Politik

Serbien zwischen Moskau und Brüssel: EU-Beitritt bleibt strategisches Ziel – trotz Putin-Besuch

Serbien wirbt um die Gunst Brüssels – und hofiert zugleich den Kreml. Präsident Vučić reist nach Moskau, während die EU mit dem Beitritt winkt. Wie lange kann Belgrad noch auf diesem politischen Drahtseil tanzen?
14.05.2025 10:51
Lesezeit: 2 min
Serbien zwischen Moskau und Brüssel: EU-Beitritt bleibt strategisches Ziel – trotz Putin-Besuch
Serbien forciert auch weiterhin den EU-Beitritt. (Foto: dpa) Foto: Alexander Zemlianichenko

Costa zum EU-Beitritt: „Serbien gehört nach Europa“

Trotz des jüngsten Moskau-Besuchs von Präsident Aleksandar Vučić bekräftigte der serbische Staatschef seine Ambitionen, der Europäischen Union beizutreten. Während seines Besuchs in Belgrad machte der neue Präsident des Europäischen Rates, António Costa, deutlich: Serbien stehe weiterhin fest auf dem europäischen Weg – auch wenn der jüngste diplomatische Balanceakt gegenüber Russland in Brüssel kritisch gesehen werde.

Vučić hatte am 9. Mai an den Feierlichkeiten zum 80. Jahrestag des Sieges über das nationalsozialistische Deutschland in Moskau teilgenommen – trotz vorheriger Warnungen seitens der EU, wonach eine solche Geste angesichts des Ukraine-Kriegs als unangebracht gelte.

Warnung aus Brüssel: Ein Besuch mit politischer Sprengkraft

Die EU hatte Serbien eindringlich geraten, sich vom russischen Gedenkakt fernzuhalten. Doch Vučić entschied sich dennoch zur Teilnahme. António Costa äußerte in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem serbischen Präsidenten deutliche Worte: „Man kann das Ende der Besatzung vor 80 Jahren nicht feiern, ohne die heutige Invasion klar zu verurteilen.“

Gleichzeitig betonte Costa, dass Belgrad wisse, worauf es sich einlasse, wenn es EU-Mitglied werden wolle: Die Außen- und Sicherheitspolitik müsse mit jener der EU abgestimmt werden. Serbien sei sich dessen bewusst, versicherte er.

Serbiens Doppelstrategie: Der schwierige Spagat

Serbien ist seit 2012 offizieller EU-Beitrittskandidat. Doch die engen Beziehungen zu Russland sorgen immer wieder für Irritationen in Brüssel. Vučić selbst betonte zwar, dass die territoriale Integrität aller Staaten – auch der Ukraine – respektiert werde, dennoch verweigert sich Serbien weiterhin jeglichen Sanktionen gegen Russland.

Seit dem Beginn der des Kriegs in der Ukraine im Februar 2022 hat Serbien zehntausende Russen aufgenommen. Wirtschaftlich hängt das Land stark von der EU ab, insbesondere im Handel. Gleichzeitig ist es nahezu vollständig von russischem Gas abhängig. Die aktuelle Gasliefervereinbarung läuft Ende Mai aus – daher war die Energiefrage ein zentrales Thema während Vučićs Reise nach Moskau.

Deutschland im Fokus: Energieabhängigkeit als geopolitisches Risiko

Aus deutscher Perspektive ist die serbische Gratwanderung zwischen Ost und West ein geopolitischer Risikofaktor. Berlin betrachtet die Erweiterung des westlichen Balkans als sicherheitspolitisch wichtig, insbesondere angesichts wachsender Einflussversuche Russlands in der Region. Serbiens Energieabhängigkeit von Russland steht dabei im klaren Widerspruch zu den europäischen Diversifizierungsbestrebungen – auch und gerade im Interesse Deutschlands, das seit dem Ukraine-Krieg eine strategische Neuaufstellung der Energiepolitik im Südosten Europas forciert.

Zwischen Kritik und Integration: Wie lange hält Serbiens Balanceakt?

Die Europäische Kommission und zahlreiche Mitgliedstaaten mahnen regelmäßig Reformen an. Zuletzt forderte EU-Erweiterungskommissarin Marta Kos Mitte April entschlossene Schritte gegen Korruption – nicht zuletzt im Zuge eines tragischen Zwischenfalls, bei dem in Novi Sad ein Bahnhofsgebäude einstürzte und Todesopfer forderte. Die EU macht klar: Fortschritt bei der Integration gibt es nur mit Reformwillen.

Serbiens Spiel mit dem Feuer

Serbien steht an einem geopolitischen Scheideweg – und spielt ein gefährliches Spiel mit zwei Mächten. Während es von der EU wirtschaftlich profitiert, scheut es klare Kante gegenüber Moskau. Doch wie lange lässt sich dieser Balanceakt aufrechterhalten, ohne den Zorn der einen Seite zu riskieren? Die Antwort auf diese Frage wird nicht nur über Serbiens europäische Zukunft entscheiden – sondern auch über die Stabilität des Balkans insgesamt. Der Artikel beleuchtet die wachsenden Spannungen, die daraus resultieren – und warum das auch für Deutschland von größter Bedeutung ist.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Das Zeitalter des intelligenten passiven Einkommens: Bitcoin-Mining mit BlackchainMining

In der heutigen, sich rasant entwickelnden digitalen Wirtschaft sind Kryptowährungen wie Bitcoin nicht nur Vermögenswerte, sondern auch...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Exporte: USA- und China-Geschäft bricht im Oktober ein
09.12.2025

Die deutschen Exporte geraten in ihren wichtigsten Absatzmärkten ins Rutschen, und die Zahlen aus den USA und China zeichnen ein klares...

DWN
Finanzen
Finanzen Neues Silberpreis-Rekordhoch: Engpässe treiben Aufwärtsrallye – warum Anleger jetzt wachsam sein müssen
09.12.2025

Der Silberpreis jagt von Rekord zu Rekord und übertrifft selbst den Hype um Gold, folgerichtig gibt es am Dienstag ein neues...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Arbeitsmarkt: Sieben Wege wie Unternehmen Fachkräfte finden und halten
09.12.2025

Qualifizierte Fachkräfte werden knapp – das spüren Unternehmen bei der Personalsuche immer deutlicher. Die Folgen: Engpässe,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Milan Nedeljkovic folgt auf Oliver Zipse bei BMW
09.12.2025

BMW bekommt einen neuen Chef: Milan Nedeljkovic übernimmt das Ruder von Oliver Zipse. Der Produktionsvorstand bringt Erfahrung aus fast...

DWN
Finanzen
Finanzen Allianz-Aktie im Fokus: Allianz-Kooperation mit Oaktree – was der Syndikat-Pakt für Anleger bedeutet
09.12.2025

Ein neuer Deal in London, ein bestätigtes Top-Rating und höhere Gewinnziele treiben die Allianz-Aktie bis an das Jahreshoch. Doch hinter...

DWN
Politik
Politik Merz fordert Abschaffung: EU-Lieferkettengesetz wird deutlich gelockert
09.12.2025

Das EU-Lieferkettengesetz sollte Unternehmen weltweit verpflichten, Menschenrechte zu achten. Doch bevor es überhaupt greift, haben sich...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kosten für Wohnen und Essen fressen geringere Einkommen auf
09.12.2025

Wohnen und Lebensmittel werden teurer – doch die Härte trifft nicht alle gleich. Neue Daten der Statistiker zeigen, wie stark vor allem...

DWN
Politik
Politik Analyse: Putins Besuch in Indien zeigt die gefesselten Hände des Kreml
09.12.2025

Wladimir Putins Besuch in Indien sollte Stärke demonstrieren, doch die Realität wirkt gegenteilig. Der Kreml ist stark von Ölexporten...