Unternehmen

Varta-Sanierungsplan: Aktionäre gehen leer aus - Porsche steigt ein

Lesezeit: 3 min
19.08.2024 10:00
Batteriekonzern Varta: Die Gläubiger sowie der österreichische Großaktionär Michael Tojner einigten sich auf ein Sanierungskonzept, das einen Schuldenschnitt von 485 Millionen auf 200 Millionen Euro vorsieht. Parallel dazu schießt Tojner gemeinsam mit dem Sportwagenbauer Porsche frisches Kapital in Höhe von 60 Millionen Euro zu. Varta-Chef Ostermann spricht von einem „Meilenstein“.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Der angeschlagene Batteriekonzern Varta hat sich mit Finanzgläubigern und Investoren auf ein Sanierungskonzept geeinigt. Kernaspekte sind unter anderem ein Schuldenschnitt und frisches Geld unter anderem vom Großkunden Porsche AG. Altaktionäre sollen aus dem Konzern gedrängt werden. All das müsse nun dokumentiert und beim Gericht eingereicht werden, sagte ein Sprecher am Sonntag. Zuvor müssen die Gremien der beteiligten Parteien zustimmen und das Bundeskartellamt grünes Licht geben. Der Prozess könnte sich über Wochen und Monate ziehen, sagte der Sprecher.

„Unternehmen bietet großes Potenzial“

Läuft alles wie geplant, soll das Sanierungskonzept den Angaben nach die Finanzierung der Varta AG bis zum Ende des Jahres 2027 sicherstellen. Das Unternehmen aus dem schwäbischen Ellwangen sprach von einem „bedeutenden Meilenstein“. Das Konzept werde den Konzern „wesentlich entschulden und mit frischer Liquidität ausstatten“.

Vollständige Herabsetzung des Grundkapitals

Zunächst sollen ein Schuldenschnitt und die Verlängerung von Krediten die bisherigen Verbindlichkeiten von fast einer halben Milliarde Euro auf 200 Millionen Euro verringern. Dann soll das Grundkapital der Varta AG auf null Euro herabgesetzt werden. Der Effekt: Die derzeitigen Aktionäre scheiden kompensationslos aus und der Konzern verliert seine Börsennotierung.

Die Angst vor einem Totalausfall hatte den Aktienkurs bereits im Juli abstürzen lassen. Von gut 10 Euro war es binnen weniger Tage auf weniger als 1,50 Euro nach unten gegangen. Zuletzt erholte sich das Papier zwar etwas und kostete per Freitagsschluss knapp 3,90 Euro – die vage Hoffnung einiger Anleger, einen Totalausfall vermeiden zu können, dürfte nun aber dahin sein.

Varta war 2017 für 17,50 Euro je Aktie an die Börse gebracht worden und war lange Zeit gefragt. Anfang 2021 war der Kurs – auch wegen des boomenden Geschäfts mit kleinen Akkus etwa für kabellose Kopfhörer – bis auf 181,30 Euro gestiegen. Seither geht es aber nach unten.

Als neue Gesellschafter sollen unmittelbar im Anschluss an den Kapitalschnitt eine vom Varta-Mehrheitseigner Michael Tojner kontrollierte Gesellschaft (MT InvestCo) sowie einer Beteiligungsgesellschaft des Sportwagenherstellers Porsche mit jeweils 30 Millionen Euro einsteigen. Ein Teil der Investition Tojners seien Immobilien, die Varta derzeit miete.

Nach Abschluss aller Kapitalmaßnahmen sollen MT InvestCo und Porsche je 32 Prozent von Varta halten, die übrigen Finanzierer zusammen 36 Prozent. Rechtlich würden die Beteiligungen an der Varta AG laut der Mitteilung zunächst von MT InvestCo und Porsche zu je 50 Prozent gehalten, „wobei bei der Ausgestaltung darauf geachtet würde, dass weder MT InvestCo noch Porsche noch beide gemeinsam die Kontrolle hätten“.

Varta-Batterie im Porsche 911 Carrera

Die Porsche AG teilte zudem mit, Vartas Autobatterie-Tochtergesellschaft V4Drive Battery mehrheitlich übernehmen zu wollen. Porsche zeigte sich zugleich bereit, sich „mit weiteren Partnern“ an der finanziellen Neuaufstellung der Varta AG zu beteiligen, wie es hieß. Dabei würde sich Porsches Investition auf 30 Millionen Euro belaufen. In der Firma V4Drive Battery bündelt Varta das Geschäft für großformatige Lithium-Ionen-Rundzellen, die im Hybrid-Antrieb des Porsche 911 Carrera GTS eingesetzt werden.

Pläne vor wenigen Wochen vorgelegt

Die am Samstag präsentierte Einigung konkretisiert, was Varta vor knapp einem Monat angekündigt hatte. Damals teilte der Konzern mit, beim Amtsgericht Stuttgart ein Restrukturierungsvorhaben nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) anzuzeigen. Die Alt-Aktionäre sollten rausgedrängt werden, Gläubiger auf einen Großteil ihres Gelds und ihrer Ansprüche verzichten.

Mehrheitseigner Tojner erklärte damals: „Wir müssen diesen Schritt setzen, um Varta eine Zukunft zu geben, fast 4.000 Arbeitsplätze zu sichern und das Unternehmen als Wirtschaftsfaktor in der Region und vor allem als Technologieträger für Europa zu erhalten.“

Der Sprecher präzisierte auf Nachfrage, es werde voraussichtlich einen moderaten Stellenabbau in der Verwaltung geben. Hingegen würden im gewerblichen Bereich Arbeitskräfte gesucht. Was das am Ende für die Zahl der Mitarbeitenden bedeute, sei noch nicht abzusehen. Schon im Frühjahr 2023 hatte Varta infolge eines Sparprogramms angekündigt, weltweit rund 800 Stellen zu streichen – etwa 390 davon in Deutschland.

Hackerangriff und gekappte Umsatzziele für 2024

Schon länger steckt der Batteriekonzern in der Krise. Beispielsweise schwankt die Nachfrage nach Lithium-Ionen-Knopfzellen, etwa für Kopfhörer, stark. Zuletzt klagte Varta über Billig-Konkurrenz aus China sowie anhaltende Probleme in den Lieferketten. Zudem attackierten Hacker im Februar Vartas Computersysteme und legten die Produktion wochenlang lahm.

Mitte April hatte Varta eingestehen müssen, dass das eigene Umstrukturierungskonzept nicht mehr ausreicht, um wie geplant bis Ende 2026 auf einen profitablen Wachstumskurs zurückzukehren. Im Juni kappte Varta wegen schwacher Nachfrage das Umsatzziel für 2024. Der Umsatz sollte sich im laufenden Jahr demnach nun bei 820 Millionen bis 870 Millionen Euro einpendeln. Bis dahin hatte der Vorstand mindestens 900 Millionen Euro auf dem Zettel.

In den ersten neun Monaten 2023 hatte Varta rund 554 Millionen Euro Umsatz gemacht. Aktuellere Geschäftszahlen gibt es wegen des Hackerangriffs nicht. Angaben zum ersten Quartal 2024 werden am 30. August erwartet, der Geschäftsbericht 2023 Ende Oktober.

 


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Bildung für die Zukunft SOS-Kinderdorf Thüringen im Einsatz für die Demokratie

In einer Zeit, in der die Unzufriedenheit mit der Politik wächst, engagiert sich das SOS-Kinderdorf Thüringen mit einem Demokratieprojekt...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Raumsonde übersteht nahen Vorbeiflug an der Sonne
27.12.2024

"Die Sonnensonde hat nach Hause telefoniert!", schreibt die US-Raumfahrtbehörde Nasa aufgeregt. Das bedeutet: Der Hitzeschild hat die...

DWN
Politik
Politik Nato in der Krise: Wie sichern wir Frieden und Stabilität in Europa?
27.12.2024

Viele Deutsche sorgen sich angesichts der Lage in der Ukraine vor einer Ausweitung des Krieges. Der neue Nato-Generalsekretär hält dies...

DWN
Finanzen
Finanzen Notenbanker durch und durch: Ex-Bundesbankpräsident Schlesinger zum Gedenken
27.12.2024

Zeit seines Lebens hat sich Helmut Schlesinger für eine stabile Währung eingesetzt. Dabei scheute er auch nicht den Konflikt. Nun ist der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Reformen 2025: Steuererhöhungen, Mindestlohnerhöhung und neue Gesetze im Überblick
27.12.2024

Die Reformen 2025 bringen eine Reihe bedeutender Änderungen für Bürgerinnen und Bürger: vom neuen Mindestlohn über die Einführung der...

DWN
Politik
Politik Jetzt auch amtlich: Steinmeier macht Weg für Neuwahlen frei
27.12.2024

Die Ampel-Koalition zerbrochen, keine neue, stabile Mehrheit in Sicht, Deutschland in der Regierungskrise. Für den Bundespräsidenten gibt...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Als der Tiger noch im Tank war: Warum sich ExxonMobil von Europa distanziert
27.12.2024

Exxon mit Sitz ist Houston ist eine halbe Billion Dollar wert und damit der größte Mineralöl-Konzern der Welt. 20 Prozent der 62.000...

DWN
Politik
Politik Studie: Elterngeld seit Einführung deutlich weniger wert
27.12.2024

Die Kaufkraft des Elterngelds sei seit 2007 um 38 Prozent gesunken, schreibt das Institut der deutschen Wirtschaft in einer aktuellen...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutsche Flugsicherung erhöht Gebühren: Gründe, Auswirkungen und Forderungen
27.12.2024

Die Deutsche Flugsicherung (DFS) hat angekündigt, zum Jahreswechsel die Gebühren für Fluggesellschaften deutlich zu erhöhen. Während...