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Streckensperrung Hamburg-Berlin: Neun Monate Bauzeit mit weitreichenden Folgen

Stellwerke, in denen noch mit Disketten gearbeitet wird – das ist Alltag auf der Bahnstrecke Hamburg-Berlin. Ab Freitag wird generalsaniert – mit weitreichenden Auswirkungen im Fern- und Regionalverkehr.
30.07.2025 07:30
Lesezeit: 3 min

Sanierungsstart Hamburg-Berlin: Was Fahrgäste wissen müssen

Die Bahnstrecke zwischen Hamburg und Berlin zählt zu den wichtigsten Pendlerachsen in ganz Deutschland – und ist ab Freitagabend komplett gesperrt. Dann startet die lang erwartete Generalsanierung – mit spürbaren Folgen für Regional-, Fern- und Güterverkehr. Täglich nutzen allein im Fernverkehr rund 30.000 Menschen die 280 Kilometer lange Verbindung, insgesamt verkehren dort jeden Tag 470 Züge.

Die grundlegende Modernisierung ist dringend erforderlich, denn die wichtige Verbindung zwischen den beiden Metropolen ist dem Verkehrsaufkommen kaum noch gewachsen. "Wir haben Stellwerke, die arbeiten noch mit Disketten", sagt Julian Fassing, Projektleiter der Sanierung.

Dritte Generalsanierung im deutschen Netz

Nach der Riedbahn und der laufenden Modernisierung der Strecke Emmerich-Oberhausen in NRW folgt nun die nächste sogenannte Generalsanierung im deutschen Schienennetz. Mit der umfassenden Instandsetzung stark frequentierter Korridore will die Deutsche Bahn langfristig wieder pünktlicher und zuverlässiger werden. Das sollten Betroffene wissen:

Wie lange dauert die Sperrung?

Wie bereits bei der Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim im Vorjahr wird auch die Strecke Hamburg-Berlin vollständig gesperrt – und zwar für neun Monate vom Abend des 1. August bis zum 30. April. In drei verschiedenen Baubereichen finden umfassende Sanierungsmaßnahmen statt, die die marode Strecke wieder auf Vordermann bringen sollen.

Einige Arbeiten waren so dringend, dass sie bereits im vergangenen Jahr erledigt werden mussten. Zwischen August und Dezember kam es deshalb 2024 zu erheblichen Einschränkungen für Fahrgäste.

Was bedeutet das für den Fernverkehr?

Fahrgäste im Fernverkehr müssen wegen der Sperrung mit Umleitungen und längeren Fahrzeiten rechnen. Die Fernzüge werden über Stendal und Uelzen geführt. Im Schnitt verlängert sich die Fahrtzeit um 45 Minuten. Zudem verkehrt nur noch ein Zug pro Stunde statt bisher alle 30 Minuten. Die Halte in Ludwigslust und Wittenberge entfallen.

Die EC-Züge zwischen Hamburg und Prag starten und enden in Berlin. Die Fernverbindungen zwischen Hamburg und Rostock werden über Lübeck und Bad Kleinen umgeleitet und benötigen rund 60 Minuten mehr. In Schwerin halten während der Bauzeit keine Fernzüge.

Welche Folgen hat das für den Regionalverkehr?

Deutlich komplizierter wird es für die Fahrgäste im Regionalverkehr. Zahlreiche Linien entfallen komplett oder verkehren nur auf Teilstrecken. Auf 28 Verbindungen sollen Ersatzbusse eingesetzt werden. Diese werden vom Unternehmen Ecovista betrieben, das eigenen Angaben zufolge 208 neue Busse bei den Herstellern SOR und Iveco bestellt hat. Die Busse verfügen demnach über WLAN und USB-Steckdosen. Auf der Langstrecke sind manche Fahrzeuge mit Toiletten ausgestattet, so Ecovista.

Allerdings werden bis zum Start der Bauarbeiten nicht alle Busse ausgeliefert sein. Ecovista werde daher auf Fahrzeuge von Subunternehmen zurückgreifen, so eine Sprecherin. Zum Einsatz kämen außerdem Busse, die bereits bei der Riedbahn-Sanierung verwendet wurden. Damit könne der Ersatzverkehr wie geplant in voller Stärke starten, hieß es.

Und der Güterverkehr?

Ein Teil der Güterzüge kann ebenfalls über Uelzen und Stendal umgeleitet werden, teilt die Bahn mit. "Weiterhin sind jedoch auch Umleitungen über Rotenburg (Wümme) und Verden (Aller) vorgesehen. Diese werden im weiteren Fahrtverlauf über Hannover und Magdeburg in Richtung Berlin geleitet." Für die Transportunternehmen bedeutet das Verspätungen von mehreren Stunden.

Warum erfolgt die Sperrung erneut?

Weil im vergangenen Jahr nur das repariert wurde, was nicht länger aufgeschoben werden konnte. Nun soll deutlich umfassender saniert werden, um den Zustand grundlegend zu verbessern. Laut Bahn erhielt die Strecke zuletzt die Zustandsnote 3,7. Nach Abschluss der Generalsanierung erwartet der Konzern die Note 2,3. Auf der Riedbahn hatte sich die Bewertung durch die Generalsanierung von 3,70 auf 2,19 verbessert.

Welche Maßnahmen sind konkret geplant – und welche nicht?

  • 28 Bahnhöfe sollen ein neues Erscheinungsbild erhalten und künftig mehr Aufenthaltsqualität bieten. Damit wird an allen Bahnhöfen der Strecke gearbeitet.
  • 165 Kilometer Gleise werden vollständig erneuert, weitere 61 Kilometer instand gesetzt.
  • 249 Weichen werden insgesamt eingebaut.
  • Auf 25 Kilometern wird der Fahrdraht getauscht, auf weiteren 22 Kilometern die Oberleitung erneuert.
  • Sechs neue Stellwerke werden errichtet, 19 bestehende modernisiert.
  • Die Stellwerke werden für den Einsatz digitaler Leit- und Sicherungstechnik (ETCS) vorbereitet – die Strecke selbst jedoch nicht. Aufgrund der Erfahrungen bei der Riedbahn-Sanierung wird darauf vorerst verzichtet. Erst in den 2030er Jahren soll auf der Strecke Hamburg-Berlin die digitale Technik eingeführt werden. Sie ermöglicht es, dass mehr Züge in kürzeren Abständen fahren können.

Wird die Bahn danach pünktlicher?

Das ist zumindest die Hoffnung der Verantwortlichen. Zuletzt wurden weniger als 60 Prozent der Fernverkehrshalte pünktlich erreicht.

Dass diese Quote im gesamten Netz bereits nach der dritten von insgesamt rund 40 geplanten Generalsanierungen spürbar steigt, gilt als unwahrscheinlich. Auf der Strecke selbst dürfte der Verkehr nach Abschluss der Bauarbeiten aber deutlich stabiler und störungsfreier verlaufen. Zudem soll die umfassende Sanierung dafür sorgen, dass dort für mehrere Jahre keine weiteren Bauarbeiten erforderlich sind.

Wie geht es nach Hamburg-Berlin weiter?

2026 sollen vier weitere Generalsanierungen folgen – und zwar auf den Strecken Hagen-Wuppertal-Köln, Nürnberg-Regensburg, Obertraubling-Passau sowie Troisdorf-Wiesbaden.

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