Politik

Bildungskollaps: Zuwanderung, Unterfinanzierung, Leistungsabfall – Deutschlands Schulen am Limit!

Lesezeit: 4 min
21.06.2024 15:00  Aktualisiert: 18.06.2030 12:00
Aktuelle Studien attestieren einen rapiden Abbau der schulischen Leistung, immer mehr Jugendliche ohne Schulabschluss und eine hohe soziale Ungleichheit. Wenn diese verheerende Entwicklung so weiter geht und durch den demografischen Wandel noch verstärkt wird, droht eine neue Welle von „unqualifizierten“ Arbeitslosen. Bisher kennt die Politik nur eine Lösung, um das Bildungsdesaster zu kaschieren: Das Leistungsniveau an staatlichen Schulen weiter absenken. Warum handelt die Politik nicht und verschießt weiter die Augen? Die Folgen für „das Land der Dichter und Denker“ sind von enormer Sprengkraft.

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Es droht eine Bildungskatastrophe, denn Schul-, Migration- und Integrationspolitik versagen: 64 Prozent der Jugendlichen mit Migrationshintergrund werden wohl die Schulen ohne echte Chancen auf qualifizierte Arbeit verlassen. Ebenso rücken dringend gebrauchte MINT-Fachkräfte in weite Ferne: Der Anteil der 15-Jährigen, die so geringe Mathematik-Kompetenz ausweisen, dass sie kaum eine Chance auf einen Abschluss haben, ist binnen zehn Jahren von knapp 17,7 auf 29,5 Prozent gestiegen – eine Zunahme um zwei Drittel!

Bittere Ergebnisse: Deutsches Schulsystem kollabiert

Gerade bestätigt der nationale Bildungsbericht die fatalen Fehlentwicklungen des deutschen Bildungssystems. Ein Schulsystem am Anschlag! Immer mehr Jugendliche verlassen die Schule ohne Abschluss. 2022 waren es rund 52.300 Jugendliche, so der Bericht. Der Anteil stieg demnach auf 6,9 Prozent! Im Vorjahr lag er nach Daten des Statistischen Bundesamtes bei 6,2 Prozent und 2020 laut Bildungsbericht bei 5,9 Prozent. Im internationalen Vergleich bedeutet das: Junge Menschen im Land verlieren zunehmend den Anschluss an ihre Altersgenossen in anderen Industrieländern. Und dies immer schneller.

Unbequeme Wahrheit: Chancenungleichheit

Eine Studie des Münchener Ifo-Instituts legt den Finger in die Wunde: Die Forscher um den Bildungsökonomen Ludger Wößmann zeigen auf, dass Kinder aus sozial benachteiligten Schichten auf Gymnasien deutlich unterrepräsentiert sind. Deutschlandweit besuchen der Studie zufolge 27 Prozent der Kinder aus benachteiligten Verhältnissen ein Gymnasium, aus günstigen Verhältnissen sind es 60 Prozent.

Die Forscher konstatieren einen erheblichen Verstoß gegen die Chancengerechtigkeit, die in der Folge eine erhebliche finanzielle Ungleichheit produziert: Menschen mit Abitur im Durchschnitt verdienen monatlich netto 42 Prozent mehr als Menschen ohne Abitur.

In der Tat tut sich das deutsche Schulsystem seit Jahrzehnten schwer damit, Kinder aus sozial schwachen Schichten ausreichend zu fördern. Im Zuge der stark gestiegenen Zuwanderung wirkt das besonders negativ, wie die massiven Leistungsunterschiede zwischen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund in der letzten Pisa-Studie unterstreichen. Deshalb sind die Forderungen der Ifo-Forscher so zutreffend wie bekannt: eine gezielte Unterstützung von Eltern und Schulen in herausfordernder Lage, eine datenbasierte Sprachförderung sowie Mentoring-Programme.

MINT-Report: Bildungsbombe kann Sozialsysteme sprengen

Zusätzlich gibt es bei den Schülern dramatische Einbrüche bei dem Erwerb von mathematischen und naturwissenschaftlichen Kompetenzen – und das auf breiter Front, obwohl das eine Voraussetzung für den Erfolg des Wirtschaftsstandortes Deutschland ist. Die Grundlage dafür legt die Schule mit Unterricht in den sogenannten MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik).

Hier sieht es laut einer aktuellen Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) besonders düster aus: In den nächsten Jahren sei mit einem Rückgang qualifizierter MINT-Absolventen zu rechnen: „Für die kommenden Jahre ist besonders bedenklich, dass bei 15-jährigen Schülerinnen und Schülern in den letzten Vergleichsarbeiten die Kompetenzen in Mathematik deutlich gesunken sind“, heißt es.

Bei den Naturwissenschaften sieht es kaum besser aus. Zwischen PISA-2012 und PISA-2022 sind die naturwissenschaftlichen Kompetenzen der 15-Jährigen von 524 auf 492 Punkte und die mathematischen Kompetenzen von 514 auf 475 Punkte stark gesunken – „das schlechteste Ergebnis aller bisherigen PISA-Studien.“ Und: „Ein Rückgang der durchschnittlichen MINT-Kompetenzen lässt sich dabei sowohl an nicht gymnasialen Schularten als auch an den Gymnasien feststellen.“

Als Grund, dass die Kompetenzen der deutschen Schülerinnen und Schüler nicht höher ausfallen, wird genannt, dass es einen relativ engen Zusammenhang zwischen dem sozio-ökonomischen Status und den Lernergebnissen gibt. Durch die Zuwanderung in den letzten Jahren ist dieser Zusammenhang im Vergleich zu vorherigen PISA-Studien wieder größer geworden. So ist der Anteil der Fünfzehnjährigen mit Zuwanderungshintergrund zwischen den Jahren 2012 und 2022 von 25,8 auf 38,7 Prozent angestiegen, berichten die Wirtschaftsforscher.

Schulische Leistungen von Migranten werden schwächer

Der Anteil an Kindern aus Migrantenfamilien stieg somit um mehr als die Hälfte. Über 64 Prozent der 15-jährigen Migranten verfügen über „miserable“ Mathematik-Kenntnisse, bei den Schülern ohne Migrationshintergrund sind es nur knapp 8 Prozent. Diese Jugendlichen haben kaum eine Chance auf eine Berufsausbildung oder qualifizierte Beschäftigung.

Als zentrale Gründe macht die IW-Studie fehlende Deutschkenntnisse und einen bildungsfernen Hintergrund aus. Zugleich zeigen die Analysen des Statistischen Bundesamtes, dass der Anteil an Migranten umso stärker ansteigt, je jünger die Menschen sind – liegt er im Durchschnitt der deutschen Bevölkerung bei 26,7 Prozent, sind es bei den unter-10-jährigen über 40 Prozent.

Gerade hat eine Einschulungsuntersuchung für 2022/2023 in Berlin ergeben, dass Berliner Kinder im Alter von fünf Jahren immer schlechteres Deutsch sprechen. Wie die B.Z. berichtete, haben mehr als die Hälfte der Vorschulkinder einen Migrationshintergrund.

Seit 2013 netto über sechs Millionen Zuwanderer

Aktuell verweisen Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) und die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Christine Streichert-Clivot, auf das Startchancenprogramm von Bund und Ländern. Damit sollen ab dem kommenden Schuljahr über zehn Jahre lang bis zu 4.000 Schulen mit vielen benachteiligten Schülern gefördert werden. In Summe ist das zwar ein richtiger aber eben auch nur sehr kleiner Schritt, um Deutschland aus dem Bildungsdilemma zu holen.

Ausblick: Die schulischen Leistungen junger Migranten nehmen ab – und der Migrantenanteil an den Schulen nimmt immer weiter zu. Das Problem wird sich damit verschärfen. Lehren, Lernen und Leistung müssen wieder Priorität in der deutschen Bildungslandschaft haben. Das geht nur mit gut ausgestatteten, digitalen Schulen und ausreichend qualifizierten Lehrkräften. Unterrichtsausfall muss die Ausnahme und nicht Standard an deutschen Schulen sein.

Die grüne Partei hat da aktuell andere Prioritäten: In Sachsen-Anhalt stellte die Grüne Fraktion gerade einen Antrag „Schwitzend lernt es sich nicht gut“ für längere Sommerferien – und mehr Selbstlernzeiten. Begründung: Aufgrund der Klimakrisen werden mehr Hitzephasen erwartet, heißt es darin. So kann man die Bildungsmisere aus „linksgrüner“ Perspektive auch kaschieren. Anstatt endlich die Finanzierung und Sanierung des Bildungssystems zur Chefsache zu machen. Die Dauer-Unterfinanzierung, die Ignoranz der Probleme und die ständige Herabsetzung der Leistungsanforderungen produzieren eine verlorene Generation – auf Kosten der ganzen Gesellschaft.

                                                                            ***

Mirell Bellmann schreibt als Redakteurin bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Zuvor arbeitete sie für Servus TV und den Deutschen Bundestag.


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