Wirtschaft

Schatzsuche im Müll - große Chancen im Rückbau von Deponien

Früher waren große Mülldeponien der Standard im Abfallmanagement und als Endlager für die Ewigkeit gedacht. Doch inzwischen zeichnet sich ein Umdenken ab, denn der Rückbau dieser Deponien eröffnet neue Möglichkeiten: Wertvolle Rohstoffe wie Metalle und Kunststoffe können zurückgewonnen werden, wodurch der Bedarf an neuen Ressourcen sinkt. Gleichzeitig wird langfristig die Umweltbelastung durch Alt-lasten reduziert, und es entsteht Platz für moderne Deponiekonzepte, die dem aktuellen Stand der Technik entsprechen. Über diese Entwicklungen sprachen die Deutschen Wirtschaftsnachrichten mit Burkart Schulte, Geschäftsführer der ReSet GmbH.
05.01.2025 05:58
Aktualisiert: 05.01.2025 07:40
Lesezeit: 3 min
Schatzsuche im Müll - große Chancen im Rückbau von Deponien
Ein Bagger und ein Lastwagen vergraben Abfälle, doch der Rückbau von Mülldeponien in Deutschland wird zunehmend kritisiert (Foto: dpa).

DWN: Warum wird der Rückbau von Mülldeponien in Deutschland zunehmend diskutiert?

Burkart Schulte: Obwohl der Prozess technisch anspruchsvoll und oft kostenintensiver als eine klassische Stilllegung ist, könnten sich in Zukunft große wirtschaftliche Chancen eröffnen. Der Trend hin zu einer Kreislaufwirtschaft und die steigende Nachfrage nach recycelbaren Materialien sprechen dafür, dass der Rückbau von Deponien zu einem lukrativen Geschäftsfeld werden kann.

DWN: Welche Ansätze verfolgt man bei der Stilllegung von Deponien und deren Rückbau?

Burkart Schulte: Es ist wichtig, Stilllegung und Rückbau – der durchaus zehn bis zwanzig Jahre dauern kann - klar voneinander zu unterscheiden. Die gesetzlich geregelte Stilllegung umfasst umfangreiche Maßnahmen, um eine Deponie sicher zu versiegeln und potenzielle Umweltauswirkungen zu minimieren. Auf Basis aktueller Erfahrungen sind die langfristigen Nachsorgekosten aber wahrscheinlich oft höher als ursprünglich angenommen. Der Rückbau einer Deponie hingegen bietet eine alternative Herangehensweise, bei der die Deponie teilweise oder vollständig abgetragen wird. Dabei werden wertvolle Rohstoffe zurückgewonnen und neues Deponievolumen geschaffen, das weiterhin dringend benötigt wird. Welche Option wirtschaftlich und ökologisch besser ist, hängt stark von den individuellen Gegebenheiten der Deponie ab.

DWN: Welche technischen Herausforderungen ergeben sich beim Rückbau?

Burkart Schulte: Eine der größten Hürden beim Rückbau ist die technische Komplexität. Die Setzungserscheinungen (allmähliches Absinken oder Nachsacken, A. d. R.) von Abfällen erschweren Arbeiten, da sie Abdichtungen und Drainagesysteme beeinträchtigen können. Insbesondere sind Geruchs- und Staubemissionen zu minimieren. Hierzu kann eine Vorbehandlung der jeweiligen Rückbaufläche durch Belüftung und damit dem biologischen Abbau organischer Bestandteile sinnvoll sein. Präzises Arbeiten ist insbesondere bei der Gasdrainage erforderlich, um unkontrollierte Methanemissionen zu vermeiden. Doch genau hier bieten moderne Technologien und Überwachungssysteme Lösungen, die langfristig die Effizienz und Sicherheit solcher Vorhaben steigern.

DWN: Können Sie uns Beispiele erfolgreicher Projekte nennen?

Burkart Schulte: In Deutschland und in Nachbarländern gibt es bereits erfolgreich durchgeführte Projekte und wissenschaftlich begleitete Versuche, auf denen aufgebaut werden kann. Diese Rückbauprojekte wurden in der Regel an Deponien durchgeführt, die über eine unzureichende Basisabdichtung verfügten, um Langzeitschäden des Grundwassers zu vermeiden. Um die erforderlichen Maßnahmen auch für andere Deponiebetreiber nutzbar zu machen, wurde beispielsweise auf der Deponie Pohlsche Heide im Kreis Minden-Lübbecke ein vom Bundesumweltministerium finanzierter Großversuch durchgeführt und umfangreich dokumentiert.

DWN: Wie unterscheidet sich die Praxis in Deutschland von der in anderen Ländern?

Burkart Schulte: In Deutschland ist es spätestens seit 2015 verboten, unbehandelte Abfälle auf Deponien abzulagern. Derartige unbehandelte Abfälle führen zu langfristigen Problemen wie Sickerwasserbildung, Gasbildung, Setzungserscheinungen etc. Daher sind die Anforderungen an eine langfristige Sicherheit von Deponien besonders hoch und damit teuer, bei gleichzeitig schwindendem Deponievolumen. Damit wird der Rückbau anstelle einer langfristigen Stilllegung von bestehenden Deponien hier besonders interessant. Dadurch werden langfristige Nachsorgekosten minimiert und gleichzeitig neuer Deponieraum für die jetzt vorbehandelten Abfälle geschaffen.

DWN: Mit welchen Kosten ist bei einem Rückbau zu rechnen?

Burkart Schulte: Die Kosten für den Rückbau variieren stark, und gehen in jedem Fall in die Millionen. Zur Finanzierung können aber die für die Nachsorge gebildeten Rückstellungen herangezogen werden. Außerdem spart man Geld durch die Schaffung von neuem Deponievolumen. Hinzu kommt, dass der Rohstoffwert der abgelagerten Abfälle zukünftig stark steigen wird. Es handelt sich hier um viele Millionen Tonnen Plastik und Metall. Daher konnte der damalige Umweltminister Sigmar Gabriel bereits 2008 sagen „Die Deponie von heute ist das Bergwerk von morgen“. Zusätzlich können innovative Technologien und öffentliche Förderprogramme dabei helfen, wirtschaftliche und ökologische Ziele in Einklang zu bringen.

DWN: Wie fällt Ihr Fazit aus?

Burkart Schulte: Der Rückbau von Deponien vereint Ökologie und Ökonomie. Durch den Einsatz innovativer Technologien, die Rückgewinnung von Ressourcen und die Schaffung von neuem Deponievolumen wird sich dieses Feld zu einem zentralen Bestandteil der Kreislaufwirtschaft entwickeln. Die Chance, gleichzeitig Umweltschutz zu fördern und wirtschaftlichen Gewinn zu erzielen, macht den Rückbau von Deponien zu einer wichtigen Technologie der Zukunft und einem interessanten Arbeitsbereich für entsprechende Industriefirmen.

Info zur Person: Burkart Schulte ist Diplomingenieur. Seine beruflichen Schwerpunkte sind Abfallbehandlung und Recycling. Er hat in zahlreichen Ländern der Welt gearbeitet und ist nun CEO und geschäftsführender Gesellschafter der ReSeT GmbH mit Sitz in Minden, sowie Lehrbeauftragter der Hochschule Bielefeld.

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