Aktien gelten unter Experten als die rentabelste Anlageklasse. Laut dem “Global Investment Returns Yearbook 2024” erzielte ein global gestreutes Portfolio seit dem Jahr 1900 eine inflationsbereinigte Rendite von 5,1 Prozent pro Jahr.
Die Zahl berücksichtigt zahlreiche Wirtschaftskrisen, zwei Weltkriege und Phasen hoher Inflation. Die Forscher der London Business School untersuchten dabei die Entwicklung von Aktien in über 20 Ländern, darunter die USA, Deutschland und Japan.
5 Prozent Realrendite bedeuten langfristig einen enormen Vermögenszuwachs. Wer einen günstigen ETF kauft (Kostenquote TER von 0,2 Prozent pro Jahr) und den typischen Steuern in Deutschland unterliegt (26,375 Prozent Abgeltungssteuer und Soli ohne Kirchensteuer), der braucht knapp 15 Jahre, bis sich ein Einmalinvestment nach Steuern verdoppelt hat (Verdreifachung: 24 Jahre, Vervierfachung: 31 Jahre).
Experten erwarten geringere langfristige Aktienrendite
Einige Experten rechnen aber künftig mit geringeren Renditen als in der Vergangenheit. Etwa schätzt der Kapitalmarktforscher Felix Haase die inflationsbereinigte Rendite auf 4 bis 4,5 Prozent pro Jahr auf Sicht der kommenden 30 Jahre, wie er schriftlich gegenüber DWN erklärt. Der Ökonom beschäftigte sich im Rahmen seiner Doktorarbeit an der Universität Trier mit der Voraussage von Kapitalmarktrenditen.
Die drei Autoren des “Global Investment Returns Yearbook 2024” rechnen sogar bloß mit 4,5 Prozent pro Jahr nach Abzug der Inflation. Das wäre deutlich weniger als bei früheren Generationen: Etwa konnten die Babyboomer seit dem Jahr 1950 noch eine reale Aktienrendite von 6,8 Prozent erzielen, bei der Generation X waren es seit dem Jahr 1970 5,4 Prozent und bei den Millenials 4,5 Prozent seit 1990.
Auch ein gemischtes Portfolio aus Aktien und Anleihen soll laut der Prognose künftig deutlich geringer rentieren als bei allen drei früheren Generationen (Prognose von 3,5 Prozent pro Jahr versus mindestens 4,9 Prozent bei früheren Generationen).
Die beiden größten Vermögensverwalter der Welt - Blackrock und Vanguard - rechnen vor allem bei US-Aktien mit weniger Zugewinnen. US-Aktien sind derzeit vergleichsweise teuer - zum Beispiel nach dem Kurs-Gewinn-Verhältnis und dem Kurs-Buchwert-Verhältnis.
Etwa erwartet Vanguard in den kommenden 30 Jahren nominale Renditen von 5,9 Prozent pro Jahr in den USA, 8,4 Prozent in den Schwellenländern und 7,8 Prozent in den Industrieländern ohne USA (in US-Dollar).
Blackrock rechnet auf Sicht von 20 Jahren mit 5,7 Prozent beim US-Aktienindex MSCI USA, 7,8 Prozent beim Schwellenländerindex MSCI Emerging Markets und 6,7 Prozent beim MSCI Europe (jeweils in Euro).
Gründe für die geringeren Aktienrenditen
Laut Felix Hasse lassen sich die nominalen Aktienrenditen in drei Bestandteile zerlegen: Dem Wachstum der Unternehmensgewinne, der Dividendenrendite und der Veränderung der aktuellen Bewertung von Aktien, ausgedrückt als prozentuale Veränderung des Kurs-Gewinn-Verhältnisses.
Gehe man davon aus, dass die Unternehmensgewinne und die Dividendenrenditen ebenso rasch steigen werden wie seit dem Jahr 1926 im S&P 500 und Aktien aufgrund des derzeit erhöhten Bewertungsniveaus langfristig um bis zu 0,5 Prozentpunkte pro Jahr schwächer rentieren werden, komme man zu einer Nominalrendite von 6,5 bis 7 Prozent.
Die Inflation könnte gleichzeitig mit 2,5 Prozent pro Jahr etwas höher ausfallen als die Zielrate der Notenbanken von 2 Prozent, schätzt Haase. Gründe könnten demographische Effekte sein, die ökologische Transformation (“Greenflation”), größere wirtschaftliche Unsicherheiten wie eine restriktivere Handelspolitik und eine stagnierende oder rückläufige Globalisierung.
Laut dem US-Vermögensverwalter Fidelity waren die vergangenen 40 Jahre äußerst günstig für die Anlageklasse Aktien. Der zunehmende globale Handel und das Wirtschaftswachstum in vielen Teilen der Welt habe die Kurse nach oben getrieben.
“Wenn sich diese langfristigen globalen Wachstumstrends tatsächlich verlangsamen, bedeutet dies möglicherweise, dass die Aktienmarktrenditen im Laufe der nächsten 20 Jahre weniger Unterstützung erhalten”, schätzt Fidelity in einem Online-Artikel.
Gründe für ein langsameres BIP-Wachstum könnten die alternden Bevölkerungen in Japan und vielen europäischen Ländern sein, die am Arbeitsmarkt weniger aktiv seien. Außerdem könnten die Anleihenrenditen geringer ausfallen, falls die Notenbanken mit sinkenden Zinsen auf das niedrigere Wirtschaftswachstum reagieren sollten.
Allerdings seien auch gegenläufige Trends vorstellbar, etwa eine höhere Produktivität durch KI, durch Zuwanderung in die Arbeitsmärkte und durch Bevölkerungswachstum. Letztendlich sei eine Prognose schwierig, erklärt Fidelity. “Diejenigen Anleger, deren Portfolios über ein breites globales Chancenspektrum gut diversifiziert sind, sind möglicherweise am besten positioniert, um vom künftigen Wachstum zu profitieren, auch wenn es langsamer sein mag.”
Zuverlässigkeit und Sinnhaftigkeit von Prognosen
Auch Felix Haase warnt vor voreiligen Schlüssen. “Grundsätzlich unterliegen Renditeprognosen einer hohen Unsicherheit.” Ein geeignetes Vorhersagemodell zu finden gestalte sich in der Praxis als schwierig - und selbst bei einem erfolgversprechenden Modell könnten sich zugrunde liegende Annahmen als falsch erweisen. Zudem sei unter Experten umstritten, ob langfristige Renditen besser voraussagbar seien als kurzfristige.
Die Prognosemodelle hätten häufig Einfluss auf die Wahl einer Asset Allocation, also der Aufteilung des Vermögens in Prozent über verschiedene Anlageklassen wie Aktien oder Anleihen. “Dabei steht weniger die statistische Genauigkeit von Punktprognosen, sondern mehr die Herleitung der Portfoliogewichte für einen Investor im Vordergrund”, erklärt Haase.
Eine guten Hinweis auf die künftigen Renditen liefere die Shiller-Ratio (auch CAPE bzw. Shiller-KGV genannt). Diese setzt den aktuellen Aktienkurs ins Verhältnis zum durchschnittlichen, inflationsbereinigten Unternehmensgewinn pro Aktie in den vergangenen zehn Jahren.
Allerdings unterschätze das Shiller-KGV den Einfluss der Geldpolitik und der Unternehmensgewinne auf die langfristige Aktienrendite, erklärt Haase. Daher empfehle es sich für langfristige Renditeprognosen, auch plausible Annahmen über die Dividendenrendite und das Wachstum der Unternehmensgewinne zu treffen.
Was bedeutet das für Anleger?
Anleger sollten Aktien gleichwohl nicht meiden - trotz der Aussicht auf geringere Renditen. Denn selbst eine reale Rendite von 4 Prozent pro Jahr wäre deutlich mehr als die Zugewinne, die Tagesgelder, Festgelder oder sichere Staatsanleihen historisch abwerfen konnten.
Wer daher ein breit gestreutes und kostengünstiges Aktienportfolio langfristig hält und regelmäßig investiert, ohne auf sinkende oder steigende Kurse zu spekulieren (auch Buy and Hold genannt), dürfte auf Sicht von zehn Jahren und mehr mit hoher Wahrscheinlichkeit besser dastehen als ein reiner Zinsanleger. Eine Möglichkeit hierfür sind günstige Weltaktien-ETFs auf Indizes wie den FTSE All-World, den MSCI ACWI oder den MSCI ACWI IMI.