Wie kann Solarstrom mit tradionellem Ackerbau verbunden werden. Nun, dafür müssen wir ersteinmal ein bisschen ausholen: Deutsche Landwirte können leicht durchatmen. Angesichts der massiven Bauernproteste hat die Bundesregierung Anfang März die EU-Vorschrift, dass Agrarsubventionsempfänger jedes Jahr mindestens 4 Prozent ihrer Ackerfläche der Natur überlassen müssen, vorerst ausgesetzt beziehungsweise abgemildert. Damit müssen Bauern rückwirkend ab dem 1. Januar 2024 für die direkten EU-Hilfsgelder keine Flächen mehr streng für Brachen, Blühstreifen oder Bäume bereitstellen. Alternativ können nun auf vier Prozent des Ackerlandes auch stickstoffbindende Hülsenfrüchtler wie Linsen, Erbsen und Bohnen und/oder Zwischenfrüchte wie Grünroggen, Buchweizen, Raps und Sonnenblumen angebaut werden – allerdings nur ohne Einsatz von Pflanzenschutzmitteln.
Pflichtbrache soll europäische Landwirte zu ökologischerem Anbau zwingen
Die Europäische Union hatte „nicht produktive“ Felder ursprünglich ab 2023 vorgeschrieben, um Agrarbetriebe zu mehr Nachhaltigkeit zu zwingen und langfristig die Bodenfruchtbarkeit zu erhöhen. Die Pflichtbrache soll zudem Rückzugsräume für vom Aussterben bedrohte Tierarten schaffen und das Risiko einer Kontaminierung des Umlandes durch Pestizide verringern. Kleinbetriebe mit insgesamt maximal 10 Hektar bewirtschafteter Ackerfläche sind nicht betroffen, ebenso Landwirte mit mindestens drei Viertel Grünflächen im aktiven Besitz.
Die hohen Getreidepreise infolge des Ukraine-Krieges veranlassten die EU dazu, das Inkrafttreten der umstrittenen Vorschrift um 12 Monate zu verschieben. Anfang 2024 sorgten dann die Proteste von Bauern und Bauernverbänden dafür, dass die EU den Mitgliedsländern eine optionale Ausnahmeregelung für ein weiteres Jahr gewährte. Von dieser machte Deutschland Gebrauch, ohne dabei, wie vorher im Landwirtschaftsministerium diskutiert, Subventionen zu kürzen und somit den Agrarunternehmen einen Anreiz zu geben, schon früher die Pflichtbrache umzusetzen.
Traditionelle Agrarwirtschaft wird zurück gedrängt
Trotz dieser Erleichterungen dürfte allein die Ankündigung der Pflichtbrache vor zwei Jahren bei vielen Ackerland-Besitzern das Fass zum Überlaufen gebracht haben. Die traditionelle Landwirtschaft steht schon seit Jahren unter Druck durch steigende Kraftstoff- und Düngemittel-Kosten, sinkende Erträge, Dürreperioden, zunehmend restriktivere Umweltschutzauflagen und den politisch forcierten Ausbau von Erneuerbaren Energien sowie Stromnetz.
Zwar gibt es in großem Stil Agrarsubventionen aus EU-Töpfen, aber diese werden zu einem Löwenanteil pauschal nach Bodenfläche ausbezahlt und kommen somit vor allem Großbetrieben zugute. Die Agrarkonzerne können sich den nötigen Verwaltungsaufwand für Subventionen und sonstige bürokratische Auflagen leisten, während immer mehr kleinere Landwirte berichten, dass die Belegschaft mitunter über die Hälfte ihrer Arbeitszeit mit dem Ausfüllen von Formularen, aufwendigen Messungen und der Entnahme von Bodenproben verbringt.
Es regt sich Widerstand. Vor allem in Bayern – welches die größte Agrarfläche Deutschlands aufweist und wo knapp ein Drittel aller landwirtschaftlichen Betriebe angesiedelt ist – kämpft man erbittert um die Erhaltung dessen, was in Bauernkreisen manchmal als „Kulturlandschaft“ bezeichnet wird. Der Tenor: Öko-Bürokraten sorgen für die Zerstörung guter Lehmböden, für die sich unsere Vorfahren vor tausenden von Jahren buchstäblich abgeackert haben. Deren harte Arbeite werde quasi entwertet, indem die fruchtbaren Flächen der Natur zurückgegeben oder bebaut werden (Straßen, Gewerbekomplexe, Wohngebiete, Stromtrassen, Windräder, Solaranlagen et cetera).
Ein Deagrarisierungs-Trend ist klar erkennbar: Laut Zahlen des statistischen Bundesamts ist die landwirtschaftliche Nutzfläche in ganz Deutschland von 1995 bis 2023 um circa 1,4 Millionen Hektar auf heute 16,5 Millionen Hektar gesunken (das entspricht immer noch 46 Prozent der Gesamtfläche des Landes von 35,8 Millionen Hektar). Zugleich hat die Siedlungs- und Verkehrsfläche um knapp eine Million Hektar zugenommen. Pro Tag schrumpft hierzulande die landwirtschaftliche Nutzfläche um 58 Hektar, während die Siedlungs- und Verkehrsfläche jeden Tag um durchschnittlich um 52 Hektar anwächst.
Nicht jeder Agrarbesitzer verkauft freiwillig zu Niedrigpreisen an die Städte und Kommunen. Aber gegen die „Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme“ (SEM), die in letzter Konsequenz sogar Enteignungen vorsieht, ist eben kein Kraut gewachsen. Größere derartige Auseinandersetzungen zwischen Bauern-Initiativen und Landesregierungen gab es in den letzten Jahren etwa im Umland von München und Wiesbaden. Brandaktuell im Zuge der Flutproblematik will Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber Landwirte enteignen, um ein Hochwasserschutz-Rückhaltebecken im Landkreis Augsburg errichten zu können.
Megatrend: Solarstrom auf Ackerflächen
Angesichts der zahlreichen wirtschaftlichen und bürokratischen Herausforderungen, die das Landwirt-Dasein so mit sich bringt, ganz abgesehen davon, dass es ein gesellschaftlich oft nicht besonders anerkannter und oft falsch verstandener Berufszweig ist, wenden sich Agrarbesitzer vermehrt alternativen Geschäftsmodellen zu. Wer sein Land nicht direkt an Investoren oder Großgrundbesitzer verkauft, könnte beispielsweise Ackerflächen an Städter vermieten oder verpachten. Unter strengen Auflagen kann in Zukunft sogar die oben erwähnte 4-prozentige Pflichtbrache vermietet werden. In kleinem Stil sind auch ökotouristische Konzepte (Bio-Hotels) interessant.
Einen regelrechten Boom erleben in letzter Zeit Solarparks auf Äckern. Dazu trugen auch die hohen Strompreise bei. Aber schon von der energetischen Ausgangslage her sind solche PV-Anlagen viel attraktiver als andere grüne Optionen. Freiflächen-Solaranlagen erzeugen laut Umweltbundesamt pro Hektar rund 40-mal mehr Strom (800 Megawattstunden) als mit Mais gespeiste Biogasanlagen (20 MWh).
Der Trend hat gerade erst begonnen. Stand 2022 waren nach Angaben des Umweltbundesamts auf lediglich rund 0,1 Prozent der gesamten landwirtschaflichen Fläche in Deutschland Solaranlagen installiert. Doch allein letztes Jahr stieg die installierte Leistung von Freiflächen-Photovoltaik-Anlagen um 101 Prozent zum Vorjahr. In den ersten vier Monaten 2024 steht ein Plus von 74 Prozent. Laut Bundesverband Solarwirtschaft machen Freiflächen-Anlagen inzwischen knapp ein Drittel der gesamten Solarkapazität in Deutschland aus. Wobei sich nicht alles auf ertragreiche Weizen- oder Rapsfelder, sondern etwa auch auf schlechtere Ackerböden, Weideland, Wiesen, Gewässer („Floating-PV“), Randstreifen an Verkehrswegen und sogenannte Konversionsflächen wie stillgelegte Deponien verteilt.
Im neuen Solarpaket der Ampelregierung nehmen Freiflächen-PV-Anlagen eine zentrale Rolle ein. Diese sollen hälftig zu den ambitionierten Ausbauzielen beitragen. Der Zubau von Photovoltaik-Kapazitäten auf landwirtschaftlich genutzten Flächen wird dabei bis 2030 auf ein Maximum von 80 Gigawatt beschränkt und den Bundesländern ein Vetorecht für bestimmte Schutzgebiete zugestanden.
Wir von den DWN haben mal genauer hingeschaut: In absoluten Zahlen liegt Brandenburg hier vorne, gefolgt von Bayern und Sachsen-Anhalt. Relativ betrachtet (PV-Leistung/Fläche) steht das kleine Saarland an der Spitze. Am stärksten ausgebaut wird derzeit in Bayern. Die größten Solarparks entstehen aber im Osten, weil dort deutlich größere zusammenhängende Agrarflächen sind. Die großen Freiflächen-PV-Anlagen werden häufig von bekannten Energieversorgern betrieben, denn die Investitionskosten sind hoch. Ein Beispiel ist der riesige Solarpark Weesow-Willmersdorf bei Werneuchen mit einer Gesamtleistung von 187 Megawatt, der EnBW rund 100 Millionen Euro kostete.
EnBW setzt mittlerweile voll auf den Photovoltaik-Boom und möchte nun pro Jahr 10 bis 15 Solarparks realiseren – ein Großteil davon dürfte auf ländlichen Acker- und Grünflächen entstehen, weil diese trotz des massiven Preisanstiegs der letzten zehn bis fünfzehn Jahre billiger zu erwerben sind als gepflasterte Gewerbe-Grundstücke am Stadtrand. Ein weiterer bedeutender Akteur in diesem Geschäft ist die Düsseldorfer Naturstrom AG.
Die Verpachtung entsprechender Flächen scheint noch lukrativer als der Eigenbetrieb von PV-Anlagen zu sein. „Die Verpachtung von Ackerland für Photovoltaik ermöglicht Landbesitzern eine bis zu 10-fache Steigerung der Pachteinnahmen im Vergleich zu herkömmlichen landwirtschaftlichen Pachteinnahmen“, heißt es in einem Ratgeber der zum Immobilien-Unternehmen Aurelis gehörenden Plattform „Flächenverpachtung.de“. Einnahmen zwischen 3.500 bis 5.000 Euro pro Hektar werden in Aussicht gestellt, während bei anderen Anbietern die Untergrenze mit 2.000 bis 3.000 Euro angegeben wird.
Es ist verständlich, dass sich Landbesitzer vermehrt für die schnelle, rentable Pacht mit dem branchenüblichen Zeitraum von 20 Jahren entscheiden und die langwierige, finanziell oft enttäuschende Anbauarbeit in Teilen oder gänzlich aufgeben. Obendrein ist es viel bequemer. Denn um das nötige Kapital, Baugenehmigung, Netzanschluss und korrekte Einspeisevergütung beziehungsweise Direktverkauf an Stromversorger oder Industriefirmen via PPA-Vertrag muss sich dann der Pächter kümmern.
Klar ist jedoch auch: Durch solche Verpachtungsmodelle existiert nunmehr ein zweiter Kanal, über den finanzstarke Investoren, Agrar- und Energiekonzerne die traditionellen Bauernbetriebe von den Feldern verdrängen. Die finanzstarken Akteuere können sowohl beim Kauf als auch bei der Pachtung von Land die örtlichen Landwirte überbieten. Laut Zahlen des Bundesinformationszentrums Landwirtschaft stiegen die Pachtpreise in Deutschland zwischen 2010 und 2020 im Schnitt um 62 Prozent und die Verkaufspreise für landwirtschaftliche Nutzflächen um 126 Prozent.
„Die Flächenkonkurrenz nimmt zu. Es besteht die Gefahr, dass Landwirte Pachtflächen und damit ihre Bewirtschaftungsgrundlage verlieren“, berichtet Jochim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes gegenüber Focus-Online. Es gebe auch Landwirte, die selbst in Solarenergie investieren wollen. Je knapper Agrarland wird und je mehr die Pachtpreise steigen, umso mehr werden agrarfremde Investoren in den Markt drängen und landwirtschaftliche Betriebe zunehmend durch den Bau von sehr rentablen Solarparks verdrängen wollen. Der einzelne Landbesitzer mag sich zwar einem Verkauf verweigern, aber die wirtschaftlichen Anreize zur Verpachtung sind enorm.
„Agri-PV“ als Kompromisslösung
Alternativ schließt man sich als Bauer eben dem Trend an und wird selbst zum Energie-Unternehmer. Klassische Agrarwirtschaft und solarenergetische Stromerzeugung müssen sich nämlich nicht gegenseitig ausschließen, sondern können auch miteinander vereint werden. Bekannt ist dieses Konzept unter dem Namen „Agro-Photovoltaik“ (Agri-PV). Dabei werden Solarpanele in einer Höhe installiert, die es ermöglicht, darunter weiterhin Nutzpflanzen anzubauen. Der wesentliche Vorteil liegt im doppelten Flächengebrauch, was die Profitabilität je Fläche erhöhen kann, und einem Schatteneffekt, wodurch Ertragsverluste im Sommer minimiert werden. Nachteile sind neben den hohen initialen Kosten die Verschmutzung der Module durch die zusätzliche landwirtschaftliche Nutzung und – bei größeren Solarparks – eine Aufheizung des Bodens.
Indes sind nicht alle Landwirtschafts-Flächen für die Befestigung von Solarzellen geeignet. Außerdem kann eine zu hohe Säurehaltigkeit die Unterkonstruktion gefährden. Teilweise schreiben Gemeinden vor, dass Solarmodule generell nur auf ertragsarmen Böden platziert werden dürfen.
Es gibt neben Agri-PV noch weitere kreative Ansätze, die sinnhafter erscheinen, als teils hervorragende Ackerflächen auf Bodenhöhe mit Solarmodulen zu bedecken. Beispielsweise erfüllen Solaranlagen auf Parkplätzen gleich noch einen zweiten Zweck, nämlich bei Sommerhitze mehr als ausreichend Schatten zu spenden.
Die Position des Umweltbundesamts zu dieser Thematik unterscheidet sich erheblich von den Plänen des Wirtschaftsministeriums und der Bundesregierung (siehe weiter unten). Fruchtbare Böden seien zunehmend knappe Ressourcen, mit denen sorgsam umzugehen ist. Photovoltaik-Freiflächenanlagen „sollten vorrangig außerhalb von ökologisch hochwertigen oder geschützten Flächen und stattdessen auf versiegelten (z.B. Parkplätze) oder vorbelasteten Flächen (z.B. Altlastenstandorte, Deponien, Halden, stillgelegte Tagebau- oder Konversionsflächen, Seitenflächen von Autobahnen) ohne besondere ökologische Funktion errichtet werden. Zur Sicherung der Nahrungsmittelproduktion sollten auch Ackerflächen mit hoher Bodengüte in der Regel nicht mit PV-FFA überständert und die Installation von Agri-PV vorangetrieben werden“, heißt es in dem Bericht.
BBV: Wollen keine Großinvestoren für Solarprojekte
Die meisten Landwirte sehen den Solarpark-Trend auf Ackerböden mit Argwohn. Bei einer Umfrage des Fachportals „Agrarheute“ antwortete eine große Mehrheit von 85 Prozent kritisch. Diese Befragten sind der Meinung, dass Ackerflächen für die Lebensmittelproduktion vorbehalten sein sollten. Der bayerische Bauernverband (BBV) bezog hierzu bereits vor fünf Jahren mit folgenden Worten Stellung: „Die Installierung von PV-Anlagen auf Dächern sollte immer Vorrang vor Freiflächenanlagen haben.“
Der Verband lehnt insbesondere „große und nicht ortsansässige Projektierer und Investoren“ ab und möchte die örtlichen Gegebenheiten ausreichend berücksichtigt sehen, bevor es Baugenehmigungen gibt. Statt Großinvestoren und Megaprojekten wünscht sich der BBV mehr dezentrale an die Region angepasste Solaranlagen auf Wiesen, Weiden und Äckern, die in kleinem Stil von den Bauern selbst oder als genossenschaftliche Projekte betrieben werden. In einem aktuellen Positionspapier fordert der BBV außerdem eine Rückholklausel für PV-Freiflächen, sodass betroffene Flächen gegebenenfalls ohne Naturschutz-Einschränkungen wieder landwirtschaftlich genutzt werden können.
Mit dem Solarpaket sollen jetzt auch die notwendigen Netzanschlüsse schneller ermöglicht werden. Die Duldungspflicht der betroffenen Eigentümer für das Verlegen von Anschlussleitungen gilt aber nach heftigem Widerstand der Bauern- und Forstverbände, anders als ursprünglich geplant, nur für öffentliche Flächen und nicht für private Land- und Grundstücksbesitzer. Vorhaben in der Nähe von Autobahnen oder Schienen werden per Gesetz bereits privilegiert behandelt und bevorzugt mit Fördergeldern für PV-Anlagen unterstützt. Dies gilt auch für sogenannte „landwirschaftlich benachteiligte Gebiete“, also als ertragsarm definierte Böden, die laut Daten des Energieverbands BDEW knapp 50 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche Deutschlands ausmachen.