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Warum BASF China als neuen Standort vorzieht - und bei der Ampel kein Gehör findet

Lesezeit: 3 min
29.05.2024 07:03
Im Moment geht es mit BASF nach einiger Seitwärtsbewegung wieder bergauf: Die Aktie schafft es mit einer Aufwärtsbewegung von 0,69 Prozent in das obere Drittel des Dax. Der Wert des Pfälzer Chemiekonzerns notiert aktuell mit 48,56 Euro, der Schlusskurs am Tag davor lag hingegen bei 48,22 Euro. Dennoch verlässt BASF Deutschland. Es ist ein leiser Abschied auf Raten. Die Deindustrialisierung Deutschlands schreitet voran. Fällt unsere Industrie auseinander?
Warum BASF China als neuen Standort vorzieht - und bei der Ampel kein Gehör findet
Martin Brudermüller, Ex-Vorsitzendschef von BASF. Europas größter Chemiekonzern verlagert Investitionen nach China und schließt Produktionsstandorte in Deutschland. (Foto: dpa)
Foto: Uwe Anspach

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Europas größter Chemiekonzern verlagert Investitionen nach China und schließt Produktionsstandorte in Deutschland. Diese Entscheidungen senden ein klares Signal an die Politik: Unternehmen verfolgen ihre Profite und meiden politische Risiken. Sie müssen global agieren, sich gegen Wettbewerber weltweit durchsetzen und dabei rentabel sein. Der Schlüssel, gegen Elon Musk oder Mark Zuckerberg erfolgreich zu sein, liegt in Innovationen und neuen Technologien. Die Politik spielt eine untergeordnete Rolle, denn für die Wirtschaft ist der Staat nur eine Option und nicht das Maß aller Dinge. Deshalb fließen die Investitionen von zehn Milliarden in eine neue Anlage in China und nicht nach Ludwigshafen. In China werden neue Mitarbeiter eingestellt, in Deutschland gibt es Entlassungen – trotz qualifizierter Mitarbeiter und einer langen Tradition. Der Standort ist für BASF nicht mehr profitabel.

In Deutschland nicht mehr wettbewerbsfähig

Eine verlässliche und bezahlbare Energieversorgung ist die Basis der Industrieproduktion. BASF, mit einem Energieverbrauch von 50,1 Millionen Megawattstunden im Jahr 2023, sieht sich in Deutschland nicht mehr konkurrenzfähig. Der EU-Rechnungshof warnte die Kommission davor, ihre Klimaziele zu übertreiben, um die industrielle Souveränität Europas nicht zu gefährden. Trotzdem steigen die Energiepreise weiter an, was die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands im Vergleich zu den USA oder dem Mittleren Osten mindert.

Der scheidende BASF-Chef Martin Brudermüller hat zum Abschied den Sparkurs des Chemieriesen verteidigt. Er erklärt, dass nicht die absoluten Energiepreise das Hauptproblem darstellen, sondern der Vergleich mit anderen Regionen. Deutschland rutscht wirtschaftlich ab und verliert seine Stellung als Wirtschaftsmacht.

Chemieriese kämpft mit deutschen Hürden und EU-Richtlinien

Die EU-Kommission hat mit der Chemie-Richtlinie einen weiteren Standard gesetzt, der als industriefeindlich angesehen wird. Martin Brudermüller kritisierte, dass die EU-Chemikalien verbieten, die für die Energiewende unverzichtbar sind. Diese Kritik blieb ungehört, und BASF blickt verstärkt nach China. Das Reich der Mitte bietet den größten Chemiemarkt der Welt und wächst weiter. China dominiert heute bereits 50 Prozent des globalen Chemiemarktes.

Die operative Rendite von BASF hat sich im Vergleich zu 2017 mehr als halbiert. In Deutschland belasten nicht nur die Energiekosten das Unternehmen, sondern auch Bürokratie, Sozialabgaben, reduzierte Arbeitszeiten bei steigenden Löhnen und der Fachkräftemangel. Diese Faktoren machen es für BASF schwierig, profitabel zu bleiben.

Stammsitz Ludwigshafen seit Jahren unrentabel

Als 1865 die Badische Anilin- und Sodafabrik (BASF) von Fabrikant Friedrich Engelhorn in Mannheim gegründet wurde, legte er den Grundstein für Ludwigshafen als zukünftigen Produktionsstandort und BASF-Firmensitz, der sich zum größten Chemiekonzern Europas entwickelte. Jetzt ist der Produktionskomplex in Ludwigshafen seit Jahren unrentabel, während alle anderen Regionen der Welt profitabel arbeiten. Im Jahr 2023 erzielte BASF einen Nettogewinn von 225 Millionen Euro, was nur rund drei Prozent des Nettogewinns von 2019 (8,4 Milliarden Euro) entspricht. Diese Gewinne und Dividenden erwirtschaften die Mitarbeiter des Konzerns überwiegend im Ausland.

Der Vorstand reagiert auf diese Zahlen mit drastischen Maßnahmen. Elf Produktionsanlagen in Deutschland werden geschlossen, darunter auch einige neue. Bis Ende 2026 sollen durch Sparmaßnahmen 1,1 Milliarden Euro eingespart werden. Bis Ende 2023 wurden bereits 600 Millionen Euro realisiert. Angesichts der fragilen ökonomischen Situation wird das Sparprogramm um eine weitere Milliarde Euro erhöht, was weiteren Stellenabbau und Produktionsschließungen zur Folge hat.

Klimaagenda ohne Rücksicht auf die Wirtschaft

Die Beziehung zwischen Wirtschaft und Politik sind angespannt. Martin Brudermüller war einst im Wirtschaftsbeirat der Grünen. So hat er sich die Entwicklung unter Wirtschaftsminister Habeck nicht vorstellt: Klimaagenda der Regierung, Stilllegung von Atomkraftwerken, dagegen blieben Chemie-Richtlinien, Lieferkettengesetze und Unternehmenssteuern unverändert. Brudermüller resümiert: „Die Wirtschaft dringt mit ihren Sorgen und Rufen in der Bundesregierung nicht mehr durch.“

Der Abschied von Deutschlands größten Chemiekonzern wird von der Bundesregierung in Kauf genommen – leise, still und heimlich. Insgesamt zeigt der Fall BASF, wie politische Entscheidungen und wirtschaftliche Herausforderungen den Standort Deutschland belasten und Unternehmen zu radikalen Maßnahmen zwingen. Der Verlust eines industriellen Riesen wie BASF könnte langfristige Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft haben.

Das neue zehn Milliarden Euro schwere Mega-Werk im Süden von China soll chemische Grundstoffe herstellen, die später in Hunderten Konsumgütern landen werden. 2030 soll das Riesenwerk fertig sein. Für China eine Chance gegen die Arbeitslosigkeit junger Leute. Für Deutschland könnte das der Anfang vom Ende der deutschen Chemieindustrie sein. Andere Traditionsunternehmen lagern bereits aus: Thyssen-Krupp mit einem Teilverkauf nach Tschechischen, Miele mit neuen Standorten in Polen.

Auch 37 Prozent der Mittelständler investieren, laut einer aktuellen Frühsommerumfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), lieber in neue Standorte im Ausland, weil dort die Kosten geringer sind.

Seit vielen Jahrzehnten macht die Produktion von Maschinen, Autos und Chemikalien Deutschland zu einem reichen Land. Doch jetzt wandern viele Betriebe aus, Investoren wenden sich ab. Zumindest Wirtschaftsminister Habeck wird es freuen. So kann es auch mit der deutschen Klimaneutralität bis 2045 klappen.

 

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Mirell Bellmann schreibt als Redakteurin bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Zuvor arbeitete sie für Servus TV und den Deutschen Bundestag.



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