden zu überwinden.
Zurück zum Billigjob anstatt qualifizierter Einstieg?
Derzeit ist es aber tatsächlich für Arbeitslose schwierig, einen Job zu finden, wie während des zweiten Lockdowns im Winter 2020/21. In Zahlen heißt das: Es gibt heute 15 Prozent weniger freie Helferstellen und 20 Prozent weniger Zeitarbeitsstellen.
Für den „Job-Turbo"–Sonderbeauftragten sind die Ergebnisse bisher besser als oft wahrgenommen. „Die Integrationspolitik hatte viel zu lernen.“ Zutreffend ist allerdings auch, dass es bisher weit weniger gut gelingt, geflüchtete Frauen in Arbeit zu bringen. Bisher arbeitet knapp nur ein Drittel der 2015 zugezogenen Frauen. Deshalb sieht er auch keinen Spielraum für Mittelkürzungen 2025 bei den Jobcentern. Außerdem hat der Anstieg der Arbeitslosigkeit schon dieses Jahr dazugeführt, dass die Regierung Mittel nachschießen musste, um die Pflichtausgaben für das Arbeitslosengeld II zu decken.