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Mittelstand gibt auf: Negativrekord an Insolvenzen und kurzfristiger Betriebsschließungen

So viele mittelständische Betriebe wie noch nie gehen pleite oder erwägen eine Geschäftsaufgabe: Laut einer KfW-Studie stehen mehr als 500.000 deutsche Mittelständler vor der Betriebsaufgabe, das ist ein Plus von 41 Prozent. Auch verzichten immer mehr Unternehmer auf eine Kreditaufnahme. Was sind die Gründe für den schleichenden Rückzug?
10.03.2025 19:21
Lesezeit: 3 min
Mittelstand gibt auf: Negativrekord an Insolvenzen und kurzfristiger Betriebsschließungen
Rund 541.000 Betriebsinhaber ziehen eine Schließung in den nächsten fünf Jahren in Erwägung. Darunter sind 231.000 Inhaber, die eine Stilllegung bereits für das Jahr 2025 planen. (Foto: iStock.com/franconiaphoto) Foto: franconiaphoto

Immer mehr deutsche Unternehmen stehen vor einem Aus: Niemals zuvor haben laut Nachfolge-Monitorings von KfW Research so viele mittelständische Unternehmen die Aufgabe ihres Betriebs in Erwägung gezogen.

Plus 41 Prozent: Kurzfristige Betriebsschließungen nehmen zu

Zu diesem Ergebnis kommt eine Sonderauswertung des KfW-Mittelstandspanels. Rund 541.000 Inhaber würden eine Schließung in den nächsten fünf Jahren in Erwägung ziehen. Darunter seien 231.000 Inhaber, die eine Stilllegung bereits für das Jahr 2025 planen. Das entspricht bei den kurzfristigen Schließungen einem Zuwachs von 41 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Immer mehr deutsche Unternehmer überlegen, ihre Betriebe wegen fehlender Nachfolgelösungen zu schließen. Demgegenüber strebten 532.000 mittelständische Unternehmen bis Ende 2028 eine Betriebsnachfolge an. Darunter seien 215.000 Unternehmer, die sich eine Übergabe im Jahr 2025 wünschen.

Unternehmensnachfolge: Mittelstand in Not

Hauptgrund für die Schließungspläne sei sehr oft das Alter, so die KfW. Inhaber mit Nachfolgeplänen für 2025 seien im Durchschnitt 65,4 Jahre alt. Viele von ihnen hätten noch nicht mit der Nachfolgesuche begonnen oder befänden sich erst in einem sehr frühen Stadium. „Für einige dürfte die Zeit daher zu knapp werden“, so die KfW.

Rund ein Fünftel dieser Betriebe werde voraussichtlich keinen Nachfolger finden. Das liege an dem geringen Interesse an einer Übernahme unter Gründern. Derzeit gebe es im Mittelstand weniger als halb so viele Übernahmegründungen wie nachfolgebereite Unternehmen.

Schleichender Rückzug: Unternehmen verzichten auf Kreditaufnahme

Auch verzichten immer mehr mittelständische Unternehmen in Deutschland bei der Finanzierung ihrer Investitionen auf Bankkredite. Der Anteil investierender Mittelständler, die auf Bankkredite zurückgegriffen haben, hat sich in den vergangenen 20 Jahren nahezu halbiert – von 40 Prozent im Jahr 2004 auf 23 Prozent im Jahr 2023. Das zeigen neuste Auswertungen des KfW-Mittelstandspanels.

„Der schleichende Rückzug der Unternehmen lässt sich schon länger beobachten. Zuletzt haben drei Viertel der mittelständischen Investoren gänzlich auf Bankkredite verzichtet. Es ist allerdings unklar, wie dauerhaft diese Zurückhaltung anhalten wird“, sagt Dr. Michael Schwartz, Mittelstandsexperte bei KfW Research.

Die Ursachen dieses Rückgangs sind eher auf einen (Kredit-) Nachfrage­schwund zurückzuführen als auf Restriktionen beim Kreditangebot. Die Gründe der gestiegenen Zurückhaltung bei der Kreditfinanzierung sind vielfältig und umfassen u. a.:

  • den Wunsch nach Stärkung der Bonität und (finanzieller) Unabhängigkeit
  • eine verbesserte Innenfinanzierungskraft
  • gestiegene Hürden bei der Kreditaufnahme durch regulatorische Veränderungen Anfang der 2000er
  • eine zunehmende Alterung der Unternehmens­inhaber: Im Jahr 2024 waren 54 Prozent der mittelständischen Unternehmerschaft 55 Jahre oder älter. Vor 20 Jahren waren es lediglich 20 Prozent. Frühere Analysen haben gezeigt, dass ältere Unternehmensinhaber bei der Finanzierung von Investitionen zurückhaltender sind als jüngere.
  • deutlich gestiegene Finanzierungs­kosten und konjunkturelle Unsicherheit.

Auch Insolvenzwelle im Mittelstand hält an

Die deutsche Wirtschaft steht vor einer besorgniserregenden Entwicklung: 2024 stieg die Zahl der Insolvenzen um ganze 30 Prozent. Damit erreichte die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland ein Neun-Jahres-Hoch.

Und sie steigt auch 2025 weiter rasant. Jetzt kamen seriöse Erwartungen für das neue Jahr hinaus: Restrukturierungsberater erwarten 25 bis 30 Prozent mehr Insolvenzen in 2025, das wäre in etwa das Niveau des Finanzkrisen-Jahres 2009. Betroffen sind vor allem Deutschlands Schlüsselindustrien: Autozulieferer, Maschinenbauer, die Bauwirtschaft, aber auch das Gesundheitswesen.

Die hohe Zahl an Pleiten sind nicht mehr nur Nachholeffekte aus der Coronazeit. Die Geschäftsmodelle funktionieren nicht mehr, sagen Insolvenzverwalter. Deutschland befinde sich in einer systemischen Krise, die nicht so schnell vorübergehen werde. Gläubiger blieben 2024 durch Firmenpleiten auf Forderungen von 56 Milliarden Euro sitzen, so die Schätzungen von Creditreform.

Zukunft des Mittelstands: Wann wird die Politik aktiv?

Ein wichtiger Grund für die Geschäftsaufgaben ist sicher die demografische Entwicklung, die per se die Generation potenzieller Nachfolger ausdünnt. Allein dadurch ist aber der starke Rückgang der Betriebe und die wachsenden Insolvenzen in den letzten Jahren nicht zu erklären. Die Unternehmen leiden unter der Wirtschaftskrise und der damit wachsenden Verunsicherung über die wirtschaftliche Zukunft Deutschland – ganz zu schweigen von immer weiter steigenden Kosten für Energie, Personal und einer enormen Regulierungsdichte.

Das unternehmerische Risiko scheint den Nachwuchs abzuschrecken. Um so wichtiger, dass die Politik endlich geeignete Maßnahmen ergreift: Verlässliche Rahmenbedingungen, weniger Bürokratie, wettbewerbsfähige Steuern und eine stabile Energieversorgung sind die Schlüssel, die das Überleben und die Attraktivität des Mittelstands sichern können.

Das KfW-Mittelstandspanel wird seit dem Jahr 2003 als Wiederholungs­befragung der kleinen und mittleren Unter­nehmen in Deutschland durchgeführt. Zur Grundgesamt­heit des KfW-Mittelstands­panels gehören alle privaten Unternehmen sämtlicher Wirtschafts­zweige, deren Um­satz die Grenze von 500 Mio. EUR pro Jahr nicht über­steigt. Mit einer Datenbasis von bis zu 15.000 Unter­nehmen pro Jahr stellt das KfW-Mittelstandspanel die einzige reprä­sentative Erhebung im deutschen Mittelstand und damit die wichtigste Datenquelle für mittelstands­relevante Frage­stellungen dar.

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Mirell Bellmann

Mirell Bellmann schreibt als Redakteurin bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Zuvor arbeitete sie für Servus TV und den Deutschen Bundestag.

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