Jetzt ist es offiziell: Der britische Konzern Harbour Energy hat das Explorations- und Produktionsgeschäft (E&P) des deutschen Gas- und Ölproduzenten Wintershall Dea vom Chemiekonzern BASF übernommen. Wie BASF am Dienstag mitgeteilt hat, sind die Russland-Aktivitäten des Unternehmens von der Übernahme nicht betroffen.
Die Übernahme, deren Abschluss ursprünglich für das vierte Quartal geplant worden war, ist mit einem Gesamtvolumen von 11,2 Milliarden US-Dollar eine der größten Transaktionen in der jüngeren Geschichte der Öl- und Gasindustrie. Sie umfasst neben der Übertragung der Produktions- und Entwicklungsaktivitäten auch die Explorationsrechte von Wintershall Dea. Ausgeschlossen sind sämtliche Aktivitäten mit Russland-Bezug.
An den Börsen wurde die Übernahme von den Anlegern positiv bewertet. So notierten die Papiere von Harbour Energy am Dienstag zum Börsenschluss um 13 Prozent höher bei 274,90 Pence. Auch die BASF-Aktie legte um 1 Prozent zu und schloss bei 48,96 Euro.
BASF-Rückzug aus fossilem Energiegeschäft
Die bisherigen Anteilseigner der Wintershall Dea, BASF und die luxemburgische Beteiligungsgesellschaft LetterOne, erhalten nach Angaben der BASF eine Barzahlung in Höhe von 2,15 Milliarden US-Dollar, wovon 1,56 Milliarden US-Dollar auf den Ludwigshafener Konzern entfallen.
Darüber hinaus erhalten beide Gesellschafter neue Aktien von Harbour Energy. So liegt der Anteil von BASF nun bei 39,6 Prozent. Insgesamt halten beide Unternehmen 54,5 Prozent an den Briten. “Die Anteile an Harbour Energy bieten ein deutliches Wertsteigerungspotenzial und ermöglichen es BASF, sich in den nächsten Jahren schrittweise und optimiert aus unserer Finanzbeteiligung an dem Unternehmen zurückzuziehen“, sagte BASF-Finanzvorstand Dirk Elvermann anlässlich des Verkaufs.
Zusätzliche Milliarden für Harbour Energy
Mit dem Erwerb des E&P-Geschäfts soll Harbour Energy seine Position als einer der weltweit führenden Öl- und Gasproduzenten weiter ausbauen. So verfügt Wintershall Dea über so genannte “nachgewiesene und wahrscheinliche” Öl- und Gasreserven, kurz 2P-Reserven, die auf 1,1 Milliarden Barrel Öläquivalent geschätzt werden. Diese Menge gilt Marktbeobachtern zufolge als weitgehend sicher und soll nun von Harbour Energy über viele Jahre gefördert und genutzt werden. Der britische Konzern erwartet durch die Übernahme eine Steigerung der täglichen Fördermenge um mehr als 300.000 Barrel Öläquivalent pro Tag auf insgesamt rund 500.000 Barrel.
Vor diesem Hintergrund rechnen Analysten wie Ashley Kelty von der Londoner Investmentbank Panmure Liberum damit, dass die Transaktion bereits im laufenden Geschäftsjahr zu deutlichen Mehreinnahmen für Harbour Energy führen dürfte. Kelty erklärte bereits Ende August 2024 in einer Analyse zur Halbjahresbilanz von Harbour Energy, dass die Übernahme „ein positiver Schritt nach vorne ist und im Geschäftsjahr 2024 zu verbesserten Einnahmen führen sollte“. Basierend auf den aktuellen Marktpreisen für Öl und Gas dürfte Harbour Energy dadurch jährliche Mehreinnahmen im hohen einstelligen Milliardenbereich erzielen.
Ausbau von Öl- und Gasförderung sowie neuen Geschäftsfeldern
Hinzukommen umfangreiche Explorationsrechte an Gas- und Ölvorkommen vor den Küsten Norwegens, Argentiniens, Mexikos, Algeriens und Indonesiens, die das Portfolio von Harbour Energy erweitern und die Abhängigkeit von einzelnen Märkten verringern dürften. “Die Übernahme wird den Maßstab, die geografische Diversität und die Langlebigkeit unseres Portfolios transformieren und unsere Kapitalstrukturen stärken,“ so Harbour Energy-CEO Linda Cook in einer aktuellen Mitteilung des Unternehmens.
Durch die Integration von Wintershall Deas Aktivitäten im Bereich der CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS) positionieren sich die Briten zudem als neuer Player in der Entwicklung von Technologien zur Reduzierung von Kohlenstoffemissionen. Das dürfte dem Konzern nicht nur helfen, seine Umweltziele zu erreichen, sondern auch neue Geschäftsmöglichkeiten zu erschließen.
Russland-Geschäft bleibt außen vor
Das Russland-Geschäft von Wintershall Dea verbleibt bei den bisherigen Anteilseignern BASF und LetterOne. Die Entscheidung, dieses Geschäft von der Übernahme auszuschließen, wurde angesichts des Ukraine-Kriegs und der damit verbundenen politischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten in Russland getroffen. Insbesondere die Enteignung eines Großteils der russischen Vermögenswerte von Wintershall Dea durch die russische Regierung im April 2023 spielte eine entscheidende Rolle bei dieser Trennung.
Trotz der Enteignung hält Wintershall Dea weiterhin Anteile an verschiedenen Joint Ventures mit Gazprom, die von der Enteignung nicht betroffen sind. BASF und LetterOne planen, diese verbleibenden Vermögenswerte in einer neu gegründeten GmbH zu verwalten. Diese Einheit soll sich darauf konzentrieren, die noch bestehenden Beteiligungen in Russland zu managen und potenzielle rechtliche Ansprüche im Zusammenhang mit der Enteignung zu verfolgen.