Produktivität stagniert – Europa investiert zu wenig in KI
Die Produktivitätslücke zwischen Europa und den USA wächst. Der Grund: zu geringe Investitionen – vor allem in Künstliche Intelligenz. Der durchschnittliche europäische Arbeitnehmer erwirtschaftet nur 76 Prozent der Leistung seines US-Pendants – 2005 waren es noch 85 Prozent. Das zeigt ein neuer Accenture-Bericht mit dem Titel „Europe’s AI Reckoning: Reinventing Industries for the Era Ahead“. Hauptursache der wachsenden Kluft zwischen Europa und den USA sind zu geringe Investitionen. Aktuell verfügen die Vereinigten Staaten über rund 70 Prozent der weltweiten Rechenleistung für KI – in Europa sind es lediglich 4 Prozent. Investitionen in Big Data, Analytik und IT-Sicherheit sind in den USA doppelt so hoch wie in Europa. Die KI-Investitionen selbst liegen dort fast drei Mal höher.
Europäische Unternehmen nutzen die Chancen der Technologie bislang nicht aus. „Die USA investieren nicht nur mehr, sie skalieren ihre Lösungen auch schneller. Europa – inklusive Polen, das beim KI-Einsatz unter dem EU-Durchschnitt liegt – steht vor einer Entscheidung: Die Transformation beschleunigen oder den Rückstand vergrößern“, sagt Sylwia Gwiazda, Senior Managerin und GenAI-Leiterin für den Finanzsektor bei Accenture Polen. Besonders kritisch ist die Lage in Polen. Laut Eurostat nutzten 2024 nur knapp 6 Prozent der polnischen Unternehmen mit mehr als zehn Mitarbeitern KI – einer der niedrigsten Werte in der EU, wo der Schnitt bei 13,5 Prozent liegt. Die Einführung verläuft schleppend, vor allem im Mittelstand. „Der Finanzsektor sticht positiv hervor – er sieht GenAI von Beginn an als strategische Chance“, so Gwiazda.
Erforderliche Investitionen
Am besten setzt Europa KI in den Bereichen Automobil, Luftfahrt, Verteidigung und Finanzen ein. In der Energieversorgung und im öffentlichen Sektor ist die Lage deutlich schlechter. Hemmnisse sind hier etwa fehlende Regulierung, fragmentierte Daten und ein Mangel an Fachkräften. Besorgniserregend ist insbesondere der geringe KI-Einsatz im Energiesektor und in digitalen Netzen. Auch die Industrie, die ein Viertel des europäischen BIP erwirtschaftet, nutzt das Potenzial bislang kaum. „Wir sehen eine deutliche Lücke zwischen großen und kleinen Unternehmen. Letztere beenden KI-Projekte oft schon nach der Konzeptphase – Ressourcen für den Skalierungsschritt fehlen. In unseren Studien sahen polnische Finanzfirmen GenAI 2023 vor allem als Instrument zur Kostensenkung, nicht zur Umsatzsteigerung – also eher defensiv“, erklärt Sylwia Gwiazda.
Sie betont, dass Europa die Produktivitätslücke nur schließen kann, wenn Unternehmen von punktuellen KI-Projekten zu umfassenden, systemischen Transformationen übergehen. Künstliche Intelligenz dürfe nicht länger nur als Ergänzung bestehender Prozesse gesehen werden – sie müsse die Geschäftsmodelle grundlegend verändern: mit Fokus auf Effizienz, Mensch-KI-Zusammenarbeit und besserer Wissensnutzung. Das erfordere Investitionen in Datenerhebung und -verarbeitung, interdisziplinäre Teams, Mitarbeiterkompetenzen, Risikomanagement und Technologien zur digitalen Resilienz. „Solche Investitionen sind besonders für kleinere Unternehmen eine große Herausforderung“, so Sylwia Gwiazda.