Eine neue Analyse zeigt, dass deutsche Start-ups weiterhin große Schwierigkeiten haben, frisches Kapital zu akquirieren. Laut einer aktuellen Studie des Londoner Risikokapitalgebers Atomico dürften Tech-Unternehmen in Deutschland 2024 etwa 6,7 Milliarden US-Dollar an Wagniskapital einwerben (ca. 6,3 Mrd. Euro). Das liegt unter den 7,1 Milliarden Dollar aus 2023, das bereits als herausforderndes Jahr galt.
Deutschland ist mit diesem Rückgang nicht allein: Auch europaweit wird ein schwieriges Jahr für Tech-Firmen erwartet. Atomico prognostiziert, dass Start-ups in Europa 2024 insgesamt 45 Milliarden Dollar an Investorengeldern erhalten könnten, verglichen mit 47 Milliarden Dollar im Vorjahr. Wagniskapital, mit dem spezialisierte Fonds jungen Unternehmen Wachstum ermöglichen, bleibt ein entscheidender Faktor für die Branche. Ein aktuelles Beispiel für die Probleme deutscher Firmen ist der Insolvenzantrag des Elektroflugzeugbauers Lilium, auch wenn dieses Unternehmen bereits eine fortgeschrittene Entwicklungsphase erreicht hatte.
Trotz der aktuellen Herausforderungen sieht Atomico langfristig positive Entwicklungen für die Start-up-Szene in Deutschland und Europa. „Der Kontinent hat in den vergangenen zehn Jahren enorme Fortschritte gemacht“, betont Co-Autor Tom Wehmeier.
Langfristige Fortschritte - Berlin als Vorreiter
Seit 2015 haben deutsche Tech-Unternehmen laut Atomico rund 74 Milliarden Dollar an Kapital eingesammelt. Im Vergleich dazu waren es zwischen 2005 und 2014 lediglich 8,1 Milliarden Dollar. Besonders Berlin hat sich als weltweit führender Start-up-Standort etabliert und zeigt eine Verzehnfachung des eingesammelten Kapitals im Langzeitvergleich.
Europa schneidet laut Atomico insbesondere bei Gründungen und Finanzierungen in frühen Wachstumsphasen gut ab. Berlin zählt dabei zu den global stärksten Regionen. Auch im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) zeigt Deutschland Erfolge: Im Jahr 2024 sammelten deutsche KI-Start-ups etwa 1,4 Milliarden Dollar ein, was den fünften Platz weltweit bedeutet.
Defizite bei großen Finanzierungen im Vergleich zu den USA
In späteren Wachstumsphasen bleiben europäische Start-ups jedoch im Vergleich zu den USA zurück. Die Wahrscheinlichkeit, Finanzierungen von über 15 Millionen Dollar zu erhalten, ist für US-Unternehmen doppelt so hoch. Dies liegt unter anderem daran, dass europäische Pensionsfonds kaum in Wagniskapital investieren, während dies in den USA weit verbreitet ist.
Steigende Zinsen haben die Kapitalbeschaffung für deutsche Gründer seit Längerem erschwert. 2023 erlebte die Branche einen deutlichen Rückgang bei Finanzierungen. Laut der Beratungsfirma EY und der Förderbank KfW zeichnet sich jedoch eine leichte Erholung ab. Mit sinkenden Leitzinsen verbessern sich die Rahmenbedingungen für Start-ups wieder.