Politik

Nach EU-Gipfel: Für von der Leyen beginnt Endspurt im Rennen um Topjob

Für Ursula von der Leyen beginnt nach ihrer Nominierung durch die europäischen Staats- und Regierungschefs der Endspurt im Rennen um eine zweite Amtszeit als Präsidentin der EU-Kommission. Um ihren Spitzenposten für weitere fünf Jahre behalten zu können, muss die deutsche Politikerin in den nächsten Wochen eine Mehrheit der Abgeordneten im neuen EU-Parlament hinter sich bringen. Bundeskanzler Olaf Scholz zeigte sich zuversichtlich, dass von der Leyen gewählt wird. „Die Präsidentin hat ja doch einen ganz guten Ruf im Parlament.“
30.06.2024 13:31
Aktualisiert: 30.06.2024 14:53
Lesezeit: 2 min
Nach EU-Gipfel: Für von der Leyen beginnt Endspurt im Rennen um Topjob
Der Europäische Rat hat die CDU-Politikerin von der Leyen für eine zweite Amtszeit als Präsidentin der EU-Kommission nominiert. (Foto: dpa) Foto: Geert Vanden Wijngaert

Das informelle Bündnis, das ihre europäischen Parteienfamilie EVP mit den Sozialdemokraten (S&D) und Liberalen (Renew) bildet, hat dort zwar theoretisch eine komfortable Mehrheit von etwa 400 der 720 Stimmen. Es wird aber für möglich gehalten, dass manche Abgeordnete in der geheimen Wahl von der Fraktionslinie abweichen und der Deutschen nicht ihre Stimme geben. Das Votum erfolgt nach derzeitiger Planung am 18. Juli. Sollte von der Leyen in der Abstimmung durchfallen, müssten die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten einen anderen Kandidaten aufstellen.

Die nächsten Wochen sind entscheidend

Von der Leyen kündigte am Freitag nach ihrer Nominierung beim EU-Gipfel in Brüssel an, in den nächsten Wochen mit unterschiedlichen Parteien und Gruppen im Europäischen Parlament reden zu wollen. Wichtig für sie sei, dass diese pro-europäisch, pro-ukrainisch und pro Rechtsstaatlichkeit seien, sagte sie. Bundeskanzler Olaf Scholz zeigte sich zuversichtlich, dass von der Leyen gewählt wird. „Die Präsidentin hat ja doch einen ganz guten Ruf im Parlament“, sagte der SPD-Politiker nach dem Treffen.

Zusätzliche Stimmen könnte von der Leyen vor allem von Grünen-Abgeordneten bekommen. So hatte der frühere europäische Grünen-Chef und scheidende deutsche EU-Abgeordnete Reinhard Bütikofer seine Parteifreunde jüngst zur Unterstützung ihrer Wiederwahl aufgerufen. Und dies damit begründet, dass das von Scholz und anderen führenden europäischen Staats- und Regierungschefs ausgehandelte Paket zur Neubesetzung der EU-Spitzenposten nach der Europawahl das Beste sei, was man bekommen könne.

Früherer portugiesischer Regierungschef hat EU-Topjob sicher

Das Paket umfasst neben der Nominierung von der Leyens auch noch die Entscheidung, dass der sozialdemokratische frühere portugiesische Regierungschef António Costa nächster Präsident des Europäischen Rates wird und die estnische Regierungschefin Kaja Kallas zur EU-Außenbeauftragten ernannt werden soll. Costa wird dann als Nachfolger des Belgiers Charles Michel dafür zuständig sein, die EU-Gipfel vorzubereiten und die Arbeitssitzungen zu leiten. Kallas würde nach Bestätigung der neuen EU-Kommission durch das Parlament auf den Spanier Josep Borrell folgen.

Die Präsidentschaft der EU-Kommission ist allerdings die mit Abstand wichtigste Position. Dem Amtsinhaber sind rund 32 000 Mitarbeiter unterstellt, die unter anderem Vorschläge für neue EU-Gesetze machen. Zudem sitzt die Kommissionspräsidentin bei fast allen großen internationalen Gipfeltreffen wie G7 oder G20 als EU-Repräsentantin mit am Tisch.

Offenheit nach „Rechts“ ist Angriffspunkt

Nicht einfach werden die Gespräche für von der Leyen vor allem deswegen, weil sie und ihre Parteienfamilie EVP im Wahlkampf auch eine Zusammenarbeit mit der rechten italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und deren Partei Fratelli d'Italia (Brüder Italiens) nicht ausgeschlossen hatten. Rasmus Andresen, Sprecher der deutschen Grünen im Europäischen Parlament, äußerte sich deswegen am Freitag zurückhaltend zu einer möglichen Unterstützung. „Es liegt in den Händen von Ursula von der Leyen, eine pro-europäische und stabile Mehrheit für ihre Wiederwahl im Parlament zu bilden“, sagte er.

Andresens Kollege Michael Bloss erklärte, die Grünen stünden bereit, Verantwortung für Europa zu übernehmen, da eine Mehrheit mit „Anti-Europäern“ eine Eiszeit für ein starkes Europa bedeuten würde. Von der Leyen müsse sich aber klarer zum sogenannten Green Deal bekennen, der das Erreichen der EU-Klimaschutzziele sicherstellen soll.

Rechtspopulisten zetern

Hilfreich könnte für von der Leyen aber nun sein, dass sich Meloni in der Nacht zum Freitag bei der Abstimmung enthielt und danach wortstark darüber schimpfte, dass sie bei den Vorab-Verhandlungen über das Personalpaket außen vor blieb. Kanzler Scholz hingegen machte deutlich, dass er letzteres für richtig hält. Er sei davon überzeugt, dass es gut sei, wenn Parteien aus rechtspopulistischen Parteienfamilien nicht Basis der Unterstützung für von der Leyen, sagte er. Damit schloss er auch den ungarischen Regierungschef Viktor Orbán ein, der beim EU-Gipfel als einziger gegen von der Leyen stimmt.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Unternehmen
Unternehmen Social Travel: Hostelworld will Facebook des Reisens werden – mit Milliardenpotenzial
28.06.2025

Hostelworld will nicht länger nur Betten vermitteln, sondern das führende soziale Netzwerk für Alleinreisende werden. Warum der...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Nvidia-Aktie mit Rekordhoch: Geht die Aufwärtsrally weiter?
27.06.2025

Trotz Handelskrieg und wachsender Konkurrenz feiert die Nvidia-Aktie ein Rekordhoch nach dem anderen. Experten sprechen von einer...

DWN
Politik
Politik Bas überzeugt, Klingbeil verliert Ansehen: SPD-Parteitag bestimmt neues Führungsduo
27.06.2025

Auf dem SPD-Parteitag wurde nicht nur gewählt, sondern auch abgerechnet. Während Bärbel Bas glänzt, kämpft Lars Klingbeil mit einem...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Neobroker Trade Republic: Wie ein Berliner Fintech den Kapitalmarkt für alle geöffnet hat
27.06.2025

Büroräume in Berlin-Kreuzberg, drei Gründer mit einer Vision und eine App, die Europas Sparer an die Börse gebracht hat: Trade Republic...

DWN
Politik
Politik Bundestag stellt Weichen neu: Familiennachzug vorerst gestoppt
27.06.2025

Der Bundestag hat den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte gestoppt – ein umstrittener Schritt in der deutschen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Occidental Petroleum-Aktie: Warren Buffett setzt auf US-Ölgiganten – Risiko oder Chance?
27.06.2025

Warren Buffett stockt seine Beteiligung an der Occidental Petroleum-Aktie weiter auf – während grüne Fonds schließen. DWN zeigt, was...

DWN
Politik
Politik Mindestlohn 2026: Anstieg bis 2027 auf 14,60 Euro geplant
27.06.2025

Der Mindestlohn in Deutschland soll in zwei Schritten weiter steigen – doch der Weg dorthin war steinig. Arbeitgeber, Gewerkschaften und...

DWN
Politik
Politik Bundeskabinett: Bauturbo, Bahnflächen, Mietpreisbremse und was sonst noch kommt
27.06.2025

Im Juni 2025 hat sich das Bundeskabinett getroffen, um Parameter für die kommende Legislaturperiode festzulegen – ganz sportlich einen...