Politik

Schneller-bauen-Gesetz: Ausgerechnet Berlin will jetzt allen zeigen, wie das geht

Lesezeit: 6 min
28.08.2024 10:00
Die CDU/SPD-Koalition in Berlin unter Führung von Kai Wegner hat sich über ein sogenanntes Schneller-Bauen-Gesetz für die deutsche Hauptstadt verständigt. Kann Bausenator Christian Gaebler (SPD) den gordischen Knoten lösen und für mehr Wohnungen in der Stadt sorgen? Die Ziele sind ambitioniert, wenn Berlins Ämter sich nicht untereinander bekriegen würden.
Schneller-bauen-Gesetz: Ausgerechnet Berlin will jetzt allen zeigen, wie das geht
Berlin will weiter wachsen und schneller bauen: In den 70er-Jahren hat es schon mal geklappt. Weltzeituhr und Fernsehturm am Alexanderplatz. (Foto: dpa)
Foto: Monika Skolimowska

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In den Bezirken wird natürlich gleich wieder rumgenölt, wie der Icke-Berliner zu sagen pflegt: "Nö, das wird nüscht mit dem Schneller-bauen-Gesetz!"

Die Zustimmung im Berliner Abgeordnetenhaus mag Formsache sein, aber in den Bezirken regieren Kai Wegner (CDU) und sein Gefolge freilich nicht. Da werden vor allem die brüskierten Grünen dem Regierenden Bürgermeister von Berlin die Grenzen aufzeigen.

Und selbst die Bürger, die eigentlich alle froh sein müssten, wenn endlich wieder neue Wohnungen entstehen in der Hauptstadt und damit der Druck vom Immobilien-Kessel entweichen kann, werden in das Gejammere einstimmen. Die, die eine Wohnung oder ein Häuschen haben, möchte keine Verdichtung - schon gar nicht auf dem Freigelände des Tempelhofer Feldes, wo nach Schließung des alten Flughafens nun Berlins neuer Central Park entstanden ist. Dass SPD-Bausenator Christian Gaebler genau dort einen Wettbewerb zur künftigen Nutzung veranstalten will, werden die Träumer und Illusionisten aus den Innenstadt-Bezirken ihm nicht ohne Widerstand durchgehen lassen.

Bleibt die Frage: was lässt sich also wirklich vom jetzt im Senat abgenickten Masterplan realisieren. Was kann die zweistufige Berliner Bauverwaltung gegen den Dienst nach Vorschrift in grün-roten geführten Bezirken wie Friedrichshain-Kreuzberg oder auch Pankow durchsetzen?

In Berlin fehlen Wohnungen. So viel steht fest. Schon ab Dezember 2024 soll deshalb das neue Gesetz Kraft entfalten, die Beratungen im alten Preußischen Landtag dürften also zügig abgefrühstückt werden. Die SPD weiß (schon seit Jahrzehnten fast exklusiv in der Verantwortung für das Bauressort) eh alles besser. Die Grünen sind wie die AfD neuerdings eigentlich immer dagegen, egal gegen was. Vermutlich, weil sie es immer noch nicht verwunden haben, aus der Regierungsverantwortung entlassen worden zu sein.

In der Sache hat Bausenator Gaebler gleich mehrere Dutzend Einzelmaßnahmen in seinem Gesetzentwurf vom 20. August gebündelt. Oberste Prämisse: Tempo machen. Ganz so wie Berlin es mal vor 100 Jahren vorgelebt hat und im Ost-Teil der Stadt beim letzten großen Aufbäumen der SED-Führung unter Erich Honecker.

Wohnungsbau beschleunigen - gegen allerlei Widerstände

Planungs- und Genehmigungsverfahren sollen gestrafft und standardisiert werden. Die Beamten werden dabei Prüf- und Bearbeitungsfristen berücksichtigen müssen und schneller aus den Hufen kommen. Dafür möchte Gaebler klarere Zuständigkeiten und Abgrenzungen zwischen der Landesebene und den Bezirken einführen. Dass Gaebler dem Senat mehr Einfluss auf bestimmte Verfahren einräumen möchte, hat unterdessen bereits zum ersten Aufschrei in den Rathäusern geführt. Naturschützer, Grüne und Linke sind immer gegen Veränderungen - ihre Devise heißt stets: "Not in our backyard!"

"Wir hoffen sehr, dass dieses Tempo und diese Entschlossenheit auch im jetzt beginnenden parlamentarischen Verfahren beibehalten werden", bekannte immerhin Maren Kern vom BBU Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen. Namhafte Bauherren und Investoren warten derweil erst mal ab, was da wirklich kommen wird am Ende des Verfahrens. Die Euphorie braucht wohl in deren Reihen sicher noch eine ganze Weile. Wenn das mit einer schnelleren Baugenehmigung wirklich Substanz erhält und zur neuen Berliner Behörden-Realität wird, könnte Gaebler vielleicht den gordischen Knoten lösen, der die Kräfte der Immobilien- und Baubranche der gesamten Region gefesselt halten.

Es heißt, bei großen Projekten sollen die Beteiligten frühzeitig gemeinsam am Tisch sitzen und Hindernisse aus dem Weg räumen. Dass mehr Digitalisierung dabei eine verstärkte Rolle einnimmt, sei der Vollständigkeit halber erwähnt. Das erzählt der Regierende Bürgermeister schon länger, ohne dass bisher viel passiert wäre in Berlin. Insgesamt 41 Änderungen gibt es - in neun unterschiedlichen Landesgesetzen sowie einer Rechtsverordnung. 69 Eingriffe betitelt der Bausenator als Maßnahmen - andere würden es gute Ideen oder praktische Tipps für eine schnellere Bearbeitung nennen.

Koalition feiert Novelle als Beweis schnellen Handelns

Angesichts der vielen Eingriffe rühmt sich der Senat selbst dafür, politische Versprechen aus dem Koalitionsvertrag von 2023 zügig umgesetzt zu haben. SPD und CDU regieren erst seit Mai 2023 gemeinsam, nachdem die Bürger Rot-Rot-Grün kurzerhand abgewählt und aus der Verantwortung verbannt haben. Schon im Dezember hat das Parlament die Bauordnung ein Stück weit novelliert, um Geschoss-Aufstockungen, Dach-Ausbauten und mehr Holzbauten zu ermöglichen. Ein Blick zurück in den 136-seitigen Koalitionsvertrag lohnt sich an dieser Stelle zum Vergleich. Die Ziele sind zumindest ambitioniert. Die DWN hat sie geprüft:

20.000 neue Wohnungen jedes Jahr

CDU und SPD wollen durchschnittlich 20.000 neue Wohnungen pro Jahr genehmigen und bauen - davon 5.000 Sozialwohnungen. Landeseigene Wohnungsunternehmen wie WBM, Howoge oder Gesobau müssen 6.500 Wohneinheiten liefern. Beim sogenannten Bündnis für Wohnungsbau und bezahlbares Wohnen sollen Anreize zum Ziel führen. Die Instrumente sind nicht näher benannt.

Besser planen, schneller genehmigen - Verwaltung aufwecken

Die Reform der Berliner Verwaltung ist ein zentrales Anliegen - ohne es sogleich unter zu großen Überschriften zu beerdigen. So wird Ineffizienz und Kompetenz-Wirrwarr diagnostiziert und an die Ämter und Mitarbeiter appelliert. Der Wohnungsbau soll mittels verkürzter Fristen, schnellerer Verfahren, Baugenehmigungen nach Paragraf 34 BauGB und der Prüfung einer sogenannten Genehmigungsfiktion angetrieben werden. Mit ihr gilt ein Bauantrag als genehmigt, wenn alle Unterlagen vorliegen und die Behörde nicht fristgerecht darüber entschieden hat. Die Genehmigungsfiktion ist im Normalfall nur für vereinfachte Verfahren vorgesehen. Die Nachverdichtung von Grundstücken ist ein derartiges Ziel.

Großprojekte: Flughafen Tempelhof für Wohnungsbau heranziehen

Ein städtebaulichen Wettbewerb schwebt dem Senat vor, um das Tempelhofer Feld in Zukunft doch noch zu bebauen - entgegen dem von Berlin in einer Volksbefragung explizit erklärten Willen. Behutsam soll das alles erfolgen, wobei Baustellen nie behutsame Eingriffe in der Natur darstellen. Zum Bau neuer Wohnquartiere werden soziale Angebote in Aussicht gestellt. .Nur die landeseigene Gesellschaften oder Gemeinwohl-orientierte Genossenschaften sollen zum Zug kommen, als ob dies die Sache dadurch besser macht.

Vom Kündigungsschutz zum Katasterwesen

Mit dem Mieterschutz versucht in Berlin schon seit Jahrzehnten jede Regierung zu punkten. Weil das meiste ohnehin in Gesetzen geregelt ist, an die Berlin als Bundesland gar nichts zu melden und zu rütteln hat, sollen Mietstreitigkeiten durch bald eine unabhängige Ombudsstelle geschlichtet werden. Noch eine weitere Ebene in der überbordenden Verwaltung, die Personal und Mittel binden wird - klingt aber gut und fortschrittlich.

Neuer Mietspiegel - diesmal auch für Gewerbeimmobilien

Indianer-Ehrenwort von den beiden Partei-Granden der CDU und SPD, Kai Wegner und Franziska Giffey: Es soll schon bald ein qualifizierter neuer Mietspiegel her. Den letzten hat das Bundesverfassungsgericht geschreddert. Um wenigstens per Übergangslösung die Dämme gegen die Preisflut zu stabilisieren, soll erst einmal ein einfacher Mietspiegel erstellt werden. Der Bausenator reitet an dieser Stelle wie Don Quichotte auf seiner Rosinante ins offene Gelände und kämpft gegen juristische Windmühlen. Was ganz Neues soll es aber trotzdem geben. Berlin möchte eine Bundesratsinitiative starten und auch Gewerbeflächen unter das Preisdiktat eines Gewerbemietspiegels stellen. Einen angemessenen Kündigungsschutz gilt es dabei gleich mit zu vereinbaren.

In den Bezirken mehr Milieuschutz und Datenpflege

Die Bezirke sollen bei Laune gehalten werden, indem ihnen die Ausweisung sozialer Milieuschutzgebiete ermöglicht wird. Sollte wieder mal ein Gericht dazwischen funken, soll die Bundesregierung helfen und der Senat (jenseits auf der anderen Spreeseite im Bundestag) dafür lobbyieren. Von Hoffnung und Träumen genährt ist der Glaube, ein digitales Mieten- und Wohnungskataster einführen zu können. Wer da alles Widerspruch gegen allzu große Transparenz einlegen wird, kann sich beinahe jeder denken.

Zweckentfremdung soll bei Verstößen teuer werden

Ein Zweckentfremdungsverbot soll der missbräuchlichen Nutzung von Wohnraum Einhalt gebieten. Also die Bußgelder hoch!

Da war doch was? Enteignung von Wohnkonzernen?

"Unter der Voraussetzung, dass die vom Senat eingesetzte Expertenkommission zur Umsetzung des Volksentscheids 'Deutsche Wohnen & Co. enteignen' eine verfassungskonforme Vergesellschaftungs-Empfehlung abgibt, verabschiedet die Koalition ein Vergesellschaftungs-Rahmengesetz, das einen Rechtsrahmen und objektive qualitative Indikatoren bzw. Kriterien für eine Vergesellschaftung nach Art. 15 GG in den Geschäftsfeldern der Daseinsvorsorge (z. B. Wasser, Energie, Wohnen) sowie Grundsätze der jeweils erforderlichen angemessenen Entschädigung definiert. Hierbei wird der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt. Das Gesetz tritt zwei Jahre nach seiner Verkündung in Kraft."

Sozialwohnungen auch schon bei mittleren Einkommen

Thema Sozialwohnung: Da läuft in Berlin seit Jahren fast alles schief. Gut dotierte Professoren bleiben in ihrer Kreuzberger Wohnung kleben und zahlen weiterhin mitunter nur 3,50 Euro den Quadratmeter. Ein Recht, das sie sich gewissermaßen ersessen haben. Wer auf eine günstige Wohnung angewiesen ist, guckt derweil in die Röhre. Künftig sollen auch "Normalverdiener " wieder zum Zuge kommen - durch eine neue Förderkulisse. Auch wessen Verdienst über den in Berlin geltenden Einkommensgrenzen für einen Wohnberechtigungsschein liegt, soll mit Kaltmieten zwischen neun und elf Euro unterstützt werden. Bei der Förderung von Sozialwohnungen für untere Einkommensgruppen bleibt alles, wie gehabt. Wie die landeseigenen Wohnungsbaufirmen das hinkriegen sollen beim Neubau, ist ein wohl gehütetes Geheimnis der Regierung Wegner.

Klimaschutz: Energetische Sanierung voranbringen

Auch der Klimaschutz gehört beim Bauen irgendwie dazu. Selbstredend, da werden nicht viele Worte gemacht. Ein Sondervermögen von fünf bis zehn Milliarden Euro soll die energetische Sanierung von Gebäuden voranbringen, heißt es. Das Berlin schon wieder völlig abgebrannt ist, wurde noch nicht zur Kenntnis genommen. Insofern wird es irgendwo anders Kürzungen geben müssen

Energie-Effizienz bei Altbauten

Im Bereich der Berliner Altbauten, also praktisch in der gesamten Berliner Innenstadt, soll besser gedämmt werden und die Energieeffizienz erhöht. Der Fokus soll auf jene Gebäude gerichtet werden, die am schlechtesten isoliert sind, heißt es. In der Bauordnung sollen entsprechende Maßnahmen für den Klimaschutz mittels Typengenehmigungen und der neuen Energie-Effizienzklasse E Berücksichtigung finden.

Weniger Autobahnen, mehr Schlammstadt

Das als grüne Schneise wirkende Tempelhofer Feld soll zwar wohl bebaut werden, aber die Begrünung soll trotzdem irgendwie im Vordergrund des Stadtumbaus stehen - nur andernorts halt. Mit dem Rückbau der Autobahn A 104, einer entbehrlichen Kurzstrecke im Westen Berlins, sollen Zeichen gesetzt werden. Andernorts wird die Deckelung von Autobahnabschnitten des Stadtrings A 100 in Erwägung gezogen und unterstützt - wenn sich ein mutiger Investor findet, der die Finanzierung irgendwie hinkriegt. Berlin will es allen zeigen, wie es geht. Wir bleiben dran!

                                                                            ***

Peter Schubert ist stellv. Chefredakteur und schreibt seit November 2023 bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Immobilienthemen. Er hat in Berlin Publizistik, Amerikanistik und Rechtswissenschaften an der Freien Universität studiert, war lange Jahre im Axel-Springer-Verlag bei „Berliner Morgenpost“, „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ sowie „Welt Kompakt“ tätig. 

Als Autor mit dem Konrad-Adenauer-Journalistenpreis ausgezeichnet und von der Bundes-Architektenkammer für seine Berichterstattung über den Hauptstadtbau prämiert, ist er als Mitbegründer des Netzwerks Recherche und der Gesellschaft Hackesche Höfe (und Herausgeber von Architekturbüchern) hervorgetreten. In den zurückliegenden Jahren berichtete er als USA-Korrespondent aus Los Angeles in Kalifornien und war in der Schweiz als Projektentwickler tätig.


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