Unternehmen

Arbeitsmarkt: Hohe Mitarbeiterfluktuation - wer will wechseln und warum?

Arbeitgeber aufgepasst: Wer zu viel arbeitet, will wechseln! Die Wechselbereitschaft deutscher Arbeitnehmer ist hoch. Die Aussicht auf einen neuen Job gut. Das zeigt eine aktuelle Umfrage: Fast ein Drittel der deutschen Beschäftigten sind offen für einen Jobwechsel. Besonders junge Beschäftigte sind wechselwillig – und das, obwohl sie mit ihrem Arbeitgeber zufrieden sind. Woran liegt das? Und was können Unternehmer dagegen tun?
08.07.2024 12:30
Aktualisiert: 03.07.2030 16:30
Lesezeit: 3 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Die aktuelle Wechselbereitschaft in Deutschland liegt bei 32 Prozent aller Beschäftigten – bei jungen Menschen zwischen 18 und 29 Jahren liegt sie derzeit sogar bei 46 Prozent. Ein entscheidender Grund für die hohe Bereitschaft: eine erhöhte Arbeitsbelastung. Das sind die Ergebnisse der Studie „Jobwechsel-Kompass“ für das II. Quartal 2024, den die HR-Beratung Königsteiner Gruppe gemeinsam mit der Online-Jobbörse stellenanzeigen.de durchgeführt hat.

Wechselgrund: zu viel Arbeit

55 Prozent der wechselwilligen Arbeitnehmer findet, dass sie bei ihrem aktuellen Arbeitgeber zu viel arbeiten. Zum Vergleich: bei denjenigen, die keinen Jobwechsel anstreben, liegt der Anteil bei nur 28 Prozent.

Zudem fühlen sich 70 Prozent der potenziellen Jobwechsler im Job gestresst. Bei denjenigen, die ihrem Unternehmen nach jetzigem Stand treu bleiben, sind das 41 Prozent. Demnach verspüren sieben von zehn potenziellen Jobwechsler laut Umfrage eine Überbelastung!

„Für Arbeitgeber bedeutet das, dass vor allem ihre Führungskräfte das Arbeitsaufkommen ihrer Belegschaften im Blick behalten sollten, wenn sie wertvolle Mitarbeitende nicht verlieren möchten“, rät Peter Langbauer, Geschäftsführer von stellenanzeigen.de.

Jobwechsel trotz Zufriedenheit

Interessanterweise sind viele Beschäftigte wechselwillig, obwohl sie zufrieden mit ihrem Arbeitgeber sind. Insgesamt heben fast zwei Drittel (65 Prozent) aller Beschäftigten den Daumen, wenn sie ihr derzeitiges Unternehmen bewerten. Selbst von denjenigen, die einen Jobwechsel anstreben, geben immerhin noch 39 Prozent der Befragten an, sich in ihrem Arbeitsumfeld wohlzufühlen.

Doch wie kommt es zu dieser paradoxen Lage? „Hintergrund dieser Situation ist sicher, dass viele Beschäftigte ihre gute Marktposition, die ihnen der Fachkräftemangel beschert, ausnutzen möchten“, interpretiert Nils Wagener, Geschäftsführer der Königsteiner Gruppe. „Das ist für viele Unternehmen durchaus beunruhigend, weil sie trotz umfangreicher Arbeitgeberleistungen trotzdem mit einer steigenden Mitarbeiterfluktuation rechnen müssen“.

Insgesamt gehen 65 Prozent der Befragten davon aus, über gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verfügen.

Zufriedenheit mit „Work-Life-Balance“

Insgesamt ist die Mehrheit aller Beschäftigten mit ihrer Work-Life-Balance zufrieden. So finden 69 Prozent, dass sie Arbeit und Privatleben gut trennen können. Diese Selbstbeschreibung würden auch mehr als die Hälfte der Jobwechsler (55 Prozent) unterschreiben, von denen auch 43 Prozent das Gefühl haben, von ihrem derzeitigen Arbeitgeber dabei ausreichend unterstützt zu werden.

62 Prozent aller Befragten geben zudem an, dass sie sich aktuell ausreichend um ihre körperliche Gesundheit neben ihrer Arbeit kümmern können. Das bestätigen auch 51 Prozent der Wechselwilligen. „Die Zahlen zeigen, dass viele Mitarbeitende durchaus einen Weg finden, sich mit ihrem Stresslevel nach der Arbeit auseinanderzusetzen und dieses zu verarbeiten“, sagt Peter Langbauer, Geschäftsführer von stellenanzeigen.de.

Keinen Unterschied macht bei der Betrachtung dieser Zusammenhänge das Alter. Ältere nehmen zwar deutlich häufiger für sich in Anspruch, Arbeit und Privatleben gut voneinander trennen zu können, als Jüngere. Allerdings sind es in allen Altersgruppen vor allem jene mit schlechten Bewertungen der Work-Life-Balance, die kurz vor einem Jobwechsel stehen – oder sich diesen zumindest gut vorstellen können.

Viele Beschäftigte fürchten ein Burnout

Die Angst vor einem Burnout hat unter den Beschäftigten in Deutschland zugenommen, wie schon eine Untersuchung „Arbeiten 2023“ der Betriebskrankenkasse Pronova ergab: 61 Prozent der Deutschen befürchten demnach, an Überlastung zu erkranken. Rund 30 Prozent der Befragten hatten in ihrem Leben bereits ein Burnout.

Bei der Pronova hat die Zahl der Burnout-Fälle 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 20 Prozent zugenommen. Im Schnitt fehlten die Betroffenen deshalb rund 30 Tage am Arbeitsplatz. Als Hauptgründe nennt jeder Dritte Überstunden (34 Prozent) und ständigen Termindruck (32 Prozent).

Ergebnis: Eine erhöhte Arbeitsbelastung mündet in vielen Fällen in einen Jobwechsel. Work-Life-Balance und Vereinbarkeit haben einen signifikanten Einfluss darauf, wie hoch der Antrieb der Mitarbeitenden ist, den Job zu wechseln. Die Erkenntnis ist nicht neu, aber in der jetzigen Arbeitsmarktsituation vielleicht eine Stellschraube für Arbeitgeber, um gute Mitarbeiter zu halten: Die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie fördern und den Stress im Auge behalten und rechtzeitig reduzieren. Überbelastung darf kein Dauerzustand sein – dann funktioniert es mit der Mitarbeiterbindung besser.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

 

 

Mirell Bellmann

Mirell Bellmann schreibt als Redakteurin bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Zuvor arbeitete sie für Servus TV und den Deutschen Bundestag.

DWN
Politik
Politik Waffen statt Zukunft: UN warnt vor globalem Rüstungsboom
09.09.2025

Die weltweiten Militärausgaben erreichen neue Rekordhöhen – und das auf Kosten von Frieden, Bildung und Klimaschutz. Ein aktueller...

DWN
Finanzen
Finanzen Europa rüstet auf: Verteidigungs-Startups erleben Investoren-Boom
09.09.2025

Die geopolitische Unsicherheit und Trumps neue Außenpolitik befeuern massive Investitionen in europäische Verteidigungs-Startups....

DWN
Politik
Politik Arbeitszeit-Debatte: Mehr als die Hälfte der Deutschen wünscht kürzere Arbeitszeiten
09.09.2025

Um Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, sollten die Menschen in Deutschland mehr arbeiten, argumentieren führende Politiker....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Euro-Wirtschaft: Scheitert die Eurozone an Deutschland?
09.09.2025

Die Eurozone taumelt zwischen Mini-Wachstum und Rekord-Arbeitslosigkeit: Während Spanien boomt, steckt Deutschland weiter in der Krise –...

DWN
Panorama
Panorama Blackout: Brandanschlag auf Strommasten verursacht Stromausfall in Berlin- Bekennerbrief wird geprüft
09.09.2025

Ein Feuer an zwei Strommasten hat in der Nacht zu einem großflächigen Stromausfall im Südosten Berlins geführt. Rund 50.000 Haushalte...

DWN
Finanzen
Finanzen Rechnungshof warnt: Milliardenhilfen für Länder könnten ins Leere laufe
09.09.2025

Der Bundesrechnungshof stellt die Wirksamkeit des geplanten Sondervermögens von 100 Milliarden Euro für zusätzliche...

DWN
Technologie
Technologie Digitale Dauerbelastung: Können Erwachsene besser damit umgehen?
09.09.2025

Digitale Medien prägen unseren Alltag in allen Altersgruppen – vom Smartphone über Social Media bis hin zu Streamingdiensten. Während...

DWN
Technologie
Technologie Taiwan stärkt Chip-Lieferketten angesichts geopolitischer Spannungen
09.09.2025

Taiwan stärkt seine Halbleiter-Lieferketten angesichts geopolitischer Spannungen und des wachsenden KI-Wettbewerbs. Präsident Lai...