Vermögende sollen mehr zur Kasse gebeten werden, die Meldungen der vergangenen Tage deuten jedenfalls darauf hin: In der Schweiz gibt es eine anstehende Juso-Initiative zur Erbschaftssteuer, in Großbritannien hat die kürzlich gewählte Labour-Partei neue Steuerpläne und in Frankreich will das linke Parteienbündnis die Steuererhöhungen für Reiche verschärfen.
Deutschland: Steuerparadies nur für Reiche
In Zeiten wirtschaftlicher Flaute, ausufernder Sozialkassen und immer größer werdender Haushaltslöcher wird auch hierzulande der Ruf nach einer Vermögenssteuer lauter. Die Besteuerung von Millionären und Milliardären ist ein beliebtes Wahlkampfthema der linken, roten und grünen Partei. Trotzdem wird sie seit 1997 in Deutschland nicht mehr erhoben.
In Frankreich, Spanien und der „Steueroase“ Schweiz schon. Dort sorgt die Vermögenssteuer für weniger Ungleichheit und aufgefüllte Haushaltskassen. Je nach Steuerkonzept wäre auch für Deutschland ein hoher Milliardenbetrag als Einnahme möglich.
Studie: Deutschland verschont Superreiche
In Deutschland besitzt die Gruppe der Reichen rund 20 Prozent des gesamten Nettovermögens. Damit hat der typische deutsche Millionär ein Vermögen von 23 Millionen Euro, das überwiegend aus dem Familienerbe und Immobilien stamme, zeigt eine Studie des Momentum-Instituts, des Netzwerks Steuergerechtigkeit und Oxfam Deutschland. Gleichzeitig belegt die Studie, dass Reiche nur halb so viele Steuern zahlen wie die Mittelschicht.
Wenn Deutschland die Vermögenssteuer auf Schweizer Niveau anheben würde, könnte der Staat zusätzlich 73 Milliarden Euro einnehmen! Interessant: In Deutschland gibt es keine amtlichen Statistiken über Vermögende mehr. Verschiedene Studien variieren von 84 bis 237 Superreiche.
Deutschland: ungleiche Vermögensverteilung
Zwischen 1995 und 2021 ist das Vermögen der privaten Haushalte nach Angaben des Bundesfinanzministeriums von 6,8 Billionen Euro auf knapp 20 Billionen Euro gestiegen, davon allein das Geldvermögen auf 7,8 Billionen Euro.
Laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) befindet sich die Hälfte des Haushaltsvermögens in der Bundesrepublik in den Händen der oberen zehn Prozent der Vermögenden. Das oberste ein Prozent vereint 20 Prozent des Vermögens auf sich. In diesen Anteilen sind bereits die Altersvorsorgevermögen enthalten, die bei den übrigen Bundesbürgern einen erheblichen Anteil ausmachen. Das DIW sieht die Vermögensverteilung in Deutschland – auch im Vergleich zu anderen Industrieländern wie Frankreich – als besonders ungleich an.
Warum wurde die Vermögenssteuer ausgesetzt?
Bis 1996 gab es in Deutschland eine Vermögensteuer. Das Bundesverfassungsgericht setzte damals die Steuer aus – aufgrund steuerlicher Bevorzugung von Immobilien und Grundvermögen. Kurios: Die geforderte Neuregelung wurde von der damaligen Regierung „verschlafen“. Nach Ablauf einer Schonfrist durfte die Steuer nicht mehr erhoben werden. Dabei ist es bis heute geblieben.
Eine Wiedereinführung müsste die geforderte Gleichbehandlung von Vermögen umsetzen und sicherstellen, dass nur Vermögensgewinne besteuert werden, der Vermögensstamm aber unangetastet bleibt. Eine Vermögensabgabe, bei der die Vermögenden nominal ärmer werden, darf nach dem Grundgesetz nur in Ausnahmesituationen und auch nur einmalig erhoben werden.
Wie kann Vermögen angemessen besteuert werden?
Die Diskussion über ein mögliches Steuermodell für eine Vermögensabgabe ist nicht neu. Ein Vorbild könnte das niederländische Prinzip sein: Für eine bestimmte Auswahl von Vermögensarten wird ein fiktiver Jahresgewinn festgelegt, der dann als Einkommen besteuert wird. Ausgeschlossen werden unter anderem Vermögensformen wie Kunst, Edelmetalle, private Darlehen oder Tiere, deren Wert besonders schwer zu ermitteln ist.
Ausklammern ließen sich auch Betriebsvermögen. Deren Besteuerung wird von Kritikern – wie dem Verband „Die Familienunternehmer“ – als besonders schädlich angesehen. In einem Leitfaden argumentiert die Interessenvertretung, dass eine Wiedereinführung zu Kollateralschäden führen könnte, die das Wirtschaftswachstum um bis zu sechs Prozent bremsen würden.
Mehrheit der Deutschen für eine Reichensteuer
62 Prozent der Bürgerinnen und Bürger befürworteten in einer aktuellen Forsa-Umfrage im Auftrag des stern, dass Privatpersonen und Unternehmen eine solche Abgabe auf Vermögen ab einer Million Euro zahlen müssen. 34 Prozent sprechen sich dagegen aus, vier Prozent äußerten keine Meinung.
Die linken Parteien in Deutschland, von der SPD über die Grünen bis zur Linkspartei, fordern seit langem die Wiedereinführung der Vermögensteuer.
Vermögenssteuer: Vor allem Grüne stimmen dafür
Ihre Wähler sehen das laut der Forsa-Umfrage genauso: Vor allem bei den Anhängern der grünen Partei stößt der Vorstoß auf Zustimmung (84 Prozent). Aber auch die Anhänger der SPD (79 Prozent) und des Bündnis Sahra Wagenknecht (58 Prozent) sprechen sich dafür aus.
Auf der anderen Seite sind die Wähler der FDP (87 Prozent) und AfD (62 Prozent) gegen eine Wiedereinführung. Auch die Union ist der Meinung, eine Vermögenssteuer würde „die wirtschaftliche Substanz Deutschlands gefährden und Arbeitsplätze kosten“, wie die Parteien in ihrem gemeinsamen Wahlprogramm schreiben. Die Wähler von CDU und CSU sehen das jedoch anders: 55 Prozent würden eine Einführung unterstützen.
Fazit
Bisher wiegelt die jetzige Regierung ab. Eine Wiedereinführung wäre u. a. zu aufwändig, teilte Justizminister Marco Buschmann (FDP) auf der Plattform X mit: „In der Praxis frisst der komplexe Bewertungsaufwand die Erträge daraus auf …“ Doch die Diskussion nach einer höheren und gerechteren Besteuerung wird auch hierzulande wieder an Fahrt aufnehmen. Es scheint nicht ausgeschlossen, dass auch die Union ihre Haltung bis zur nächsten Bundestagswahl ändert. Denn auch eine neue Regierung unter einem Kanzler Merz oder Söder braucht Geld für die Wirtschafts- und Energiewende und die Ausstattung der Bundeswehr. Und auch die Bundesländer würden sich über zusätzliche Steuereinnahmen freuen. An einer Zustimmung im Bundesrat dürfte es dann nicht scheitern.