Unternehmen

Kündigungswelle seit Corona: Wie die Pandemie die Wechselbereitschaft der Arbeitnehmer verstärkt

Viele Unternehmen klagen nach der Corona-Pandemie über eine konstante Fluktuation ihrer Mitarbeiter. Es ist die Rede von der „Great Resignation“. Kündigungsgründe sind oft die Bezahlung, fehlende Karrierechancen oder Loyalität. Was Unternehmen für eine bessere Mitarbeiterbindung tun können.
31.01.2025 15:57
Lesezeit: 4 min
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Kündigungswelle seit Corona: Wie die Pandemie die Wechselbereitschaft der Arbeitnehmer verstärkt
Kündigungswelle seit Corona: Fast jeder dritte Deutsche denkt über einen Jobwechsel nach. (Foto: pixabay/ geralt)

Weltweit kämpfen Arbeitgeber seit der Corona-Pandemie mit wachsenden Herausforderungen in der Mitarbeiterbindung: 38 Prozent der Unternehmen melden seit 2020 steigende Kündigungen der Arbeitnehmer. Auch in Deutschland denkt jeder Dritte über einen Jobwechsel nach. Doch besonders in Zeiten des Fachkräftemangels ist es für Unternehmen umso wichtiger, ihre Mitarbeiter langfristig zu binden. Warum es jetzt immer mehr auf Führung, Kultur und klare Strategien ankommt.

Kündigungswelle: Hat Corona die Mitarbeiterbindung zerstört?

Die Corona-Pandemie hat das Leben der meisten Menschen von einem Tag auf den anderen entscheidend verändert: Das ging auch nicht spurlos am Arbeitsmarkt vorbei. Insbesondere in den USA beobachtet man seit Anfang 2021, dass Arbeitnehmer massenhaft selbst ihre Stellen kündigen.

Nach der Pandemie verlor Ikea jährlich 60.000 Mitarbeiter

Besonders hart traf es das schwedische Möbelhaus Ikea: Demnach verließen 62.000 Angestellte das Unternehmen 2022 weltweit, berichtete Bloomberg.

Das Einrichtungshaus bekämpfte seine himmelhohe Fluktuationsrate, indem es die Löhne erhöhte, mehr Flexibilität bot und die Arbeitsabläufe vereinfachte – scheinbar einfache Änderungen, die laut dem Bloomberg-Bericht für das schwedische Möbelhaus einen großen Unterschied gemacht haben.

Studie zur Mitarbeiterbindung 2030: schwindende Loyalität

Der Arbeitsmarkt 2025 steht unter enormem Druck: Der Fachkräftemangel hat sich weiter verschärft, Unternehmen kämpfen härter denn je um Talente. Für viele geht es inzwischen sogar um ihre Existenz. Gleichzeitig bleibt die Wechselbereitschaft der Mitarbeitenden auf einem hohen Niveau. Was heute in vielen Chefetagen für schlaflose Nächte sorgt, hat seine Wurzeln in den Veränderungen der letzten Jahre – besonders durch die Corona-Pandemie.

Die Studie Mitarbeiterbindung 2030 von F.A.Z. Business Media und Cornerstone zeigt auf, wie Corona die Dynamik zwischen Unternehmen und Mitarbeitenden nachhaltig verändert hat. Noch immer spüren viele Betriebe die Auswirkungen: Kündigungsraten steigen, Teamzusammenhalt schwindet, und Loyalität zum Arbeitgeber ist bei vielen Beschäftigten kaum noch spürbar.

Corona-Pandemie war ein Weckruf für viele Mitarbeitende

Die Pandemie hat nicht nur gezeigt, wie flexibel Arbeit organisiert werden kann, sondern auch die Prioritäten vieler Menschen verändert. Viele hinterfragen ihre Jobs heute stärker denn je: Passt das Unternehmen zu meinen Werten? Bekomme ich genug Gehalt? Habe ich Karriereperspektiven?

Die Zahlen aus der Studie lassen aufhorchen: 38 Prozent der Unternehmen haben seit 2020 steigende Kündigungsraten registriert. Besonders betroffen sind mittlere Unternehmen mit 1.000 bis 5.000 Mitarbeitenden – hier berichten fast 60 Prozent von einer Zunahme.

Die Top-Kündigungsgründe überraschen dagegen kaum: fehlende Karrieremöglichkeiten und wie so oft das Gehalt (jeweils 48 Prozent). Doch auch die Führungskultur spielt eine entscheidende Rolle und reiht sich auf den dritten Platz ein: 37 Prozent der Befragten geben an, dass schlechte Führung maßgeblich zur Kündigung beiträgt.

Hinzu kommt ein wachsender Wunsch nach einer besseren Work-Life-Balance (34 Prozent). Die Pandemie hat vielen Menschen gezeigt, dass Arbeit und Privatleben sich nicht mehr strikt trennen lassen – und dass Flexibilität heute eine Notwendigkeit ist.

Homeoffice ist gekommen, um zu bleiben

Acht von zehn Unternehmen bestätigen, dass mobiles Arbeiten ihre Attraktivität als Arbeitgeber steigert. Fast die Hälfte der Befragten sieht eine stärkere Bindung der Mitarbeitenden durch die neue Flexibilität.

Doch mit der räumlichen Distanz kommen neue Probleme: 48 Prozent der Unternehmen berichten von einem geschwächten Teamzusammenhalt. Mitarbeitende fühlen sich isoliert, die emotionale Bindung zu Kollegen und Vorgesetzten nimmt ab.

Hybride Arbeitsmodelle erfordern deshalb mehr als nur technische Infrastruktur – sie brauchen klare Regeln und eine bewusste Pflege des Teamgeists. Das ist z. B. auch ein Grund, warum viele Unternehmen über eine Pflicht-Rückkehr ins Büro nachdenken.

Leadership in der Krise

Die Pandemie hat deutlich gemacht, wie zentral gute Führung für die Bindung von Mitarbeitenden ist. Doch genau hier liegt eine Schwachstelle vieler Unternehmen: Führungskräfte kämpfen damit, den neuen Anforderungen gerecht zu werden.

Wertschätzung und Vertrauen über digitale Kanäle zu vermitteln, ist eine große Herausforderung – und gelingt längst nicht immer. Führungskräfte müssen heute nicht nur Ergebnisse einfordern, sondern Teams zusammenhalten, motivieren und binden – egal ob im Büro oder im Homeoffice. 49 Prozent der Unternehmen investieren daher aktiv in Leadership-Programme, um ihre Führungskräfte auf das New Normal vorzubereiten.

HR als Krisenmanager und Impulsgeber

Während Führungskräfte im direkten Kontakt mit den Teams stehen, übernimmt HR eine strategische Rolle. 54 Prozent der Unternehmen sehen ihre Personalabteilung als „Enabler“, der Mitarbeitende aktiv begleitet – von der Rekrutierung über das Onboarding bis zur Weiterbildung.

Die Herausforderungen auch hier – enorm: 88 Prozent der Unternehmen rechnen bis 2030 mit einem verschärften Fachkräftemangel. In Kombination mit der steigenden Wechselbereitschaft wird die Mitarbeiterbindung zur Überlebensfrage. Ein effektives Onboarding ist dabei essenziell, um neue Talente langfristig zu binden.

Was Unternehmen jetzt tun können

Die Studie zeigt klare Strategien auf, um Mitarbeitende langfristig zu halten:

  • Führungskräfte müssen lernen, Nähe und Vertrauen auch in hybriden Arbeitsumgebungen aufzubauen und zu fördern.
  • Transparente Entwicklungsmöglichkeiten sind besonders gefragt, um Talente zu binden und Fluktuation zu reduzieren.
  • Hybride Arbeitsmodelle können ein Wettbewerbsvorteil sein, wenn sie klug gestaltet und gut kommuniziert werden.
  • Eine starke Unternehmenskultur, verbunden mit Nachhaltigkeit und Teamgeist, ist ein wichtiger Anreiz für Talente.
  • Wertschätzung und ein gewisses Zugehörigkeitsgefühl müssen aktiv gefördert werden, um Mitarbeitende emotional ans Unternehmen zu binden.

Der Arbeitsmarkt hat sich nachhaltig verändert und der Kampf um Talente wird immer härter. Corona war nicht die alleinige Ursache, sondern der Beschleuniger. Mitarbeitende fordern mehr Flexibilität, Perspektiven und Sinn in ihrer Arbeit – und Unternehmen, die darauf nicht reagieren, werden den Kampf um Talente verlieren.

Aktuell sind laut des Global Talent Barometers von Personaldienstleister Manpower rund 48 Prozent der Beschäftigten in Deutschland am Arbeitsplatz täglich gestresst und rund 31 Prozent denken bereits an einen Jobwechsel. Die steigende Wechselbereitschaft kann auch für deutsche Unternehmen zur Überlebensfrage werden, um so wichtiger werden die richtigen Maßnahmen für eine bessere und langfristige Mitarbeiterbindung.

 

 

Mirell Bellmann

Mirell Bellmann schreibt als Redakteurin bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Zuvor arbeitete sie für Servus TV und den Deutschen Bundestag.

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