Das Gebäudeenergiegesetz (auch Heizungsgesetz genannt) brachte für Hausbesitzer den staatlich angeordneten Heizungstausch und damit die Umstellung auf Wärmepumpen und Fernwärme auf den Weg. Das führt zu weiteren Mehrkosten für den Verbraucher und die Netzbetreiber, denn es ist geplant schrittweise bis 2045 große Teile des vorhandenen Erdgasnetzes abzubauen. Die Versorgung muss aber parallel weiterlaufen und das kostet zusätzlich Geld.
„Wir schaffen faire Netzentgelte für die Menschen und Unternehmen, die in Regionen mit einem starken Ausbau der Erneuerbaren leben und wirtschaften. Die Energiewende ist eine Gemeinschaftsaufgabe, und Investitionen in die Netze kommen allen zugute“, sagt Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur, in der letzten Pressemitteilung.
Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hat jetzt eine Idee, wie die deshalb notwendige Erhöhung der Gasbetriebskosten schon vorher auf die Verbraucher umverteilt werden kann.
Bis zu 40 Prozent – Netzentgelt kann massiv steigen
Damit in Zukunft die letzten Gaskunden keine astronomischen Netzpreise bezahlen müssen, beabsichtigt die Bundesnetzagentur, diese Kosten schon jetzt den Verbrauchern zuzumuten. Dafür dient das Verfahren „KANU 2.0“. Eine erste Erhöhung von rund 20 Prozent soll bereits ab kommenden Jahr eintreten. Manche Prognosen sprechen auch von bis zu 40 Prozent.
Der Grund dafür: Immer weniger Kunden nutzen Gas, weswegen das Gasnetzentgelt auf immer weniger Schultern verteilt werden muss. Dem Handelsblatt zufolge ist der Hintergrund dafür der Umstieg auf Wärmepumpen und andere alternative Heizgeräte; wer mit solchen heizt, braucht eben keine Gasheizung mehr.
In einem ersten Entwurf teilte die Energiebehörde mit: "Mit KANU 2.0 werden für die Gasnetzbetreiber bundesweit die Abschreibungsmodalitäten weitgehend flexibilisiert. Denn es ist zu erwarten, dass bei abnehmenden Nutzerzahlen die Kosten nicht in gleichem Maße sinken. Dann würden die verbleibenden Nutzer ohne die vorgeschlagene Anpassung über die Zeit immer höhere Entgelte zu tragen haben."
KANU 2.0 ist eine Weiterentwicklung von KANU (kalkulatorische Nutzungsdauer) aus dem Jahr 2022. Dabei ging es um Abschreibungen für neue Gasanlagen in der Leitungsinfrastruktur. Die Netzbetreiber sollen damit während der Umwandlung des Energiesystems auch künftig wirtschaftlich agieren können.
Ziel: Von 20 Millionen auf null
In Deutschland gibt es momentan rund 20 Millionen mit Erdgas beheizte Haushalte – noch. Im Laufe der kommenden Jahre dürfte sich diese Zahl aber kontinuierlich verringern, um irgendwann nach Wunsch der Bundesregierung ganz auf null zu sinken. Dafür sorgt das seit Jahresanfang geltende Gebäudeenergiegesetz. Der Heizungstausch verlangt die Abkehr von fossilen Brennstoffen wie Gas und Erdöl. Stattdessen sollen künftige neu installierte Heizsysteme mit mindestens 65 Prozent erneuerbarer Energie betrieben werden. Das gilt schon jetzt für Neubauten, ab 2026 dann auch teilweise für Bestandsgebäude.
Problem: Je weniger Gaskunden, umso höher die Netzentgelte
Bis alle Haushalte im Zuge der sogenannten Wärmewende umgestiegen sind, bleibt das Gasnetz bestehen – und damit dessen Betriebskosten. Diese bezahlen die Gaskunden über die Gasnetzentgelte. Je weniger Gaskunden es aber gibt, umso höher werden künftig diese Netzentgelte für jeden einzelnen Gasverbraucher sein. Am Ende müsste der letzte Gaskunde die kompletten Netzkosten tragen. Mit KANU 2.0 will die BNetzA dieses Szenario vermeiden.
Gas geht ab 2035 schrittweise vom Netz
Die Gasnetzbetreiber sollen die Gesamtkosten ihrer Gasnetze bis zum Jahr 2045 kalkulieren. Nur so lange soll das Gasnetz in Deutschland noch bestehen bleiben. In Ausnahmefällen sollen Teile des Gasnetzes schon ab 2035 außer Betrieb gehen können. Mit dieser Kalkulation sollen die Netzbetreiber die anfallenden Kosten gezielt und gleichmäßig verteilen können, um die Netze zu refinanzieren. Das macht die Gasnetze zudem in der Bilanz nach 2045 wertlos und die Netzbetreiber haben weniger Grund, an ihnen festzuhalten.
Verband Kommunale Unternehmen (VKU) begrüßt Entwurf
Dieser Wandel ist vorwiegend für die Kommunen und Stadtwerke im Land von großer Bedeutung. Der Verband Kommunale Unternehmen (VKU) zeigt sich erfreut über KANU 2.0. VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing teilte dazu mit: „Wir begrüßen den Festlegungsentwurf. Er bietet Netzbetreibern mit Blick auf die angestrebte Gasnetztransformation die notwendige Flexibilität bei Abschreibungen hinsichtlich Startzeitpunkt, Nutzungsdauer und Abschreibungsmethode.“
Die Gasnetzbetreiber könnten dadurch ihre Kosten auf die nächsten Jahre verteilen, um die Netze innerhalb ihrer jeweils geplanten Nutzungsdauer auch abschreiben zu können. „Die weiterhin notwendigen Investitionen in die Erdgasnetze lassen sich so perspektivisch amortisieren“, so Liebing.
Dennoch gab der Hauptgeschäftsführer zu bedenken: „Es ist allerdings ein komplexes Regelungswerk, das noch einige Klarstellungen erfordert. Kritisch ist, dass die Festlegung nur bis 2027 befristet ist. Die BNetzA sollte daher in der Festlegung am besten direkt klarstellen, dass KANU 2.0 in den Nachfolgeregelungen ab 2028 fortgeführt wird.“
Kritik: Stilllegungen der Gasnetze kostet Geld
Liebing wies zudem darauf hin, dass auch verkürzte Abschreibungszeiträume und mögliche Stilllegungen der Gasnetze die Netzkosten erhöhen. Das könne zu höheren Gaspreisen führen. Deshalb „müssen wir schon jetzt darüber sprechen, ob wir als Absicherung ein staatliches Kompensationskonto brauchen. Der Staat finanziert aus Steuermitteln den Hochlauf der neuen Welt, aber die Stilllegung der alten Welt kostet auch etwas“, mahnte der Hauptgeschäftsführer.
Mit einem staatlichen Kompensationskonto würden laut Liebig die Gaskunden entlastet. „Im Ergebnis geht es darum, unverträgliche Kostensteigerungen für die Kunden zu vermeiden.“
Alternative: Wasserstoff im Erdgasnetz?
Deutschland besitzt eine rund 500.000 Kilometer lange Gasnetzinfrastruktur. Diese soll bis 2045 entweder komplett stillgelegt und zurückgebaut oder teilweise für die Wasserstoffnutzung umgewidmet werden. Eine weitreichende Versorgung der Bevölkerung mit „grünem“ Wasserstoff als Energieträger ist Ziel der Bundesregierung.
Aber in das bestehende Erdgasnetz kann Wasserstoff nicht problemlos eingespeist werden. Denn Erdgas (überwiegend Methan) hat eine andere chemische Zusammensetzung als Wasserstoff. Laut Energieversorger EnBW können nur bis zu 30 Prozent Wasserstoff ins bestehende Erdgasnetz beigemischt werden. Wasserstoff ist deutlich flüchtiger als Erdgas. Daher müssen die Leitungen und andere Komponenten der Infrastruktur die entsprechenden Anforderungen erfüllen.