Unternehmen

Chemische Industrie: ifo institut bestätigt trübe Aussichten - Abwanderung und Stellenabbau gehen weiter

Die Chemische Industrie schrumpft weiter: Kostendruck, Stellenabbau, Abwanderung – die einstige Vorzeigebranche stellt den Standort Deutschland infrage. „Die Lage der Chemieunternehmen bleibt zum Jahreswechsel insgesamt angespannt“, bestätigt das aktuelle ifo-Geschäftsklima. Die Branche spricht von einer dramatischen Lage.
08.01.2025 12:24
Lesezeit: 2 min

Das Geschäftsklima in der Chemischen Industrie bleibt eingetrübt. Der Index stieg im Dezember nur leicht auf minus 11,4 Punkte nach minus 12,9* Punkten im November. Die Urteile zur aktuellen Geschäftslage haben sich verschlechtert auf minus 14,2 Punkte, nach minus 8,8 Punkten im November.

Hingegen stiegen die Geschäftserwartungen auf minus 8,6 Punkte, nach minus 17 Punkten im November. „Die Lage der Chemieunternehmen bleibt zum Jahreswechsel insgesamt angespannt“, sagt Branchenexpertin Anna Wolf vom ifo Institut.

ifo Geschäftsklima Chemische Industrie

Die Unternehmen der Chemie stehen im internationalen Wettbewerb schlecht da, aufgrund von hohen Belastungen durch Steuern, Bürokratie und Energiekosten. Auch eine ungünstige Auftragslage belastet ihre Geschäfte. Die Beurteilung des Auftragsbestands fiel auf ein neues Tief seit 2009. Spürbar gesunken ist ihre Kapazitätsauslastung. Sie lag im Jahr 2024 bei lediglich 75,4 Prozent, im Jahr 2021 waren es noch 86,0 Prozent. Die Chemieunternehmen planen weiterhin mit einem Abbau von Arbeitsplätzen.

Chemische Industrie befindet sich in einer „dramatischen“ Lage

Der Wirtschaftsstandort Deutschland verharrt weiter in der Krise. Neben Automobilindustrie, Maschinenbau, Stahlerzeugung oder Bauwirtschaft hat auch die chemische und pharmazeutische Industrie als drittstärkste Branche mit zahlreichen Problemen zu kämpfen. Und das sagen nicht nur Börsenakteure oder Lobbyisten, sondern inzwischen auch die zuständige Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE). Diese bescheinigt der Branche eine dramatische Lage: „Investitionen fließen ab, es regieren Kostenkeule und Kapazitätsabbau. Wir bezahlen das mit massiven Arbeitsplatz- und Wohlstandverlusten“, sagte IG-BCE-Chef Michael Vassiliadis zum Jahreswechsel der dpa.

Kein Wunder, dass die Stimmung unter den Beschäftigten schlecht ist. So ergab eine Umfrage unter rund 4.500 Gewerkschaftsmitgliedern, dass sich viele ernsthafte Sorgen um die Zukunft machen. Auf die Frage, wie der Standort Deutschland in fünf Jahren im internationalen Vergleich dastehen werde, antworteten knapp 80 Prozent mit „eher oder deutlich schlechter“. Und ganze 68 Prozent glauben nicht, dass es in den nächsten fünf Jahren gelingen wird, den Industriestandort „klimagerecht“ zu transformieren und gleichzeitig zu modernisieren.

Vorzeigebranche stellt Standort infrage

Die Unternehmen reagieren. Und nicht nur mit Kürzungen und Stellenabbau. Manche verlegen ihre Produktion einfach dorthin, wo für sie die besten Verwertungsbedingungen geboten werden. Das hat der frühere Dax-Konzern Linde früh erkannt. Der Hersteller industrieller Gase verschwand bereits 2018 aus Deutschland, als er nach der Fusion mit dem US-Konkurrenten Praxair seine Hauptsitze in die EU-Steueroase Irland und nach Großbritannien verlagerte. Das hat sich offenbar gerechnet: Linde ist aktuell der Chemiekonzern mit dem höchsten Börsenwert weltweit.

BASF baut in China

Auch BASF befindet sich mit Teilen seiner Produktion im Fluchtmodus. Das 1865 in Mannheim als Badische Anilin- & Sodafabrik gegründete Unternehmen ist der umsatzstärkste Chemiekonzern mit über 50 Fertigungsstätten weltweit. Sein Hauptproduktionssitz in Ludwigshafen gilt als größter Chemieverbundstandort mit beinahe 40.000 Beschäftigten. Doch das könnte sich schnell ändern. Im chinesischen Zhanjiang baut BASF für mehr als zehn Milliarden Euro eine Art neues Ludwigshafen. Der Vorteil: China ist längst der weltgrößte Chemiestandort mit vergleichsweise deutlich geringeren Produktions- und vor allem Energiekosten als in Deutschland. Zudem sind in der Stadt am Südchinesischen Meer durch den Verbund unterschiedlicher Unternehmen ebenso wie in Ludwigshafen hohe Synergieeffekte möglich. Schon deshalb dürfte auch der Bedarf an Fachkräften dort leicht zu decken sein.

 

Mirell Bellmann

Mirell Bellmann schreibt als Redakteurin bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Zuvor arbeitete sie für Servus TV und den Deutschen Bundestag.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Osterleckereien 2025: Warum Schokolade, Butter & Co. teurer sind denn je
19.04.2025

Ostern 2025 wird für Verbraucher teurer – besonders bei traditionellen Produkten wie Schokohasen, gefärbten Eiern und selbstgebackenem...

DWN
Immobilien
Immobilien Gewerbeimmobilien als Kapitalanlage? Lage matters!
19.04.2025

Gewerbeimmobilien bieten nach wie vor interessante Renditechancen für ausgefuchste Marktkenner. Wer klug investiert, kann von stabilen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europas Wettbewerbskompass: Kurskorrektur bei Technologiewettbewerb dringend nötig!
19.04.2025

Europa steht vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen: Der globale Technologiewettbewerb spitzt sich zu, geopolitische Krisen...

DWN
Finanzen
Finanzen Digitalisierung im Bürgeramt: Passfotos ab Mai nur noch digital erlaubt
19.04.2025

Ab dem 1. Mai sind in Deutschland im Grunde nur noch digitale Passfotos erlaubt. Das neue Verfahren soll Fälschungen vorbeugen. Wer denkt,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Italienische Luxusunternehmen: Prada übernimmt und trägt nun auch Versace
19.04.2025

Über einen möglichen Kauf war seit mehreren Monaten spekuliert worden: Der Luxuskonzern Prada schluckt den Konkurrenten Versace. Damit...

DWN
Technologie
Technologie „Mein alter Job als Softwareentwickler ist weg“ – Jentic-Chef über selbstprogrammierende KI-Agenten
19.04.2025

Der irische Tech-Unternehmer Sean Blanchfield ist überzeugt, dass KI-Agenten menschliche Programmierer und Softwareentwickler zunehmend...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt „We don’t believe in Outsourcing“ – Klöber zeigt, wie Produktion in Deutschland wieder gelingt
18.04.2025

Sitzen, aber richtig: Der Büromöbelhersteller aus Owingen setzt auf Inhouse-Produktion, recycelte Materialien und digitale Innovation –...

DWN
Finanzen
Finanzen S&P 500 und die Illusion von sicheren, langfristigen Renditen
18.04.2025

Der amerikanische Aktienmarkt befindet sich in turbulenten Zeiten. Angesichts der unvorhersehbaren Handelspolitik von Präsident Donald...