Finanzen

Sozialversicherungsbeitrag könnte bis 2035 auf fast 50 Prozent steigen

In den kommenden 10 Jahren könnte die Sozialabgabenlast für die Bürger in Deutschland kräftig ansteigen. Um satte 7,5 Prozentpunkte auf dann insgesamt 48,6 Prozent könnte der Gesamtbeitrag zur Sozialversicherung anwachsen, wenn keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden.
23.08.2024 08:05
Lesezeit: 2 min

Zu diesen Erkenntnissen kommt eine Studie der IGES-Gruppe, die eine szenarienbasierte Projektion für die Beitragsentwicklung aller Zweige der Sozialversicherung bis zum Jahr 2035 erstellt hat. In diese Projektion flossen beitragsrelevante Faktoren wie die Lohn- und Beschäftigungsentwicklung sowie die Bevölkerungsentwicklung ein. Dabei wurden auch bereits beschlossene Sozialreformen der Bundesregierung sowie einige Maßnahmen berücksichtigt, die die Finanzsituation in der Sozialversicherung stabilisieren könnten.

Alle Zweige der Sozialversicherung sind mittelfristig von Anstiegen betroffen

Laut der Studie werden die Gesamtversicherungsbeiträge in den Jahren 2025 und 2026 insbesondere durch weitere Anstiege bei der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung steigen. Die Wissenschaftler von IGES sind dabei von mittleren Ausprägungen der relevanten Einflussfaktoren ausgegangen. Im projizierten Szenario drohen ab 2028 fortschreitende Beitragsanstiege in allen vier Bereichen der Sozialversicherung – Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung – die bis zum Jahr 2035 zu einem Gesamtbeitragssatz von 48,6 Prozent führen könnten.

Geeignete Maßnahmen können Beitragsanstiege ausbremsen

Eine stärkere Steuerfinanzierung der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen könnte hier Abhilfe schaffen. In dem Szenario wurde dabei eine steuerfinanzierte Deckung der Lücke bei den Beziehern von Bürgergeld angenommen, die nach den Berechnungen von IGES einen Betrag von 9 Milliarden Euro ausmacht.

Zudem wurde eine Dynamisierung des Bundeszuschusses in Einklang mit der prognostizierten Lohnentwicklung unterstellt. Weiterhin wurde eine steuerfinanzierte Übernahme der Rentenversicherungsbeiträge für Pflegepersonen und der Ausbildungskosten in der gesetzlichen Pflegeversicherung berücksichtigt. Diese Maßnahmen würden insgesamt 4 Milliarden Euro Steuergelder erfordern. Dennoch könnte der Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz durch diese Maßnahmen nur um einen Prozentpunkt gesenkt werden, sodass der Beitragssatz im Jahr 2035 immer noch bei 47,7 Prozent läge.

Einnahmeorientierte Ausgabenpolitik in der gesetzlichen Krankenversicherung als Hebel

Ein wirksamer Hebel zur Eindämmung des Beitragssatzes wäre laut der IGES-Studie der Übergang zu einer einnahmeorientierten Ausgabenpolitik bei den gesetzlichen Krankenkassen. Diese müssten ihre Ausgaben zukünftig an der Entwicklung der beitragspflichtigen Einnahmen ausrichten. Würde diese Maßnahme mit den beschriebenen Steuerfinanzierungen kombiniert, könnte der Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz im Jahr 2035 auf 45,5 Prozent gesenkt werden.

Detailergebnisse der Studie zur Entwicklung bei den gesetzlichen Krankenkassen

In der IGES-Projektion werden auch die Entwicklungen der einzelnen Sozialversicherungszweige aufgeschlüsselt. Demnach steigt der Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung im Jahr 2025 auf 16,9 Prozent und wächst damit um 0,6 Prozentpunkte. Im Jahr 2026 wird ein weiterer Anstieg auf 17,4 Prozent erwartet, da dann die Mittel aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds aufgebraucht sein werden.

Die gesetzlichen Krankenkassen müssen jedoch weitere Belastungen verkraften. Sie müssen 1,3 Milliarden Euro für ein im vergangenen Jahr gewährtes Bundesdarlehen zurückzahlen sowie 2,5 Milliarden Euro als erste Zahlung zur Unterstützung der geplanten Umstrukturierungen der Krankenhäuser nach dem Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG).

Einnahmen- und Ausgabenschere klafft weiter auseinander

Ab dem Jahr 2027 wurden in der Studie keine weiteren Sonderbelastungen berücksichtigt, da davon ausgegangen wurde, dass die errechneten Effizienzgewinne aus den Maßnahmen des KHVVG auch tatsächlich realisiert werden und somit zu Minderausgaben von 1 Milliarde Euro bei den Krankenkassen führen. Trotz dieser Effekte steigen die Ausgaben für die Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen insgesamt weiterhin stärker an als die beitragspflichtigen Einnahmen. Angesichts dieser Entwicklung wird der Beitragssatz der gesetzlichen Krankenkassen bis zum Jahr 2035 auf 19,3 Prozent ansteigen müssen, um die Ausgaben zu decken.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Regierung reagiert auf Cyberangriffe: Russlands Botschafter einbestellt
12.12.2025

Nach einer Reihe hybrider Angriffe, darunter Falschnachrichten, manipulierte Videos und eine Hacker-Attacke, hat die Bundesregierung...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Flix bestellt 65 neue Fernzüge: Ausbau ab 2028 geplant
12.12.2025

Flix will das Fernverkehrsangebot deutlich ausbauen: Das Unternehmen hat beim spanischen Hersteller Talgo bis zu 65 neue Züge geordert....

DWN
Politik
Politik Regierung startet Onlineportal für Bürgerfeedback
12.12.2025

Die Bundesregierung will Bürger und Unternehmen stärker in die Verwaltungsarbeit einbeziehen. Über das neue Portal „Einfach machen“...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU setzt auf Kreislaufwirtschaft: Mehr Rohstoffe aus Schrottautos
12.12.2025

Die EU will die Wiederverwertung von Fahrzeugen deutlich verbessern. Unterhändler des Europäischen Parlaments und der Mitgliedsstaaten...

DWN
Immobilien
Immobilien Hausbrände verhüten: Wie Sie sich vor Feuer schützen
12.12.2025

Jährlich gibt es in Deutschland um die 200.000 Haus- und Wohnungsbrände. Eine verheerende Zahl, insbesondere wenn man bedenkt, dass die...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Insolvenzen in Deutschland steigen weiter um 5,7 Prozent
12.12.2025

Die Pleitewelle in Deutschland reißt nicht ab: Im November stieg die Zahl der Firmeninsolvenzen im Vergleich zum Vorjahr um 5,7 Prozent,...

DWN
Finanzen
Finanzen Lufthansa-Aktie hebt nach Kaufempfehlung ab: Worauf Anleger nun achten müssen
12.12.2025

Die Lufthansa-Aktie springt nach einer Kepler-Kaufempfehlung auf ein Hoch seit August 2023. Doch hinter dem Kursschub lauern Tarifrisiken,...

DWN
Politik
Politik Freie Wirtschaftszone im Donbass? Kiew zeigt sich zurückhaltend
12.12.2025

Die USA schlagen eine „freie Wirtschaftszone“ im Donbass als möglichen Kompromiss vor – doch die ukrainische Führung reagiert...