Diesel-Lkw lassen sich potenziell auf Wasserstoff umrüsten
Die Unternehmen Mahle Powertrain und Metier Technologies haben einen neuen Ansatz zur Dekarbonisierung des Schwerlastverkehrs vorgestellt und ziehen damit auch andere Akteure der Branche nach. Auf der diesjährigen CENEX Expo in Bedfordshire, England, die am dritten und vierten September stattfindet, werden sie die erste praxisnahe Lösung für eine schnelle Umrüstung von Diesel-Lkw auf Wasserstoffantrieb präsentieren. Im Mittelpunkt steht ein Demonstrationsfahrzeug vom Typ DAF LF220 mit einem 6,7-Liter-Sechszylindermotor, der vollständig auf 100-prozentigen Wasserstoffbetrieb umgerüstet wurde. Ziel der Partner ist es zu zeigen, dass etablierte Ingenieurtechnologien und minimale Eingriffe in die Fahrzeugstruktur ausreichen, um Fuhrparks auf null Emissionen umzustellen, ohne auf die Entwicklung neuer Plattformen warten zu müssen. „Dieses Projekt wird demonstrieren, was möglich ist, wenn Ingenieurwissen auf dringende Umweltanforderungen trifft“, erklärte James Budgett, Geschäftsführer von Metier Technologies. Mit Unterstützung der bewährten Motorsteuerungsplattform von Mahle (MFE – Mahle Flexible ECU) konnte der Verbrennungsprozess für Wasserstoff schnell entwickelt und optimiert werden, wobei Sicherheit und Leistungsfähigkeit gewährleistet bleiben.
Die Umrüstung umfasst den Einbau spezialisierter Wasserstoffeinspritzdüsen, ein umfassendes Mapping des Motors mithilfe des Mahle-ECU-Systems sowie die Integration neuer Sicherheitskomponenten. Kern der Lösung ist die Mahle-Softwareplattform MFE, die ursprünglich für eine Vielzahl von Verbrennungsmotoranwendungen entwickelt wurde und eine präzise Kalibrierung für Wasserstoff ermöglicht. Zusätzlich kommt die Mahle Jet Ignition-Technologie (MJI) zum Einsatz, die eine effizientere Verbrennung sowie eine Reduzierung von Stickstoffoxidemissionen erlaubt, was zu den zentralen Herausforderungen bei Wasserstoffmotoren zählt. Die neue Mahle-Testanlage für Schwerlastmotoren in Northampton ermöglichte es, den Mapping-Prozess und die Leistungsoptimierung rechtzeitig vor der Premiere im September abzuschließen. Auf diese Weise können Motorleistung und Sicherheit gewährleistet werden, während gleichzeitig die Anforderungen an Emissionsreduzierung erfüllt werden, ohne dass das Fahrzeug grundlegend neu entwickelt werden muss.
Vorteile gegenüber Elektro- und Brennstoffzellenfahrzeugen
Metier betont, dass ihre Lösung niedrigere Gesamtbetriebskosten im Vergleich zu batterieelektrischen Fahrzeugen (BEV) und Brennstoffzellenfahrzeugen (FCEV) bietet. Besonders in Bezug auf längere Betriebszyklen, höhere Nutzlasten und einfachere Wartung ergeben sich Vorteile. Für Betreiber von regional begrenzten Flotten, wie etwa im Bereich der Verteilung aus zentralen Lagern, erscheint die „schnelle Umrüstung“ realistischer als die Anschaffung eines vollständig neuen Fahrzeugs. Zudem ermöglicht diese Lösung eine uneingeschränkte Zufahrt zu Stadtzentren, in denen strenge Umweltauflagen gelten. Metier richtet sein Projekt vor allem auf Großbritannien aus, wo bereits Wasserstoffzentren im schottischen Hochland und im Südwesten Englands existieren. Das Unternehmen arbeitet mit lokalen Wasserstofflieferanten zusammen und orientiert sich an den staatlichen Plänen zur Produktionssteigerung bis 2030, um eine kontinuierliche Versorgung und einen effizienten Betrieb der umgerüsteten Flotten sicherzustellen.
Testphase und Kommerzialisierung
Nach der Präsentation auf der CENEX Expo folgt eine Konzeptnachweisphase in den Fuhrparks der Transportunternehmen, die voraussichtlich Mitte 2026 beginnt. Eine breite kommerzielle Einführung ist für Anfang 2027 vorgesehen. Metier baut derweil Partnerschaften mit Wasserstoffanbietern, Leasinggesellschaften und Transportunternehmen auf, um ein vollständiges kommerzielles Ökosystem zu schaffen. Ziel ist es, eine Infrastruktur zu etablieren, die nicht nur die Umrüstung bestehender Fahrzeuge unterstützt, sondern auch den sicheren und effizienten Betrieb auf längere Sicht gewährleistet. Die strategische Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Partnern soll sicherstellen, dass Wasserstoffflotten wirtschaftlich tragfähig sind und gleichzeitig die Umweltziele der Branche erfüllen.
Weitere Projekte im Wasserstoffbereich
Das Mahle-Metier-Projekt ist kein Einzelfall. In der Automobil- und Transportindustrie entstehen zunehmend Projekte, die Wasserstoff als Brücke zwischen Verbrennungsmotoren und langfristiger CO₂-freier Mobilität sehen. Toyota hat in Japan einen Hino Profia-Lkw mit Wasserstoffmotor auf Basis eines Dieselblocks vorgestellt, was zeigt, dass auch große Hersteller alternative Wege neben Brennstoffzellen prüfen. Cummins entwickelt in den USA Wasserstoffmotoren, darunter eine 15-Liter-Variante, die bis 2027 kommerziell verfügbar sein soll, und arbeitet dabei mit Herstellern wie Daimler Truck und PACCAR zusammen. Volvo Group startete 2024 ein Pilotprojekt mit einem Hybrid-Lkw, bei dem der Dieselmotor mit Wasserstoff kombiniert wird, um CO₂-Emissionen zu reduzieren. Hyundai entwickelt neben Brennstoffzellen auch eigene Wasserstoffmotorprototypen, die den bestehenden Fuhrpark schwerer Fahrzeuge ergänzen könnten. MAN Truck & Bus kündigte in Deutschland an, dass bis Ende des Jahrzehnts Lkw mit Wasserstoffverbrennungsmotor getestet werden sollen, da diese Lösung den Markt schneller entlasten könnte, wo Elektromobilität keine praktikable Alternative ist. Diese Entwicklungen zeigen, dass Wasserstoff als vielseitige und kurzfristig einsetzbare Lösung zunehmend in den Fokus der Schwerlastindustrie rückt.
Es lässt sich also sagen, dass die Entwicklungen im Bereich der Wasserstoffumrüstung von Diesel-Lkw zeigen, dass bestehende Fahrzeugflotten durch gezielte technische Anpassungen klimafreundlicher gestaltet werden können. Dabei ist keine Neuentwicklung von Plattformen erforderlich, um diesen Effekt zu erreichen. Für Deutschland, das über eine dichte urbane Infrastruktur und eine bedeutende Logistikbranche verfügt, könnten solche Lösungen eine realistische Möglichkeit darstellen, den Schwerlastverkehr nachhaltig zu dekarbonisieren, die Einhaltung lokaler Umweltauflagen zu erleichtern und gleichzeitig die Betriebskosten für Transportunternehmen zu stabilisieren. Die Kombination aus technologischem Fortschritt und strategischer Partnerschaft mit Wasserstofflieferanten könnte hierzulande einen wichtigen Beitrag zu einer klimafreundlichen Transportwirtschaft leisten.

