Panorama

Debatte nach Einsturz: Wer hilft den deutschen Brücken?

Ein Teil der Carolabrücke in Dresden stürzt in die Elbe. Das facht die Diskussion um den Zustand der Straßen und Brücken in Deutschland an, Kritik wird laut. Wie geht es jetzt weiter?
12.09.2024 09:50
Aktualisiert: 12.09.2024 09:50
Lesezeit: 2 min

Als Reaktion auf den teilweisen Einsturz der Dresdner Carolabrücke wird mit Besorgnis über den Zustand der Brücken in Deutschland diskutiert. Forderungen nach weitreichenden Investitionen werden laut. In der sächsischen Landeshauptstadt muss zudem geklärt werden, wie der Wiederaufbau der wichtigen Verkehrsader gelingen kann: Die Haushaltslage der Stadt gilt derzeit als äußerst angespannt.

Brückenexperte: „Es ist fünf nach zwölf“

Brückenexperte Martin Mertens kritisiert den schlechten Zustand vieler Großbrücken in Deutschland. „Grundsätzlich kann man sagen, dass bei den Großbrücken alle Brücken, die vor 1980 gebaut worden sind, unsere Problempatienten sind“, sagte der Professor von der Hochschule Bochum. Das seien wegen des regelrechten Baubooms nach dem Zweiten Weltkrieg leider die meisten. Die Politik müsse reagieren. „Dresden zeigt ganz klar: Es ist fünf nach zwölf.“

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund fordert wegen des schlechten Zustands der Brücken eine „Investitionsoffensive Infrastruktur“. Den Kommunen fehlten die finanziellen Mittel für die dringend notwendigen Sanierungsarbeiten, sagte Hauptgeschäftsführer André Berghegger den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Der Einsturz der Carolabrücke in Dresden macht auf erschreckende Weise deutlich, dass Deutschland von der Substanz lebt.“

Carolabrücke „trauriges Symbol der deutschen Infrastruktur“

Auch der Präsident des Zentralverbandes Deutsches Baugewerbe, Wolfgang Schubert-Raab, hält laut einer Mitteilung Investitionen für dringend nötig. Den Einsturz in Dresden bezeichnete er als „trauriges Symbol der deutschen Infrastruktur“, das den dringenden Handlungsbedarf vor Augen führe.

Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie pocht nach dem Teileinsturz darauf, der Sanierung von Brücken in Deutschland oberste Priorität einzuräumen. „Der Vorfall zeigt eindrücklich, wie hochsensibel unsere Verkehrsinfrastruktur ist und welchen wichtigen Part unsere Brücken übernehmen“, sagte Hauptgeschäftsführer Tim-Oliver Müller. Das Augenmerk auf diese Schlagadern müsse oberste Priorität haben. Das gelte nicht nur mit Blick auf den Vorfall in Dresden. „Das ist eine politische Aufgabe und gesellschaftliche Verpflichtung.“

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) wies in der Haushaltsdebatte im Bundestag darauf hin, dass im kommenden Jahr mehr als neun Milliarden Euro für Investitionen in Bundesfernstraßen und Brücken bereitstünden. Mit Blick auf den Einsturz der Carolabrücke in Dresden erläuterte er, sie stehe in kommunaler Verantwortung und habe deswegen mit dem Bundeshaushalt nichts zu tun. „Aber man sieht an dieser Brücke, wie gefährlich es ist, wenn in Infrastruktur nicht sorgfältig investiert wird.“

Korrosion als mögliche Ursache

In der Nacht zu Mittwoch stürzte ein etwa 100 Meter langes Stück der Carolabrücke, über das Straßenbahngleise sowie ein Fuß- und Radweg führten, in die Elbe. Verletzt wurde niemand. Auch der Rest der Brücke gilt nun als einsturzgefährdet. Die Ursache war zunächst unklar, die Polizei geht aber nicht von einer Fremdeinwirkung aus. Eine Anfangsvermutung sei, dass Korrosion einen wesentlichen Beitrag zum Einsturz geleistet habe, sagte Steffen Marx, Professor am Institut für Massivbau an der TU Dresden.

Die Arbeiten würden sich aktuell darauf fokussieren, einen verkehrssicheren Zustand herzustellen, so Marx. Dabei müsse man langsam vorgehen, sagte Michael Klahre, Sprecher der Feuerwehr. „Denn jeder Mann, jede Frau, der sich in die Nähe der Brücke begibt, der sich unter der Brücke aufhält oder obendrauf, begibt sich in Lebensgefahr.“

Auswirkungen auf Stadtverkehr

Die Brücke – eine der wichtigsten Verkehrsadern der Dresdner Innenstadt – galt schon lange als Sanierungsfall. In den vergangenen Jahren wurden bereits Teile der Brücke für den Autoverkehr saniert, für das nächste Jahr war die Sanierung des nun eingestürzten Brückenzuges geplant.

Vor massiven Auswirkungen auf den Dresdner Stadtverkehr „über viele Monate, wenn nicht Jahre“ warnte die Stadtratsfraktion der Grünen in einer Mitteilung. Sorgen bereite ihr auch die finanzielle Herausforderung, die die Landeshauptstadt mit diesem Unglück ereile, sagte Fraktionsvorsitzende Agnes Scharnetzky. „Hier liegt auf der Hand, dass die Stadt allein nicht über die Mittel verfügt.“ Scharnetzky forderte dazu Gespräche mit Bund und Land.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Rutte warnt in Berlin: Russland sieht Europa als nächstes Ziel
11.12.2025

Bundeskanzler Merz und Nato-Generalsekretär Rutte haben in Berlin Alarm geschlagen. Russland ziele nicht nur auf die Ukraine, sondern...

DWN
Finanzen
Finanzen Münchener Rück-Aktie: Neue Strategie setzt deutliche Gewinneffekte frei
11.12.2025

Die Münchener Rück-Aktie gewinnt an Tempo – und das aus gutem Grund. Die neue Strategie Ambition 2030 verspricht höhere Gewinne,...

DWN
Politik
Politik Analyse: Putin und Trump spielen im selben Team gegen Europa
11.12.2025

Putin und Trump sprechen plötzlich dieselbe Sprache. Europas Zukunft steht auf dem Spiel, während Washington und Moskau ein gemeinsames...

DWN
Technologie
Technologie Halbleiter-Förderung: Dresden und Erfurt erhalten grünes Licht
11.12.2025

Europa hängt bei Chips weiter an Asien – nun greift die EU zu einem Milliardenhebel. Deutschland darf zwei neue Werke in Dresden und...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB erhöht Druck: Vereinfachte Regeln für Europas Banken
11.12.2025

Die EZB drängt auf einfachere EU-Bankenvorschriften und will kleinere Institute entlasten. Doch wie weit darf eine Reform gehen, ohne...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ifo-Institut korrigiert Wirtschaftsprognose: Deutschlands Aufschwung bleibt schwach
11.12.2025

Die neue Wirtschaftsprognose des Ifo-Instituts dämpft Hoffnungen auf einen kräftigen Aufschwung. Trotz Milliardeninvestitionen und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Klimarisiken: Unternehmen gefährden ihre Umsätze durch schwaches Risikomanagement
11.12.2025

Unternehmen geraten weltweit unter Druck, ihre Klimarisiken präziser zu bewerten und belastbare Strategien für den Übergang in eine...

DWN
Politik
Politik Trump warnt die Ukraine und verspottet Europa. „Am Ende gewinnt der Stärkere“
11.12.2025

US-Präsident Donald Trump erhöht den Druck auf die Ukraine und attackiert gleichzeitig europäische Staatschefs. Seine Aussagen im...