Wirtschaft

Ist die Energiewende am Ende? Wie die Pläne von Wirtschaftsministerin Reiche alles ändern könnten

Neue Prioritäten im Wirtschaftsministerium unter Katherina Reiche – In der Energiepolitik ist ein radikaler Kurswechsel angekündigt: bezahlbare Energie geht vor Klimaschutz. Die Details und Folgen der Pläne.
24.05.2025 15:57
Lesezeit: 4 min
Ist die Energiewende am Ende? Wie die Pläne von Wirtschaftsministerin Reiche alles ändern könnten
Die Kühltürme des seit 1996 stillgelegten Kraftwerk Boxberg II. fallen nach einer Sprengung ein (Foto: dpa). Foto: Robert Michael

Seit letzter Woche ist Katherina Reiche von der CDU Wirtschaftsministerin und löst mit ihren neuen Plänen zur Energiepolitik die grüne Planwirtschaft unter Robert Habeck ab. Sie plant nun weitreichende Umstrukturierungen im Ministerium und stellte am vergangenen Freitag beim Ludwig-Erhardt-Gipfel ihre neuen Prioritäten in der Wirtschaftspolitik vor, die eine deutliche Kehrtwende andeuten. Bürokratieabbau und mehr Marktwirtschaft stehen dabei im Fokus, ebenso wie der Bezahlbarkeit von Energie ein Vorrang vor dem Klimaschutz eingeräumt werden soll. Dabei steht für die Diplom-Chemikerin die neue Energiepolitik an erster Stelle.

Realitätscheck zur Energiewende

Die Energiepolitik soll im neuen Wirtschaftsministerium an erster Stelle stehen. Die Ausrichtung der Energiepolitik auf die Erreichung der Klimaziele, wie Habeck sie vorangetrieben hat, ist dabei nicht mehr oberstes Ziel, vielmehr stehen Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit im Fokus. Laut Reiche ist ein Realitätscheck zur Energiewende, denn der umfangreiche Ausbau der erneuerbaren Energien habe auch hohe Kosten für die Bewältigung von Netzengpässen und den Netzausbau verursacht.

Als erste Maßnahme einer neuen Energiepolitik kündigte die neue Ministerin einen zügigen Ausbau der Gaskraftwerke an. Ziel des Wirtschaftsministeriums ist nach Aussage von Reiche eine Senkung der Stromsteuer und eine Senkung der Gas-Speicher-Umlage. Reiche führte weiter aus, dass es in Deutschland und Europa einen vernünftigen Industriestrompreis brauche, wobei sie nicht unerwähnt ließ, dass dies eine große Herausforderung werden wird.

Keine grüne Planwirtschaft mehr

Die neuen Pläne der Wirtschaftsministerin haben direkt die Kritik der Grünen nach sich gezogen. Wie eine Sprecherin gegenüber der Nachrichtenagentur DPA betonte, lägen bei den erneuerbaren Energien die Stromerzeugungskosten deutlich unter denen für die neuen fossilen Kraftwerke. Außerdem warnte sie vor Klimafolgekosten, steigenden CO2-Preisen und der Erpressbarkeit durch autokratische Staaten bei der Energieversorgung.

Katherina Reiche setzt hingegen auf die Zusammenarbeit im Rahmen der neuen Freihandelsabkommen wie Mercusor sowie den den Abbau von Bürokratie und mehr Wirtschaftsliberalismus. Ihrer Meinung nach braucht Deutschland mehr Freiheit bei wirtschaftlichen Entscheidungen und weniger Vorgaben. Die Detailplanungen der der Vorgängerregierung seien kontraproduktiv, die grüne Planwirtschaft soll also dem Ende zugehen.

Grüne Staatssekretäre müssen gehen

Auch personell soll die künftige Wirtschaftspolitik weitreichende Folgen für die Besetzung wichtiger Positionen im Wirtschaftsministerium haben. So sollen, Berichten zufolge, alle bisherigen Staatssekretäre der Grünen gehen müssen. Das betrifft die Abteilungsleiter für Mittelstandspolitik, Wirtschaftsstabilisierung und Energiesicherheit, Wärme und Wasserstoff, Europapolitik, Strom und den Leiter der Zentralabteilung, die alle ihren Hut nehmen müssen.

Wie die Wirtschaftswoche berichtete, soll Reiche viele dieser Personalien selbst mit den Betroffenen besprochen haben. Der Arbeits- und Kommunikationsstil der neuen Ministerin wird dabei als kühl, nüchtern und faktenorientiert beschrieben. Die Neubesetzung der geräumten Posten im Wirtschaftsministerium ist derzeit noch unklar. Insgesamt verteidigte Reiche ihre Personalentscheidungen mit dem Ziel, das Ministerium wieder zum „ordnungspolitischen Gewissen der Bundesregierung“ zu machen.

Obwohl Reiche einen völlig neuen Kurs in der Wirtschaftspolitik einschlagen will, hatte sie dennoch ein Lob für ihren Vorgänger übrig, der ihrer Meinung nach in der Energiekrise nach dem Ausbruch des Ukraine-Krieges ausgezeichnete Arbeit geleistet hat und dadurch schlimmere Folgen verhindert hätte.

Allerdings steht auch Reiche schon kurz nach ihrem Amtsantritt in der Kritik. Beobachter befürchten einen Interessenkonflikt, denn Reiche war in ihrer vorhergehenden Position Chefin der E.ON-Tochter Westenergie AG.

Energiewende vor dem Aus, weil sie unbezahlbar wird

Wie auch Prof. Dr. Ing. Hans-Günter Appel, Pressesprecher beim Stromverbraucherschutz NAEB e.V., kürzlich kommentierte, ist die Energiewende am Ende, weil sie nicht nur unbezahlbar wird, sondern auch die Industrien aus dem Land treibt. Er warnte allerdings davor, dass auch der Rückbau von unrentablen Solar- und Windanlagen wiederum viel Geld kosten wird. Er sieht Deutschland durch ein langes tiefes Tal gehen, bevor ein wirtschaftlicher Aufstieg wieder möglich wird.

Unwirtschaftliche „saubere“ Energie

Wie Appel weiter ausführte, erhöht jede weitere Photovoltaikanlage und jeder zusätzliche Windgenerator bei günstigen Wetterbedingungen die nicht gebrauchte Strommenge. Diese nicht gebrauchte Strommenge wird aber nach dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) teuer vergütet und muss dann einfach entsorgt werden. Auch ein Abschalten der Anlagen bringt in diesem Moment keine Lösung, den die Betreiber von Wind- und Solaranlagen erhalten nach dem EEG dann eine Ausfallvergütung. Würden alle diese Subventionen entfallen, wären die Anlagen unwirtschaftlich für die Betreiber.

Im Umkehrfall, wenn weder Sonne noch Wind zur Verfügung stehen und ein Strommangel entsteht, besteht die Gefahr, dass die Netze kollabieren, so Appel weiter. In diesem Fall werden dann große Stromverbraucher in der Industrie heruntergefahren, wofür jedes Jahr dann auch Entschädigungen in Milliardenhöhe gezahlt werden.

Billigpreise für Stromexport – hohe Preise für Stromimport

Produziert Deutschland zu viel Strom aus erneuerbaren Energien bei günstigen Wetterbedingungen, kann es diesen nur zu sehr geringen oder sogar negativen Preisen exportieren. Muss hingegen bei Strommangel dieser zugekauft werden, müssen sehr hohe Preise dafür bezahlt werden. Fraglich bleibt auch, ob die europäischen Nachbarn in den kalten und kritischen Winterzeiten genug Strom anbieten können, um den deutschen Bedarf zu decken.

Energiewende als Desaster für die Wirtschaft

Die hohen und auch nicht kalkulierbaren Energiepreise haben in Deutschland den Rückgang von Investitionen verschärft, sie haben eine Abwanderung von Unternehmen in Länder mit günstigen und stabilen Energiekosten bewirkt und sie haben zu vielen Betriebsschließungen geführt. Viele Arbeitsplätze sind bereits verloren gegangen. Die Energiewende scheint am Ende.

Doch auch auch die Rückkehr zu konventionellen Energien wird teuer werden, denn es müssen zunächst einem fossile Kraftwerke wieder reaktiviert werden und neue Kraftwerke gebaut werden. Auch muss die ausreichende Verfügbarkeit an fossilen Energieträgern gesichert werden. Zusätzlich werden dann auch die unrentablen Anlagen der erneuerbaren Energien wieder demontiert und verwertet oder deponiert werden, wie Appel weiter erklärte. Das kommt sowohl die Steuerzahler als auch die bisherigen Profiteure der Energiewende teuer zu stehen.

Ausfallende Subventionen können Verluste ausgleichen

Nach Berechnungen von Experten liegen die Abschreibungen und Demontagekosten bei einer Beendigung der Energiewende deutlich über 100 Milliarden Euro. Obwohl dies sehr teuer ist, stehen diesen Kosten, nach Aussage der alten Bundesregierung, auch ca. 100 Milliarden Euro Subventionen entgegen, mit denen die Energiewende jedes Jahr subventioniert wurde. Nach Einschätzung von Appel können die Verluste der Beendigung der Energiewende mit diesen dann freiwerdenden Subventionen abgefedert werden und es können Zusammenbrüche von Firmen und Banken vermieden werden.

Folgen eines Endes der Energiewende

Laut Hans-Günter Appel wäre dieser Rückbau innerhalb von zwei Jahren zu stemmen. Erwartet dann einen Rückgang der Strompreise auf die Hälfte und eine deutliche Verbesserung der Versorgungssicherheit. Auch würden die hohen Kosten für den Bau weiterer Stromtrassen für die erneuerbaren Energieanlagen entfallen. Die bereits bestehenden, unzähligen Gesetze und Verordnungen zur Energiewende würden überflüssig werden und auch die ausufernde und kostenintensive Bürokratie im Energiesektor wäre dann hinfällig. Verbraucher wären dann wieder in der Lage, frei zu entscheiden, wie sie heizen wollen und mit welchen Energien.

Appelt gibt allerdings zu Bedenken, dass die bisherigen Profiteure der Energiewende sich gegen deren Ende auflehnen werden. Sie sind seinen Aussagen nach gut vernetzt, haben viel Kapital zur Verfügung und sitzen teilweise im Bundestag. Es wird also spannend bleiben, ob sich eine rationale, industriefreundliche Energiepolitik wirklich umsetzen lassen wird.

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