DWN: Herr Milicevic, es finden gerade die Rocking Robots in Hövelhof statt, mit dem Titel: "Roboter in ihrer natürlichen Umgebung". Was ist denn die natürliche Umgebung eines Roboters?
Mladen Milicevic: Die natürliche Umgebung eines Roboters, so wie wir das verstehen, ist überall da, wo man sich sonst nicht so sehr wohlfühlt. Insbesondere die Industrie, in der es laut, schmutzig und monoton zugeht, in der Menschen durch einen Arbeitstag jenseits der 8 Stunden enorm gefordert werden. Man spricht auch von den drei D: Dirty, Dull & Dangerous ist das Umfeld, in dem ein Roboter optimal eingesetzt werden kann und die Rocking Robots ist eine kleine Veranstaltung, die wir mit Kunden und Partnern durchführen, um die Bedienung und die Möglichkeiten der Robotik zu zeigen. Hier präsentieren wir neuste Software-Lösungen sowie den MalocherBot in unterschiedlichen Kombinationen, zeigen also Wege, mit denen unsere Kunden diese Robotiklösungen gewinnbringend einsetzen können.
DWN: In den Tech-Nachrichten sieht man jetzt immer wieder Tesla Bot und humanoide Roboter aus China. Aber was sind denn so die Roboter? Zum Beispiel der MalocherBot, den Sie bei Unchained Robotics anbieten, sieht so gar nicht menschenähnlich aus.
Mladen Milicevic: Genau. Also man kennt unterschiedlichste Roboter auch schon aus den letzten Jahren, die in der Industrie zum Einsatz kommen. Vornehmlich kennt man den 6-Achs-Knickarmroboter. Häufig sind diese Arme erst mal ohne weitere Funktionen. Solche klassischen Roboter werden von Unternehmen wie Kuka angeboten. Diese Arme können ja erst mal nichts, außer irgendwie programmiert zu werden, sodass sie bestimmte Bewegungen machen. An solche Roboter müssen entsprechende Werkzeuge montiert werden, es muss mittels eines Integrators ein gewisser Ablauf programmiert werden, den der Roboter abarbeitet und somit die ihm gestellten Aufgaben erledigen kann.
Das, was wir von Unchained Robotics mit dem MalocherBot bieten, ist das Gesamtsystem an schlüsselfertigen Lösungen. Der Roboter ist schon mit der Software und den Modifikationen ausgestattet, um bestimmte Aufgaben zu erledigen, etwa das Greifen, Verpacken und Bewegen von Kartons. Wir bieten insbesondere Palletizing Robots an. Überall, wo in der Industrie irgendwas verpackt wird und diese Verpackung dann auf die Palette geschafft werden muss, um in den Endversand gehen zu können, bietet unser MalocherBot eine umfängliche Lösung zur Automatisierung. Wir setzen zum Beispiel Kuka, Yaskawa oder andere Roboterhersteller ein, die Teil von MalocherBot sind. Der MalocherBot ist in der Robotik das, was ein nutzbarer Laptop im Elektronikhandel ist: Wir haben alle einfachen Bestandteile, Arme, Software, Hardware und Programmierung, schon im Vorfeld zusammengesetzt und mit einem einfach zu bedienendem Betriebssystem ausgestattet.
Wir sind Lösungshersteller für unsere Kunden, die schlüsselfertige Produkte für die Logistik oder die Metallverarbeitung suchen.
DWN: Jetzt gibt es immer noch sehr viele Vorbehalte, vornehmlich gegenüber KI. Doch konnte sich die künstliche Intelligenz durchsetzen, nicht zuletzt wegen ChatGPT, der mit einem anwenderfreundlichen Interface überzeugt. Bei der Robotik hat man den Eindruck, das kommt noch nicht so richtig. Können Sie ein wenig mit den Vorbehalten und den Ängsten, die vielleicht auch von KMU bestehen, aufräumen und sagen: Es besteht eine große Chance, den Arbeitsmarkt durch Robotik zu entlasten, gerade in Deutschland?
Mladen Milicevic: Ja, maximal. Bei vielen Leuten fällt derzeit der Groschen. Wir bei Unchained Robotics hatten allein im letzten Quartal 300 Kontaktanfragen von Firmen, die sich bei uns gemeldet und gesagt haben: „Mensch, wir haben ein Problem und das möchten wir gerne mit Robotern lösen.“
So viele Anfragen hatten wir noch nie. Früher war Robotik Nice-to-have, heute ist es Must-have. Durch die Ereignisse der letzten Jahre — die stete Erhöhung des Mindestlohns, COVID, Fachkräftemangel — fällt es Firmen zunehmend schwer, ihre bestehenden Aufträge zu bewältigen. Zuletzt wollen immer mehr Menschen auch ihr Arbeitspensum senken oder sehen es nicht mehr ein, am Fließband oder in der Werkhalle Aufgaben zu erledigen, die eben schmutzig, monoton und gefährlich sind.
DWN: Warum wollen diese Leute gerade jetzt aus ihrem Beruf raus?
Mladen Milicevic: Sie laufen auf Maximallast, viele kommen ihrem Aufgabenpensum gar nicht mehr hinterher. Daher ist auch die Angst vor Jobverlusten und Arbeitslosigkeit durch Roboter irreführend: Tatsächlich sind viele Berufe gnadenlos unterbesetzt, sodass Roboter dringend gebraucht werden. Das Echo, das wir aus der Industrie bekommen, lautet: „Wir kommen gar nicht mehr hinterher — was sollen wir denn anderes machen, als Roboter einzustellen?“
DWN: Und was werden jetzt so die Sektoren, die derzeit gerade in Deutschland maßgeblich von Robotik profitieren würden? Sehen wir bald Roboter auch durch Altenheime und Kindergärten flitzen?
Mladen Milicevic: Sicherlich ist der Dienstleistungssektor auch gebeutelt von dem Fachkräftemangel, sodass ich ein großes Potenzial in der Servicerobotik sehe. Aber Serviceroboter fallen nicht in unseren Bereich. Wir arbeiten mit den 3D — Dirty, Dull & Dangerous. Und das, was wir in der Industrie sehen, das sind genau diese Jobs, vor allem in der Logistikindustrie, die extrem gewachsen ist durch E-Commerce. Da sehen wir etliche Herausforderungen, vor allem in der metallverarbeitenden Industrie. Hier gibt es Aufgaben, die extrem simpel sind und für die eine menschliche Arbeitskraft nicht mehr gebraucht wird, denn ein Roboter kann optimal darauf programmiert werden und erledigt dieselbe Arbeit deutlich schneller und günstiger.
DWN: Vielleicht ist es sogar passend, dass Fachkräftemangel und die Einführung neuer Roboter zusammenfallen, es könnte eine Art Staffelübergabe gemacht werden. Doch jetzt haben wir auch den geopolitischen Aufhänger. China, USA und auch Deutschland produzieren allesamt Roboter, jetzt drängen chinesische Modelle auf den deutschen Markt. Sie meinten, deutsche Kunden achten nunmehr auf den Preis als auf die Qualität und kaufen somit lieber chinesische als westliche Roboter. Können Sie das kurz erläutern?
Mladen Milicevic: Wir sehen, dass chinesische Unternehmen wie BYD nach Deutschland drängen und hier ihre Produkte zu enorm günstigen Preisen verkaufen. Diese Entwicklung nehmen wir auch im Bereich der Robotik wahr. Das sind alles Hersteller, die seit Jahren schon in China aktiv sind, wo Robotik gefördert wird, sodass sie große Erfahrungswerte sammeln konnten. Die Chinesen wissen, was ein Roboter können muss, um in der Industrie eingesetzt zu werden. Und dann treffen wir auf den deutschen Mittelständler, der sagt:
„Ich möchte gerne automatisieren und das möchte ich auch gerne möglichst einfach hinbekommen. Aber ich weiß nicht, ob ich über einen Zeitraum von drei Jahren hinaus planen kann. Also erstens stehe ich unter Druck und zweitens weiß ich nicht, wie sich die weltpolitische Lage noch weiter verändert.
In der Regel geht es dann darum eine möglichst günstige Automatisierungslösung zu bekommen, die sich schnell rechnet. Der größte Kostenpunkt ist meist der Roboterarm, weshalb man hier mittlerweile häufig, trotz vieler Vorbehalte, auf die chinesischen Hersteller schaut. Viele Unternehmen setzen diese Modelle aber mit Erfolg ein. Warum sollte ich das nicht auch tun, um den ersten Versuch zu machen?"
DWN: Ist der Qualitätsunterschied überhaupt besonders groß?
Mladen Milicevic: Es ist ersichtlich, dass die chinesischen Hersteller von der Qualität her gar nicht so viel schlechter sind als das, was man sonst in Deutschland oder den USA bekommt. Das große Problem war in den letzten Jahren immer der Service. Wen spreche ich an, wenn ich jetzt nicht chinesischen Roboterarm habe, der dann plötzlich nicht mehr funktioniert? Häufig hängen viele Prozesse an der Automatisierung, weshalb Zuverlässigkeit enorm wichtig ist. Also brauche ich einen sehr guten Service. Das haben die Hersteller verstanden und bauen auch Servicecenter in Deutschland auf, die diesen Schub beflügeln.
DWN: Das erinnert an das Automobilunternehmen BYD, das viele Standorte in Deutschland geöffnet hat und jetzt im großen Maßstab verkaufen möchte. BYD hat allerdings ziemlich zu kämpfen, derzeit gibt es Nachrichten von verschimmelten Autos, die in deutschen Häfen stehen und nicht gekauft werden, auch sind die Sicherheitsbedenken der Käufer hinsichtlich der BYD-Fahrzeuge nicht unerheblich. Das ist das jüngste Negativbeispiel. Das Positivbeispiel wäre aber XIAOMI, das sich als kostengünstiges Elektro-Unternehmen mit hoher Qualität profilierte. Wo sehen Sie chinesische Roboter? Glauben Sie, dass sie langfristig Bestand haben werden oder ist das gerade nur ein Hype, der auf den günstigen Kosten basiert?
Mladen Milicevic: Ich glaube, die chinesischen Firmen sind gekommen, um zu bleiben. Ich glaube generell, die Robotik wird irgendwann mal eine Konsolidierungsphase durchlaufen. Bis dahin ist ein Roboterarm auch nur ein Werkzeug. Wenn ich ein iPhone kaufe, ist das ähnlich: Die Software mag zwar aus den USA stammen, dass die Hardware aber in China verbaut wurde, ist mir als Kunde erst einmal egal. Und ob das Apple MacBook bei Foxconn in China zusammengeschraubt wurde — da fragt auch keiner nach.
DWN: Sie meinten vor unserem Gespräch bereits, dass es einen Präzedenzfall gab: Chinesische Hersteller verkauften einen günstigen Roboter, dessen Software tatsächlich besser war als die vergleichbarer westlicher Produkte. Glauben Sie, dass das richtungsweisend, dass China jetzt auch noch eine bessere Qualität liefern wird als westliche Hersteller — oder ist das weiterhin ein Kopf-an-Kopf-Rennen?
Mladen Milicevic: Das wird dauerhaft ein Kopf-an-Kopf-Rennen bleiben. Ich glaube, die europäischen oder die westlichen Hersteller haben jetzt für sich verstanden, dass ein gewisser Vorsprung verspielt wurde und man weiter nach vorn gehen muss. Und genau diese Hersteller gehen jetzt ganz groß in die Kooperation mit Nvidia und den ganzen anderen Herstellern, die den KI-Hype nach vorn bringen und versuchen, ihre Software und Hardware dorthin zu optimieren. Ich glaube, in der Industrie hängen wir ein Stück weit hinterher. Doch da gibt es auch ganz viele aktive Gespräche und ich glaube, da sind die westlichen Hersteller durch ihr Netzwerk, durch die Qualität, die sie bauen und durch die Voraussicht, die sie jetzt haben, auch ein Stück weit darauf vorbereitet, nachzuziehen.
DWN: Sie sagen schon westliche Hersteller. Wo steht Deutschland gerade? Was denken Sie, kann sich NEURA Robotics zum Beispiel behaupten? Oder wird es so ein Fall wie Gigaset, das dann letztlich von iPhone und Xiaomi quasi geschluckt wird? Hat der deutsche Markt noch eine Chance?
Mladen Milicevic: Gigaset hat sehr viel Wert darauf gelegt, dass es eine lokale Produktion gibt, aber dann auch Hardware und Technologien verbaut, die wirklich nicht mit State of the Art Technologie mithalten konnten. Ich glaube, das ist eher ein Einzelfall. Der deutsche Hersteller NEURA Robotics, aber auch fruitcore robotics GmbH, die es gibt, die haben ihre Alleinstellungsmerkmale. Die haben eine Technologie, die auf die für die Zukunft ausgerichtet ist und die sich hervorragend behaupten kann. Und wo ich sagen würde, da kann man sich schon gut genug differenzieren und muss nicht nur über den Preis gehen, sondern kann etwas mitliefern, was auch den Endkunden auch davon überzeugt, den nächsten Schritt nach vorn zu gehen. Denn der derzeitige Kaufrausch vonseiten der Industrie heißt für mich nur: Es gibt immer mehr Fabriken, die immer mehr automatisieren möchten. Da haben auch innovative Firmen wie NEURA oder fruitcore eine große Chance. Und es wird aber immer noch viele Kunden geben, die auch einen höherpreisigen Roboter kaufen werden, einfach weil sie die die Herstellung aus Europa oder den USA bevorzugen und weil sie einen gewissen deutschsprachigen Service bevorzugen, den es schon seit mehreren Jahren gibt und nicht einen, der erst seit ein, zwei Jahren aufgesetzt wird.
DWN: Im Podcast meinen sie dann auch jetzt das Quartal zwei und drei. Das wird jetzt nicht unbedingt eine Zeit von großen das ich nicht Revolution oder die Zeit des humanoiden Roboters, aber es wird eine Zeit, in der sich die Spreu vom Weizen trennt bei vielen Unternehmen. Können Sie da schon ein paar Namen nennen oder ist das zu direkt?
Mladen Milicevic: Wir haben jetzt konkret keine Insolvenzen wahrgenommen und auch noch keine großen Übernahmen. Also die letzte Insolvenz mit Übernahme war die von Franka Emika durch Agile Robotics letztes Jahr. Was wir aber wahrnehmen ist, dass gerade extrem viel in diesem Integratoren Geschäft passiert. Da gibt es einige Insolvenzen und Übernahmen von Firmen, die zu traditionell gebaut haben. Da gibt es auch einige Unternehmen, die wirklich stark auf der Kippe stehen. Es brechen derzeit enorm viele Leute weg, die für die erste Generation von Robotikinstallationen gesorgt und jetzt den Anschluss verloren haben.
DWN: Wie sehen Sie die deutsche Politik? Glauben Sie, hier müsste auch mehr getan werden, um lokale Unternehmen zu schützen oder zu stärken? Oder setzen Sie eher auf einen deregulierten Markt, auf dem sich die besten Firmen herauskristallisieren werden, egal ob aus dem Westen oder China?
Mladen Milicevic: Ich bin überzeugt, dass Robotik für Deutschland genauso eine Kerntechnologie ist wie die KI. Und ich gehe davon aus, wenn wir vor allem im KI Bereich nach vorn preschen und Dinge machen, sollten wir dies auch für die Robotik fordern. Erst die Kombination von beiden wird es uns ermöglichen, dass Deutschland quasi produktiver wird und wir auch einen gewissen Wohlstand erhalten können. Wir sind auf einem Produktivitätsplateau angekommen, und allein mit menschlicher Arbeitskraft schaffen wir es nicht, dieses Plateau aufzubrechen. Zudem werden Dinge wie die Vier-Tage-Woche diskutiert, die den Arbeitsmarkt noch weiter unter Druck setzen. Wenn wir technisch nicht aufholen, werden wir wirtschaftlich den Anschluss verlieren.
DWN: Trotz der Chance durch günstige Roboter für Unternehmen wird derzeit über die De-Risking Strategie in der Bundesregierung, aber überhaupt im ganzen Westen diskutiert. Wie gefährlich ist ein Roboter, vielleicht auch in Verbindung mit KI, der aus China kommt? Wie stark kann der als Schlupfloch für Spionage auch genutzt werden?
Mladen Milicevic: In einem Roboter sind genauso Prozessoren verbaut wie in anderen Geräten auch. Ein Roboter ist heute noch nicht stark ans Internet angebunden. Aber das wollen wir ja eigentlich. Wir wollen eine vernetzte Industrie 4.0. Wir wollen Autonomie. Roboter werden zunehmend vernetzt werden, und mit einer Technologie, die aus China kommt, kann natürlich da auch ein gewisses Gefahrenmuster erzeugt werden.
DWN: Können Sie ein Beispiel nennen?
Mladen Milicevic: Rein theoretisch kann man per Remotezugriff auf einen Roboter zugreifen und seine Daten auslesen. Hier haben die Hersteller bereits die Möglichkeit zur Spionage. Viel gefährlicher ist es aber, wenn ein Roboter lahmgelegt und so der gesamte Betrieb gestoppt wird. Das neue Gesetz EU NIS 2 Cybersecurity wurde deshalb implementiert: für die Sicherheit der systemrelevanten Bereiche. Ich glaube der Bereich IT Sicherheit im Robotik Bereich muss auf jeden Fall auch weiterhin berücksichtigt werden, so einen Roboter anzuhalten und/oder in den Crash fahren ist eigentlich das Schlimmste, was in einem Betrieb und, großflächig, einer Volkswirtschaft passieren kann.
DWN: Die Fabrik steht still und die Produktion bleibt aus.
Mladen Milicevic: Genau, dann ist ein Teil unserer Produktion in Deutschland irgendwie lahmgelegt und das macht eigentlich unseren Mittelstand aus. Das Rückgrat von Deutschland ist der Mittelstand, der produzierende Mittelstand, und den lahmzulegen, das könnte schon eine richtige Gefahrenquelle sein.
DWN: Viele Leute fordern im Automobilsektor Einfuhrbeschränkungen nach Vorbild in Inflation Reduction Act (IRA) in den USA, um heimische Produktion zu schützen. Denken Sie, das wäre auch sinnvoll im Bereich der Robotik? Oder ist das auch wieder zu restriktiv?
Mladen Milicevic: Es schlagen zwei Herzen in meiner Brust und ich möchte natürlich, dass der Markt so frei wie möglich ist und wir dann die besten Entscheidungen treffen als einzelne Individuen oder als einzelne Player im Markt. Allerdings verstehe ich schon, dass man da Sorge hat vor der Einfuhr. Ganz ehrlich? Wo zieht man die Grenze? Das ehemals deutsche Unternehmen Kuka ist in chinesischer Hand und produziert unvorstellbare Mengen an Robotern, die derzeit schon in Deutschland eingesetzt werden. Will man das beschränken? Und wenn man Einfuhren chinesischer Roboter beschränkt, gilt dann dasselbe auch für japanische Roboter? Ich glaube, man tut sich keinen Gefallen. Also die Hersteller, die tatsächlich auch einen Großteil der Wertschöpfung in Deutschland oder Europa sitzen, das sind ganz, ganz wenige. Da passiert eigentlich der größte Teil in Asien und da würden wir uns keinen Gefallen mehr tun, wenn wir die mit Strafzöllen belegen oder den Import ihrer Produkte verbieten.
DWN: Betrachten wir die Situation einmal von der anderen Perspektive. Viele Firmen in Deutschland beklagen eine Abwanderung, gar ein regelrechtes Wegzerren namhafter Unternehmen oder Unternehmen durch die USA. Gibt es die Gefahr, dass die USA uns die klugen Köpfe stehlen und letztlich die Industrie?
Mladen Milicevic: Ja. Die Robotik ist allein im letzten Jahr in den USA um über 12 % gewachsen. In Deutschland lag das Wachstum im einstelligen Bereich. Die USA haben, genau wie China, verstanden, dass Robotik in Verbindung mit KI die industrielle Zukunft ihres Landes bestimmen wird. Sie planen ihre Industrie zurückzuholen und gleichzeitig zu automatisieren, deshalb wird der Braindrain auch aus Deutschland maximal gefördert. Den Gedanken dahinter finde ich sehr nachvollziehbar: Man will eine komplette Wertschöpfungs- und Lieferkette im eigenen Land haben. Das schafft Kontrolle und Sicherheit.
DWN: Jetzt gab es einen etwas müden Aufruf von Minister Robert Habeck nach „Standortpatriotismus“, deutsche Firmen sollten doch bitte in Deutschland bleiben und produzieren — geholfen hat das offenkundig wenig, sieht man etwa das Beispiel der Abwanderung von BASF nach China in den letzten Tagen. Was würden Sie sich direkt wünschen von der deutschen Politik oder von der europäischen überhaupt, um den Standort hier lokal zu stärken?
Mladen Milicevic: Schwierig zu sagen. Es ist richtig und wichtig, dass wir das Lieferketten Gesetz und wir auch mehr Transparenz hereinbekommen und wir auch einfach das Gefühl dafür bekommen, wo entsteht was und auch mit welchem CO₂ Fußabdruck? Es ist eine also schon eine massive Aufgabe, dass wir mehr Produktion nach Deutschland und Europa bekommen und dass wir hier auch selbst diese Lieferketten im Griff haben. Aber ich glaube auch, wir müssen schon ganz aktiv das Thema pushen. Wir müssen technologieoffener werden. Ich habe das Gefühl, wir verteidigen zu viel diese Automobilproduktion, die wir hier haben. Wir müssen Deutschland auch ermöglichen, ganz viele neue Dinge entstehen und bauen zu lassen, dementsprechend aber auch Förderung anbieten.
Viele Länder und Regionen in Deutschland und der EU haben vereinzelt Zuschüsse für Robotik, Fördermittelzuschüsse etwa. Das muss einfacher werden. China ist in der Robotik so groß geworden, weil es einen ganz strategisch klaren Plan gab, dass man Roboter als Kerntechnologie einsetzen will. Unsere Regierung muss die Robotik ebenfalls als Kerntechnologie anerkennen und entsprechend fördern.
Die aktuelle Diffusion aus der Forschungsförderung und der industriellen Arbeit hat einen zu starken Delay zur Folge. Da müssen wir viel schneller handeln. Und ich glaube, Deutschland hat das Potenzial dazu. Es gibt große Player wie Siemens und wir haben auch ganz viele tolle Erfolgsgeschichten hier aus der Region Ost-Westfalen, wo Milliardenunternehmen entstanden sind. Also das, was wir ganz konkret brauchen, ist einfach mehr Umsetzung.
DWN: Jetzt sind wir zur Robotik zurück. Sie meinten, dieses Jahr wird jetzt noch nicht das Jahr der humanoiden Roboter, eher der Weiterentwicklung und der Konsolidierung. Wann, glauben Sie, kommt der große Robotik-Hype, den die KI schon erlebt hat und bis heute durchläuft?
Mladen Milicevic: Die Entwicklung, die OpenAI gemacht hat, ist sehr beeindruckend. Und wir sehen, dass diese Stimmung auf die Robotik überschwappt. Die Ergebnisse, die man jetzt gerade so sieht, glaube ich, deuten sehr stark darauf hin, dass wir nächstes Jahr wahrscheinlich richtig gut laufende Prototypen in den Fabriken geben wird. Ich glaube, in den nächsten zwei bis drei Jahren wird mit einem Robotik-Hype zu rechnen sein.
Es gibt auch die Siemens AI Days, wo wir auch mit den Forschern von Google, dem MIT und anderen diskutieren. Da gibt es Foundation Models, also quasi so Grundlagenmodelle für die Roboter, wo man genau das Gleiche sieht, was eigentlich bei diesem großen Large Language Models passiert ist, nämlich: Je größer das Modell wurde und je mehr Daten wir hatten, je mehr Rechenkapazität, desto besser wurde das Modell. Und diese Entwicklung wird jetzt immer schneller vorangehen.
DWN: Also kommen erst einmal wieder größere Modelle?
Mladen Milicevic: Ja, und in der Vergangenheit war ja immer so diese Aussage: Für richtig gute KI Modelle muss man sehr spezialisiert sein, sehr spezialisierte Datensätze haben, die sehr klar auf eine Nische ausgerichtet sind. Doch es hat sich gezeigt: Je größer die Datensätze sind, desto besser kann die KI und kann der Roboter lernen.
DWN: Sehr spannend. Was würden Sie sagen — Wann kommt die Singularität? Wann hat der Roboter ein richtiges Bewusstsein?
Mladen Milicevic: Sehr philosophische Frage (lacht). Ich bin eigentlich immer noch so ein Typ, der sagt, am Ende sind es mathematische Modelle und Berechnungen, die die regelmäßig stattfinden und je größer der Speicher wird, um zu wissen, was man davor gemacht und warum man das entschieden hat, desto größer wird irgendwann das Bewusstsein. Also wenn wir quasi die Rechenkapazitäten hochrechnen und solche Modelle immer mehr an Vergangenheit orientieren und verstehen können, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Bewusstsein entsteht. Und das könnte vielleicht sogar in fünf bis zehn Jahren schon der Fall sein.
DWN: Und können Sie die pessimistischen Vorbehalte nachvollziehen gegenüber KI und Robotik? Das wird ja oft in einem Atemzug genannt. Ich glaube, die Angst ist gerade in Deutschland enorm.
Mladen Milicevic: Kulturell habe ich das Gefühl, dass man in Deutschland ohnehin Dinge kritisiert, die man nicht so richtig kennt und versteht. Ich denke, Roboter werden erst einmal eingesetzt, um zu helfen, davor sollte man keine Angst haben. Wenn eine KI dann schlauer und kreativer ist als ein Mensch, sollte man sich Gedanken machen, wo die eigene Rolle liegt. Themen wie das Menschsein, alles, was einen Menschen ausmacht, werden in den nächsten Jahren in den Vordergrund rücken und uns zunehmend beschäftigen. Der Roboter nimmt uns die Arbeiten ab, in denen wir selbst den Roboter imitieren: etwa am Fließband und beim Verschieben von Excel-Tabellen.
Warum sollte man davor Angst haben? Moderne Technologien werden nicht mehr aus unserem Leben verschwinden, doch sie werden uns als Helfer zur Seite stehen. Noch haben wir alle Möglichkeiten in der Hand, ihre Entwicklung zu kontrollieren. Es braucht daher einen positiven Optimismus, um die Forschung voranzutreiben und durch die Automatisierung lokal sowie global einen gewissen Wohlstand zu erarbeiten. Am Ende sollen wir Menschen selbst entscheiden können, wie wir unsere Welt gestalten, und Robotik und KI ebnen uns dabei den Weg.
DWN: Herr Milicevic, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
Über Unchained Robotics:
Unchained Robotics wurde 2019 von Kevin Freise und Mladen Milicevic in Paderborn gegründet. Es ist eine unabhängige Plattform, die es jedem ermöglicht, die passende Automatisierungstechnik für Fertigungsprozesse im Unternehmen zu finden. Nebenindividuell konfigurierbaren Lösungen bietet das Start-up auch Komplettlösungen an, die bereits weltweit eingesetzt werden und nun internationales Interesse geweckt haben. Seit 2019 haben bereits über 200 Kunden in Deutschland den Weg in die Robotik und Automatisierungstechnik durch Unchained Robotics gefunden. Zu den Kunden zählen internationale Konzerne, führende Forschungseinrichtungen sowie KMU.