Zu diesen Erkenntnissen kommt eine Studie der IGES-Gruppe, die eine szenarienbasierte Projektion für die Beitragsentwicklung aller Zweige der Sozialversicherung bis zum Jahr 2035 erstellt hat. In diese Projektion flossen beitragsrelevante Faktoren wie die Lohn- und Beschäftigungsentwicklung sowie die Bevölkerungsentwicklung ein. Dabei wurden auch bereits beschlossene Sozialreformen der Bundesregierung sowie einige Maßnahmen berücksichtigt, die die Finanzsituation in der Sozialversicherung stabilisieren könnten.
Alle Zweige der Sozialversicherung sind mittelfristig von Anstiegen betroffen
Laut der Studie werden die Gesamtversicherungsbeiträge in den Jahren 2025 und 2026 insbesondere durch weitere Anstiege bei der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung steigen. Die Wissenschaftler von IGES sind dabei von mittleren Ausprägungen der relevanten Einflussfaktoren ausgegangen. Im projizierten Szenario drohen ab 2028 fortschreitende Beitragsanstiege in allen vier Bereichen der Sozialversicherung – Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung – die bis zum Jahr 2035 zu einem Gesamtbeitragssatz von 48,6 Prozent führen könnten.
Geeignete Maßnahmen können Beitragsanstiege ausbremsen
Eine stärkere Steuerfinanzierung der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen könnte hier Abhilfe schaffen. In dem Szenario wurde dabei eine steuerfinanzierte Deckung der Lücke bei den Beziehern von Bürgergeld angenommen, die nach den Berechnungen von IGES einen Betrag von 9 Milliarden Euro ausmacht.
Zudem wurde eine Dynamisierung des Bundeszuschusses in Einklang mit der prognostizierten Lohnentwicklung unterstellt. Weiterhin wurde eine steuerfinanzierte Übernahme der Rentenversicherungsbeiträge für Pflegepersonen und der Ausbildungskosten in der gesetzlichen Pflegeversicherung berücksichtigt. Diese Maßnahmen würden insgesamt 4 Milliarden Euro Steuergelder erfordern. Dennoch könnte der Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz durch diese Maßnahmen nur um einen Prozentpunkt gesenkt werden, sodass der Beitragssatz im Jahr 2035 immer noch bei 47,7 Prozent läge.
Einnahmeorientierte Ausgabenpolitik in der gesetzlichen Krankenversicherung als Hebel
Ein wirksamer Hebel zur Eindämmung des Beitragssatzes wäre laut der IGES-Studie der Übergang zu einer einnahmeorientierten Ausgabenpolitik bei den gesetzlichen Krankenkassen. Diese müssten ihre Ausgaben zukünftig an der Entwicklung der beitragspflichtigen Einnahmen ausrichten. Würde diese Maßnahme mit den beschriebenen Steuerfinanzierungen kombiniert, könnte der Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz im Jahr 2035 auf 45,5 Prozent gesenkt werden.
Detailergebnisse der Studie zur Entwicklung bei den gesetzlichen Krankenkassen
In der IGES-Projektion werden auch die Entwicklungen der einzelnen Sozialversicherungszweige aufgeschlüsselt. Demnach steigt der Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung im Jahr 2025 auf 16,9 Prozent und wächst damit um 0,6 Prozentpunkte. Im Jahr 2026 wird ein weiterer Anstieg auf 17,4 Prozent erwartet, da dann die Mittel aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds aufgebraucht sein werden.
Die gesetzlichen Krankenkassen müssen jedoch weitere Belastungen verkraften. Sie müssen 1,3 Milliarden Euro für ein im vergangenen Jahr gewährtes Bundesdarlehen zurückzahlen sowie 2,5 Milliarden Euro als erste Zahlung zur Unterstützung der geplanten Umstrukturierungen der Krankenhäuser nach dem Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG).
Einnahmen- und Ausgabenschere klafft weiter auseinander
Ab dem Jahr 2027 wurden in der Studie keine weiteren Sonderbelastungen berücksichtigt, da davon ausgegangen wurde, dass die errechneten Effizienzgewinne aus den Maßnahmen des KHVVG auch tatsächlich realisiert werden und somit zu Minderausgaben von 1 Milliarde Euro bei den Krankenkassen führen. Trotz dieser Effekte steigen die Ausgaben für die Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen insgesamt weiterhin stärker an als die beitragspflichtigen Einnahmen. Angesichts dieser Entwicklung wird der Beitragssatz der gesetzlichen Krankenkassen bis zum Jahr 2035 auf 19,3 Prozent ansteigen müssen, um die Ausgaben zu decken.