Politik

Bühne frei für gut 100 Tage harten Wahlkampf

Das Trennungs-Drama der Ampel hat einen Vorgeschmack darauf gegeben, was von diesem Bundestagswahlkampf zu erwarten ist. Er wird kurz, er wird intensiv, vielleicht sogar so hart wie keiner zuvor.
13.11.2024 12:11
Aktualisiert: 13.11.2024 12:11
Lesezeit: 3 min
Bühne frei für gut 100 Tage harten Wahlkampf
Blick auf den Bundesadler im Plenum des Bundestags. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) macht heute eine Regierungserklärung im Bundestag. (Foto: dpa) Foto: Kay Nietfeld

Die Ampel ist kaputt, der Fahrplan bis zur Neuwahl steht, der Wahlkampf kann beginnen. Es könnte der härteste werden, den es in der Geschichte der Bundesrepublik je gegeben hat. Den Auftakt macht heute - genau eine Woche nach dem Platzen seiner Koalition mit Grünen und FDP - Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit einer Regierungserklärung im Bundestag. Der schlichte Titel: „Zur aktuellen Lage.“ In der anschließenden Debatte wollen ihn sein CDU/CSU-Herausforderer Friedrich Merz und CSU-Chef Markus Söder in die Mangel nehmen. Söder redet in der für zwei Stunden angesetzten Debatte als Mitglied des Bundesrats, was nur sehr selten vorkommt.

Die Regierungserklärung setzt den Schlusspunkt unter die schmutzige Scheidung der Ampel-Koalition nach knapp drei Jahren Zweckehe. Und sie läutet 102 Tage Wahlkampf bis zum 23. Februar ein, wenn Deutschland über eine neue Regierung entscheidet.

Die Ausgangslage

Es sieht nach einer klaren Sache für die Union aus. Sie erreicht seit einem Jahr in den Umfragen stabil 30 Prozent und mehr. Die SPD als stärkste Regierungspartei liegt derzeit mit 16 bis 18 Prozentpunkte dahinter auf Platz 3 - noch hinter der AfD. Aber Vorsicht: Vor der Wahl 2021 war das nicht anders. Noch zweieinhalb Monate vor dem Wahltermin lagen Scholz und die SPD bis zu 16 Prozentpunkte hinter der Union. Ein Lacher von Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet im Flutgebiet drehte die Stimmung. Die SPD gewann am 26. September schließlich mit 25,7 zu 24,1 Prozent gegen die Union. Scholz wurde Ampel-Kanzler.

Mit der Erzählung des Triumphs von 2021 macht sich die SPD jetzt Mut - und hofft auf Fehler von Merz. Und die anderen? Die Grünen können nach aktuellem Stand mit 11 bis 12 Prozent rechnen. Die FDP kratzt in den Umfragen an der 5-Prozent-Hürde, die Linke liegt klar darunter. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) könnte mit Werten von aktuell 5 bis 9 Prozent den Einzug in den Bundestag schaffen und die AfD ist mit 15 bis 19,5 Prozent die Nummer 2.

Die Kandidaten

Erstmals wird es in einem Wahlkampf vier Kanzlerkandidaten geben. CDU und CSU haben sich mit Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) als erste entschieden - und das überraschend geräuschlos. Die Grünen wollen am Wochenende auf ihrem Parteitag Wirtschaftsminister Robert Habeck zum Kanzlerkandidaten küren. Und der AfD-Vorstand will am 7. Dezember Parteichefin Alice Weidel ins Rennen schicken.

Nur beim amtierenden Kanzler Scholz ist noch nicht klar, wann er sich offiziell Kanzlerkandidat nennen darf. Die Parteispitze beteuert zwar, dass er es zweifellos werde. Der Vorstand verzichtete aber in seiner ersten Sitzung nach dem Ampel-Aus am Montag darauf, ihn formell zu nominieren - und ließ damit die innerparteiliche Debatte weiterlaufen, ob er der richtige Kandidat ist.

Es gäbe da eine aussichtsreiche Alternative: Verteidigungsminister Boris Pistorius ist seit Monaten in den Charts der beliebtesten Politiker unangefochten die Nummer eins. Viele in der Partei denken, dass es nur noch mit ihm eine Chance gibt, den Rückstand zur Union aufzuholen. Bisher trauen sich das aber nur einzelne aus der dritten und vierten Reihe zu sagen.

Aber selbst der sehr loyale Fraktionschef Rolf Mützenich registriert die Unruhe - und spricht darüber. „Ja, Grummeln ist da. Natürlich gibt es auch diese Stimmen“, sagte Mützenich am Dienstagabend im ZDF-heute journal zu den Zweifeln an Scholz. Am Ende wisse die Partei aber, dass sie nur gemeinsam gewinnen könne, fügte er hinzu. Auf die Nachfrage, ob dies mit Olaf Scholz passieren werde, antwortete Mützenich: „Da bin ich fest von überzeugt.“

Die Themen

Gesetzt als Thema ist die wirtschaftliche Lage und wie man damit umgeht. Daran ist die Ampel letztlich gescheitert. Es wird darum gehen, wer stärker zu Kassen gebeten werden soll, wer weniger vom Staat bekommen soll und wie die Migration nach Deutschland besser gesteuert werden kann. Aber auch die Außen- und Sicherheitspolitik hat diesmal Wahlkampfpotenzial: Wie weiter mit der Unterstützung der Ukraine? Wie viel Geld soll die nächste Bundesregierung für Aufrüstung ausgeben? Die letzten 34 Tage des Wahlkampfs sind die ersten 34 Tage von Donald Trump als US-Präsident. Auch das kann noch eine Rolle spielen.

Die möglichen Koalitionen

Es wird keinen Koalitions-Wahlkampf geben, das haben die im Bundestag vertretenen Parteien schon klargemacht. Alle kämpfen zunächst einmal für sich. Rechnerisch möglich ist nach den aktuellen Umfragen sowohl eine Koalition von Union und SPD als auch ein Bündnis von Union und Grünen. Nach einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur wird Schwarz-Rot von den Wählern favorisiert. 35 Prozent wären dafür und nur 15 Prozent für Schwarz-Grün. Abgeschlagen ist die Ampel mit 5 Prozent. Und 44 Prozent der knapp 2200 Befragten wollen sich gar nicht zwischen diesen drei Koalitionen entscheiden.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Geldanlage: Mit einem Fondsdepot mehr aus dem eigenen Geld machen

Wer vor zehn Jahren 50.000 Euro in den Weltaktienindex investiert hat, kann sich heute über mehr als 250.000 Euro freuen! Mit der...

DWN
Technologie
Technologie Kernfusionsreaktor: Deutschlands Weg zur Fusionsenergie
10.03.2025

Kernfusionsreaktor – eine Technologie mit gigantischem Potenzial, aber vielen offenen Fragen. Die CDU will Deutschland an die Spitze der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutsche Wirtschaft: Großbaustelle für die neue Regierung
09.03.2025

Die desolate Lage der deutschen Wirtschaft wird eine der größten Herausforderungen für die neue Bundesregierung und das dringendste...

DWN
Panorama
Panorama Ostern: Werden zum Osterfest die Eier knapp?
09.03.2025

Rot, gelb oder grün - bunte Eier stoßen zum Osterfest nicht nur bei Kindern auf Begeisterung. Hunderte Millionen werden jedes Jahr...

DWN
Immobilien
Immobilien Genossenschafts-Wohnungen: Die letzte günstige Wohnoption?
09.03.2025

In Großstädten wie München ist bezahlbarer Wohnraum rarer als Gold. Wohnbaugenossenschaften stellen unter den Prinzipien der Selbsthilfe...

DWN
Technologie
Technologie Solarenergie im Keller: Immer mehr Haushalte speichern Strom
09.03.2025

Wer eine Solaranlage auf dem Dach hat, hat immer häufiger auch einen Batteriespeicher im Keller. Lohnt sich das?

DWN
Panorama
Panorama UN: Europa schlecht auf Kampf gegen künstliche Drogen vorbereitet
09.03.2025

UN-Fachleute warnen vor dem Vormarsch synthetisch hergestellter Substanzen. Sie fordern einen koordinierten internationalen Schutz gegen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Ryanair verschiebt Ende der ausgedruckten Bordkarte
09.03.2025

Die Fluggesellschaft Ryanair gibt der ausgedruckten Bordkarte noch eine Gnadenfrist. Passagiere können noch bis Anfang November mit einer...

DWN
Finanzen
Finanzen Trading lernen: Können Sie mit Tradingkursen den Markt schlagen?
09.03.2025

Anbieter von Tradingkursen versprechen hohe Renditen mit dem kurzfristigen Handel von Wertpapieren. Doch ist das realistisch? Kann jeder...