Politik

Trump zieht in den Städtekrieg - Militär gegen die eigenen Bürger?

Mit drastischen Worten attackiert US-Präsident Donald Trump demokratisch regierte Städte – und droht, dort Soldaten einzusetzen. Begriffe wie „Rattenloch“ und „brennender Höllenschlund“ zeigen, wie konfrontativ er vorgeht. Beobachter fragen sich nun, ob Trump damit versucht, den Einsatz von Militär im eigenen Land schrittweise zu normalisieren.
07.10.2025 19:00
Lesezeit: 3 min
Trump zieht in den Städtekrieg - Militär gegen die eigenen Bürger?
Bundesbeamte der US-Einwanderungs- und Zollbehörden und der US-Zollbehörde US Customs and Border Protection gehen den West Wacker Drive entlang an einem Trump-Gebäude vorbei. (Foto: dpa) Foto: Ashlee Rezin

In den USA verschärft sich der Streit um den Einsatz der Nationalgarde auf Geheiß von Präsident Donald Trump - und damit um die Grenzen seiner Macht. Der Republikaner will die militärische Reserveeinheit in mehreren demokratisch regierten Städten einsetzen oder hat es bereits getan - mit der Begründung, angeblich ausufernde Kriminalität einzudämmen und Proteste gegen Razzien der Einwanderungsbehörde ICE unter Kontrolle zu bringen. Mehrere Städte und Bundesstaaten wehren sich mit juristischen Mitteln. Sie sehen ihre Souveränität verletzt und warnen vor einem gefährlichen Präzedenzfall für den Einsatz militärischer Druckmittel im Inland.

In den USA haben die Gouverneure eines Bundesstaates normalerweise die Kontrolle über die Nationalgarde - nur in Kriegszeiten oder nationalen Notfällen kann der US-Präsident das Kommando übernehmen. Als Teil der US-Streitkräfte kann die Nationalgarde grundsätzlich etwa bei Naturkatastrophen, Unruhen oder Notfällen im Inneren eingesetzt werden.

Einsatz in Chicago scheint bevorzustehen

Laut US-Medien könnten schon bald Nationalgardisten in der Region Chicago eintreffen. Der Versuch des Bundesstaats Illinois und der Millionenstadt, einen solchen Einsatz zu stoppen, blieb zunächst ohne Erfolg: Die zuständige Richterin wolle frühestens am Donnerstag über eine einstweilige Verfügung entscheiden, hieß es in den Berichten.

Die Trump-Regierung hatte angeordnet, rund 300 Nationalgardisten aus Illinois unter Bundeskontrolle zu stellen, um dort Bundesbeamte und Bundeseigentum zu schützen. In Portland im Bundesstaat Oregon wurde ein ähnlicher Einsatz auf Geheiß eines Gerichts vorläufig gestoppt - Ausgang unklar.

Illinois' Gouverneur JB Pritzker erklärte in der Nacht zum Montag, dass Trump zudem 400 Nationalgardisten aus dem republikanisch regierten Texas einberufen habe, um sie in Illinois, in Oregon und andernorts in den USA einzusetzen. Die „New York Times“ berichtete unter Berufung auf Militärkreise, 200 texanische Nationalgardisten sollten am Montag nach Chicago fliegen, um dort im Laufe der Woche ihren Einsatz zu beginnen.

Am späten Abend postete Texas' Gouverneur Greg Abbott auf X ein Foto von Soldaten der texanischen Nationalgarde, die ein Flugzeug besteigen - begleitet von den Worten: „Jederzeit bereit. Jetzt im Einsatz.“

Folgt Trumps Regierung einem „Drehbuch“?

Seit Wochen heizt sich die Stimmung in demokratisch regierten Städten auf, weil Trump damit droht, die Nationalgarde gegen den ausdrücklichen Willen der Kommunen und Bundesstaaten einzusetzen. Kritiker werfen ihm vor, den Einsatz militärischer Gewalt im Innern schrittweise normalisieren zu wollen, um politische Gegner einzuschüchtern. Eine weitere Sorge: Das harte Vorgehen gegen größtenteils friedliche Proteste mit nur vereinzelten Ausschreitungen könnte weitere Unruhen provozieren, anstatt sie einzudämmen.

Gouverneur Pritzker beschuldigte die Trump-Regierung, einem regelrechten „Drehbuch“ zu folgen: Sie schüre Angst und lasse weitgehend friedliche Demonstranten als Bedrohung erscheinen. Er warf Trump vor, gezielt eine Eskalation herbeizuführen, um sich dann auf den sogenannten Insurrection Act berufen zu können. Dieses Gesetz aus dem Jahr 1807 erlaubt dem US-Präsidenten im Ausnahmefall, Militär im Inland einzusetzen, um Aufstände niederzuschlagen.

Trump verglich Chicago mit einem „Kriegsgebiet“ und deutete an, den „Insurrection Act“ vielleicht tatsächlich anwenden zu wollen. Die Bundesbehörden hätten gar keine andere Wahl, als hart durchzugreifen, erklärte er am Montag im Weißen Haus. Man werde sich „Stadt für Stadt“ vorknöpfen müssen.

Juristischer Schlagabtausch

Ein Präsident darf nur in Ausnahmefällen die Bundeskontrolle über Soldaten der Nationalgarde übernehmen, die den Bundesstaaten zugeordnet sind - und dann auch nur ganz bestimmte Einsätze anordnen. Mehrere Gerichte befassen sich inzwischen mit Trumps Vorgehen und den Grenzen seiner Macht. Die jüngste Klage strengten der Bundesstaat Illinois und die Stadt Chicago an. Sie argumentieren, es sei rechtswidrig, dass Trump und seine Regierung Nationalgardisten unter Bundeskontrolle stellen, um in der Stadt gegen angeblich ausufernde Kriminalität vorzugehen.

„Zurschaustellung von Tyrannei“

Parallel dazu will Chicago den Handlungsspielraum der Einwanderungsbehörde ICE einschränken. Die Stadt verweist darauf, dass ICE-Beamte besonders in der vergangenen Woche Razzien zur Einschüchterung genutzt und dabei Tränengas versprüht hätten. Menschen seien regelrecht gejagt worden, zum Teil seien auch Kinder zugegen gewesen. Johnson sprach von einer „Zurschaustellung von Tyrannei“. Auch bei Protesten gegen die ICE-Razzien seien Einsatzkräfte mit unangebrachter Härte vorgegangen.

Die Trump-Regierung stellt die Lage anders dar und verweist darauf, dass ICE bloß rechtmäßige Arbeit verrichte und das amerikanische Volk vor Kriminellen - angeblich den „Schlimmsten der Schlimmen“ - geschützt werden solle.

„Höllenschlund“ Portland, „Rattenloch“ Washington

Der Fall Chicago reiht sich in eine Serie ähnlicher Auseinandersetzungen ein. Jüngst hatten bereits der Bundesstaat Oregon und die Stadt Portland gegen Trump geklagt, woraufhin ein Gericht den Einsatz von Nationalgardisten aus Oregon vorerst stoppte. Die US-Regierung reagierte, in dem sie Soldaten aus einem anderen Bundesstaat - Kalifornien - nach Portland beorderte. Doch auch diesen Schritt blockierte das Gericht wenig später. Trump bezeichnete die Stadt im Nordwesten der USA am Montag als „brennenden Höllenschlund“. Der zuständigen Richterin warf er vor, so zu tun, als gebe es dort kein Problem.

Bereits vor Monaten hatte Trump Soldaten nach Los Angeles geschickt mit dem erklärten Ziel, Proteste gegen ICE-Razzien zurückzudrängen. Schon diesen Einsatz sahen Kritiker als Vorboten einer größer angelegten Selbstermächtigung der Regierung. Vor einigen Wochen veranlasste der US-Präsident dann einen Einsatz der Nationalgarde in der US-Hauptstadt Washington, der er ebenfalls ein ausuferndes Kriminalitätsproblem attestierte - ohne dass Statistiken das in dieser Form belegen würden. Für Washington wählte er damals „Rattenloch“ als Beschreibung.

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