Die Presse und öffentlich-rechtlichen Medien im Lande werden immer wieder mal als „die vierte Gewalt“ im Staate angesehen. Verfassungsrang genießen Journalisten zwar nicht. Aber durchaus so manches Privileg, um ihre Aufgaben bei der Begleitung und Kontrolle der politischen Prozesse und des gesellschaftlichen Miteinanders erfüllen zu können. An ihrer Objektivität wird in Teilen der Bevölkerung gezweifelt.
In jüngster Zeit ist das Vertrauen in die Medien ins Rutschen gekommen, mancherorts geradezu erodiert. Erinnert sei hier nur an die regelmäßigen Pegida-Demonstrationen in Dresden. Das böse Wort von der „Lügenpresse“ machte dort die Runde und schaukelte sich als Schlagwort und Kampfbegriff bundesweit zu einem scheinbar antagonistischen Konflikt zwischen Bürgern und Presse hoch. Statt zu kommunizieren, was hehre Aufgabe und Anspruch des Journalismus sein sollte, machten schnell beide Seiten die Schotten dicht.
Die Rädelsführer auf beiden Seiten beäugen sich seither teils in Feindschaft, Aversion und Voreingenommenheit. Und das in einer Zeit der Wirtschaftskrisen, realen und hybriden Kriegen sowie einer Migrations-Druckwelle, die ganz Europa in ihren Fundamenten erschüttert. Statt zusammenzustehen, um nach Lösungen zu suchen, werden zunehmend mehr Verdächtigungen ausgesprochen und publik – der gängige Begriff der „Fake News“ spricht Bände.
Doch wie ist die Lage tatsächlich? Bilden die Berichte und Reportagen von Demonstrationen und Protestkundgebungen wirklich die Meinung der Öffentlichkeit in ihrer Breite wieder? Die Uni Dortmund wollte dies genauer wissen und untersucht bereits seit ein paar Jahren in einer umfassenden Langzeitstudie das Spannungsverhältnis Journalismus und Demokratie. Jetzt sind aktuelle Ergebnisse über die intrinsische Motivation und die Beweggründe der Journalisten bei ihrer Berufswahl und in ihren täglichen Abwägungsprozesse der Nachrichtenauswahl bekannt geworden. Auffällig und diskussionswürdig sind dabei einige Spitzen.
So verblüffen insbesondere die Ergebnisse auf die Fragestellung nach einer politischen Neigung und Parteienpräferenz. Obwohl die Partei von Bündnis 90/Die Grünen bei den letzten Wahlen bestenfalls auf zehn bis 13 Prozent Zustimmung gestoßen sind, geben 41 Prozent der Journalisten freimütig zu, den Positionen der Grünen nahezustehen, was im beruflichen Alltag seinen Niederschlag finden dürfte. Die AfD wiederum taucht in der Statistik nicht einmal auf, während das BSW es gerade mal auf ein mickriges Prozent schafft. Die Nähe zur SPD räumen indessen 16 Prozent der Befragten ein, zur Union acht Prozent, der Linken sechs Prozent und zur FDP drei Prozent. 23 Prozent er Journalisten, und das ist der Hoffnungsschimmer, geben immerhin zu Protokoll „keine Partei“ zu präferieren oder gar zu begünstigen.
Als repräsentative Gruppe wurden vom März bis Juni 2024 insgesamt 525 Journalisten befragt, die im Schnitt 47 Jahre alt waren - zu 54 Prozent männlich, zu 45 Prozent weiblich und ein Prozent divers. Sie berichten zu 62 Prozent online, zu 51 Prozent für Printprodukte wie Zeitungen und Magazine, zu 28 Prozent für den Hörfunk, 26 Prozent für das Fernsehen, 24 Prozent auf Social-Media-Kanälen, drei Prozent für Agenturen oder Nachrichtendienste wie dpa oder Reuters. Die Quote von Chefredakteuren und Ressortleitern (leitende Redakteure) betrug sechs bzw. 21 Prozent gegenüber 73 Prozent Content liefernden Journalisten. 62 Prozent sind festangestellt, 37 Prozent Freelancer und Freiberufler. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk war mit 40 Prozent vertreten, private Anbieter und Verlage zu 60 Prozent. Fünf Prozent gaben an, dass sie per Crowdfunding oder Spenden finanziert werden oder Genossenschaften und Stiftungen nahestehen.
Vorwurf der Verbreitung von „Fake News“ perlt an Journalisten ab
Bemerkenswert, dass mit 74 Prozent gut Dreiviertel aller Journalisten die Glaubwürdigkeit als ihre oberste Prämisse ansehen und zu 82 Prozent der Überzeugung sind, man könne den Nachrichten (als objektiv und der Wahrheit verpflichtet) durchaus Glauben schenken. Man könnte daraus schlussfolgern, dass es für den Vorwurf, wissentlich und gezielt „Fake News“ zu verbreiten, keinerlei Verständnis gibt. Die Überzeugung, dass Journalisten einen Beitrag zur Stärkung der demokratischen Institutionen im Lande beitragen überwiegt.
Auf die Frage nach der Selbsteinschätzung in den Medien kam heraus, dass 30 Prozent der befragten Journalisten tatsächlich selbst annehmen, dass die Kollegen (und damit die Branche) zu gut 30 Prozent den Grünen nahestehen. Sowohl FDP, BSW, CSU als auch die Linke bekommen hier jeweils nur ein Prozent Zustimmung, die SPD 16 und die CDU sieben Prozent. 20 Prozent können dies nicht einschätzen, während 17 Prozent der Hoffnung anhängen, dass die Journalisten neutral und unparteiisch agieren. Dass die Grünen tatsächlich mit über 40 Prozent im Journalismus auf Sympathie und Gegenliebe stoßen, ist insofern eine Überraschung und ein Punkt, der im Diskurs über Aufgabe und Stellenwert der Medien Beachtung finden sollte.
Es gibt allerdings auch positive Aspekte, die die Untersuchung offenbart: zum Beispiel zur Frage, welchen Einfluss Wirtschaft und Politik auf den Journalismus ausüben (siehe große Grafik) bzw. auch umgekehrt Journalisten durch ihre Berichterstattung tatsächlich Themen setzen und am sogenannten Agenda-Setting partizipieren. 63 Prozent der befragten Journalisten halten es demnach für durchaus möglich, dass sie mit ihrer Arbeit die Wahrnehmung in der Politik beeinflussen und Schwerpunktsetzung verändern können. Der Einfluss von Journalisten auf Unternehmen und Wirtschaft wird hingegen mit nur 19 Prozent vergleichsweise gering eingeschätzt. Umgekehrt denken die Medienmacher, dass die Wirtschaft mit Pressemitteilungen, Werbung und Public Relations zu 43 Prozent in die Medien vorstößt und eindringt, während das für die Politik bestenfalls 29 Prozent glauben.
Und was hält das Publikum von Journalisten und Medien?
Natürlich hat die Uni Dortmund auch untersucht, was das Publikum vom Journalismus hält. Dazu wurden im März 2024 insgesamt 1018 Teilnehmer in einer repräsentiven Studie befragt. Kernaussage ist, dass nur 53 Prozent der Befragten den Journalismus für glaubwürdig halten. Ein starker Kontrast zur Selbsteinschätzung der Medienprofis. Wobei das Angebot nicht so sehr kritisiert wird – das halten lediglich sieben plus drei Prozent für schlecht oder sogar sehr schlecht.
Bedauerlich ist die Erkenntnis, dass 17 Prozent dem Journalismus im Land nicht vertrauen und weitere 26 Prozent mit der Antwort „teils-teils“ Bedenken anmelden. 48 Prozent geben – expressis verbis – an, dass aus ihrer Sicht der Journalismus in den vergangenen Jahren schlechter geworden sei. Und das, obwohl mit 87 Prozent eine breite Mehrheit die Wichtigkeit der Branche für das Funktionieren von Staat und Demokratie unterstreichen. Weitere Informationen und Einschätzungen können Sie über den genannten Link zur Studie nachvollziehen.
Was Journalisten und Medienschaffende für ihr Selbstverständnis halten
Geradezu erfreulich sind die Angaben der Standesvertreter zu ihrem Berufsethos und den professionellen Prinzipien:
- Für 98 Prozent ist es selbstverständlich, Meinung und Fakten klar zu trennen bzw. dies sichtbar zu machen
- 98 Prozent stimmen zu, dass das Einordnen und Analysieren zu den vordringlichen Aufgaben des Journalisten gehört
- 92 Prozent versuchen möglichst neutral und präzise informieren
- 98 Prozent wollen den Menschen mit Informationen versorgen, die sie für politische Entscheidungen benötigen
- 96 Prozent versuchen politische Missstände zu kritisieren oder aufzuzeigen
- Zu 92 Prozent denken sie zur Bildung des Publikums beizutragen und erkennen, dass dies nur zu 67 Prozent auch erwartet wird
- Für 87 Prozent geht es dezidiert in ihrem Verständnis darum, gesellschaftliche Probleme aufzuzeigen und zu diskutieren
- 81 Prozent möchten die Regierung kontrollieren
- 77 Prozent möglichst schnell über News oder Veränderungen berichten
- 77 Prozent möchten Orientierung und Hilfestellung für den Alltag bieten
- 76 Prozent Toleranz und kulturelle Vielfalt fördern
- 75 Prozent nach neuen Trends Ausschau halten und über neue Ideen berichten
- 71 Prozent zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beitragen
- 68 Prozent sind bemüht, einen Dialog mit ihrem Publikum und Lesern zu führen
- 68 Prozent versuchen sich am politischen Geschehen zu beteiligen
- 63 Prozent äußern die Erwartung, die Wirtschaft zu kontrollieren
- 62 Prozent sind motiviert, normalen Leuten ein Forum zu bieten, um ihre Meinung zum Ausdruck zu bringen
- 60 Prozent geben sich große Mühe, möglichst einfühlsam zu berichten
- 55 Prozent geht es vordringlich darum, ein möglichst breites Publikum mit interessanten News zu bedienen
- 43 Prozent sind darauf erpicht, die politische Tagesordnung zu beeinflussen
- 31 Prozent sehen sich berufen, für Unterhaltung und Entspannung zu sorgen
- Für 28 Prozent geht es entschieden darum, den Lesern die Meinung zu präsentieren
- Fünf Prozent wollen Fakten hervorheben, die vor allem ihre Meinung stützen
- Vier Prozent halten ihre eigenen Emotionen für so wichtig, sie in ihre Berichte einfließen zu lassen
- Zwei Prozent versuchen ein positives Bild von politischen Führungspersönlichkeiten zu zeichnen
- Nur ein Prozent fühlt sich berufen, die Regierungspolitik zu unterstützen und zu promoten