Politik

Ukrainekrieg: Selenskyj und Putin rüsten weiter auf. Steht die Herbstoffensive bevor?

Die Aufrüstung geht weiter: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die westlichen Partner erneut zu mehr Tempo bei den versprochenen Lieferungen zur Stärkung der Flugabwehr aufgefordert. Dabei wandte er sich einmal mehr gegen ein Einfrieren des Konflikts. Russlands Staatspräsident Wladimir Putin hielt derweil eine Sitzung zur Lage des Militärs und Rüstungssektors ab.
19.09.2024 10:00
Lesezeit: 2 min

Sowohl Kremlchef Putin als auch sein ukrainischer Gegenpart Selenskyj fordern mehr Tempo bei der Ausrüstung des eigenen Militärs. Der Generalstab in Kiew zeichnet ein düsteres Bild von den Bedingungen an der Ostfront. Gerade zu Herbstbeginn sei es wichtig, eine effiziente Flugabwehr zu haben, sagte Selenskyj mit Blick auf die systematischen russischen Angriffe gegen die Energie- und Wärmeversorgung. Er wandte sich einmal mehr gegen ein Einfrieren des Konflikts. Die Ukraine und ganz Europa bräuchten langfristig Sicherheit. Das sei nur durch einen gerechten Frieden zu erreichen.

Zur Lage an der Front äußerte er sich nicht detailliert. Gleich zu Beginn lobte er den Drohnenangriff auf ein Munitionsdepot bei der nordwestrussischen Kleinstadt Toropez.

In der Nacht zuvor war es durch einen ukrainischen Drohnenangriff Medienberichten zufolge zu einer Serie von Explosionen in dem Depot gekommen. Wegen des auf die nahegelegene Stadt Toropez übergreifenden Feuers mussten die Bewohner in Sicherheit gebracht werden. Es gab Behördenangaben zufolge mehrere Verletzte.

Selenskyj: Alles läuft nach Plan in Kursk

Die Kämpfe in der westrussischen Region Kursk, wo Moskauer Truppen versuchten, die ukrainische Gegenoffensive zu kontern, verlaufen seinen Angaben zufolge nach dem Plan Kiews. Unabhängigen Militärbeobachtern zufolge konnten die Ukrainer die russischen Angriffe tatsächlich vorerst stoppen. Unklar hingegen ist, ob der darauffolgende ukrainische Vorstoß zur Einschließung russischer Truppenteile erfolgreich war.

Den von russischen Truppen bedrängten Verteidigern der Städte Pokrowsk, Torezk und Kurachowe im ostukrainischen Gebiet Donezk versprach er baldige Verstärkung. Seiner Darstellung nach sind inzwischen neue Brigaden aufgebaut, allerdings noch nicht vollständig mit Waffen ausgerüstet.

Schwere Kämpfe im Osten der Ukraine

Der Generalstab in Kiew wiederum kennzeichnete in seinem abendlichen Lagebericht die Kämpfe speziell zwischen Pokrowsk und Kurachowe als schwer. Mehr als die Hälfte der über 150 russischen Angriffsversuche des Tages hätten in dem Frontabschnitt stattgefunden. Mehrere dieser Attacken liefen noch, hieß es.

Putin hält Sitzung zur Lage des Militärs und Rüstungssektors ab

Derweil hat Kremlchef Wladimir Putin eine Videokonferenz mit ranghohen Militärs und Beamten aus der Rüstungswirtschaft abgehalten. Darin begründete er auch die jüngst befohlene Anhebung der Truppenstärke. Dies sei für die neuen Wehrbezirke notwendig, sagte er. Für die dort entstehenden Truppenteile würden gut an Waffen ausgebildete neue Soldaten gebraucht. „Eben zur Lösung dieser Aufgabe wurde vor Tagen das Dekret über die Festlegung der Truppenstärke der Streitkräfte veröffentlicht“, so Putin.

Am Montag hatte Putin per Dekret befohlen, die Streitkräfte auf etwa 2,4 Millionen Mann aufzustocken, darunter 1,5 Millionen Soldaten – seit dem Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 wurde die Sollstärke des Militärs damit zum dritten Mal erhöht.

Reaktion auf Nato-Erweiterung

Die Schaffung neuer Wehrbezirke für die Regionen Leningrad – für das Umland von St. Petersburg wird in Russland immer noch der sowjetische Name Leningrad verwendet – und Moskau hatte der Kreml Ende 2023 verkündet. Damit einher geht der Aufbau neuer Militärstützpunkte und Truppenteile. Die Notwendigkeit der Wehrbezirke hatte der russische Generalstabschef Waleri Gerassimow damals unter anderem mit dem Nato-Beitritt von Schweden und Finnland begründet. Auf den Auslöser dieser Vorgänge, den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, ging Gerassimow nicht ein.

In der Videokonferenz forderte Putin Aufrüstung und Militarisierung weiter zu forcieren. In Zukunft werde die russische Armee neue moderne Waffen nicht mehr stückweise, sondern in Serie bekommen, kündigte er an. In den Waffenschmieden und Raketenlabors sollten auch die Erkenntnisse aus dem Krieg genutzt werden, sagte der Kremlchef, der am Donnerstag eine Waffenfabrik in St. Petersburg besuchen will.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Politik
Politik Warum sprechen diese Woche alle über Trumps „Big Beautiful Bill“?
01.07.2025

Es ist Trumps größtes Prestigeprojekt. Doch welche Vor- und Nachteile hat das Gesetzespaket, das am Freitag unterschriftsreif auf dem...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kernenergie-Aktien explodieren um 542 Prozent: Anleger warnen vor Blasenbildung
01.07.2025

Kernenergie-Aktien feiern ein spektakuläres Comeback – befeuert durch den steigenden Strombedarf für Rechenzentren. Die Branche erlebt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Svenska Digitaltolk: Dolmetscher-Gigant kauft KI-Unternehmen – Millionenumsatz prognostiziert
01.07.2025

Schwedens Dolmetscher-Gigant will Europas Übersetzungsmarkt aufrollen – mit KI, Millionenplänen und dem Griff nach Deutschland. Doch...

DWN
Politik
Politik Grenze zu – zumindest teilweise: Polen kontrolliert ab Montag
01.07.2025

Polen wird ab kommendem Montag vorübergehend wieder Grenzkontrollen an der Grenze zu Deutschland einführen. Das kündigte...

DWN
Politik
Politik Krankenkassen schlagen Alarm: Zusatzbeiträge könnten deutlich steigen
01.07.2025

Die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) warnen vor Druck zu neuen Beitragserhöhungen ohne eine rasche Bremse für steigende Kosten....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Thyssenkrupp-Umbau betrifft Tausende – Betriebsräte fordern Klarheit
01.07.2025

Angesichts weitreichender Umbaupläne bei Thyssenkrupp fordern die Beschäftigten klare Zusagen zur Zukunftssicherung. Betriebsräte pochen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Neues Werk für NATO-Kampfjet: Rheinmetall startet Produktion in NRW
01.07.2025

Der Rüstungskonzern Rheinmetall hat in Weeze (Nordrhein-Westfalen) eine hochmoderne Fertigungsanlage für Bauteile des Tarnkappenbombers...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Investitionsstau: Kaputte Straßen, marode Schulen – Kommunen am Limit
01.07.2025

Viele Städte und Gemeinden stehen finanziell mit dem Rücken zur Wand: Allein die Instandhaltung von Straßen, Schulen und...